EU-Parlament pendelt: "Wanderzirkus" soll ein Ende haben

    EU-Parlament pendelt teuer:"Wanderzirkus" soll ein Ende haben

    Marie Scholl
    von Marie Scholl
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    Das EU-Parlament pendelt zwischen Straßburg und Brüssel. Das soll ein Ende haben, fordern Spitzenkandidaten. Zahlen, die ZDFheute vorliegen, zeigen, wieso.

    EU-Parlament in Straßburg
    Soll weg: Das EU-Parlament in Straßburg.
    Quelle: imago images

    Pendeln gehört für EU-Parlamentarier zum Job. Ausschüsse und Fraktionen tagen in Brüssel, doch ein- bis zweimal im Monat ist Sitzungswoche des Europäischen Parlaments - und die findet im 400 Kilometer entfernten französischen Straßburg statt. Eigens gecharterte Züge transportieren deshalb einmal im Monat Parlamentarier und ihre Mitarbeiter von Brüssel nach Straßburg und zurück. Eine Kolonne aus LKWs transportiert Arbeitsmaterial und Unterlagen.
    EU-Parlament in Straßburg bei Nacht
    Abgeordnete mehrerer Parteien fordern die Sitzungen des EU-Parlaments in Straßburg im Winter auszusetzen. Endgültig entscheiden kann aber nur Frankreich.05.10.2022 | 4:32 min

    Schirdewan: "Versteht kein normaler Mensch"

    Pünktlich zum Europawahlkampf regt sich erneut Kritik am Prozedere des pendelnden Parlaments - und zwar von Linken-Chef Martin Schirdewan, Fraktionschef der Linken im EU-Parlament und Spitzenkandidat seiner Partei zur Europawahl. Er sagt zu ZDFheute:

    Einen Wandertross, der nicht nur kostenintensiv, sondern auch umweltschädlich ist, versteht doch in diesen Zeiten kein normaler Mensch.

    Martin Schirdewan, Linken-Chef und Europa-Spitzenkandidat

    Er hat dazu Zahlen beim Wissenschaftlichen Dienst des Europaparlaments erfragt. Demnach soll die monatliche Pendelei im Jahr 2022 rund 63 Millionen Euro gekostet haben. Nicht eingerechnet sind die Kosten für die Züge und LKWs. Die Kosten für 2023 sind noch höher.
    Kosten für die Pendelei des EU-Parlaments
    Die Kosten für die Pendelei des EU-Parlaments sind hoch.

    Spitzenkandidaten fordern einheitlichen Parlamentssitz

    Auch Terry Reintke, Co-Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament und Grünen-Spitzenkandidatin, wünscht sich einen einheitlichen Sitz für das EU-Parlament.
    Der Mehrheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger lasse sich nicht vermitteln, dass die Institution, die andere zu Klimaschutz und Energieeffizienz verpflichte, einen solchen "Reisezirkus" veranstalte.
    Reintke fordert eine Änderung der EU-Verträge, damit es nur noch einen Parlamentssitz gibt.
    terry-reintke
    Fordert eine Änderung der EU-Verträge: Terry Reintke.

    Grundsätzlich ändern könnten das allerdings weder die Spitzenkandidaten noch das Parlament selber, sondern nur die EU-Mitgliedsstaaten - und zwar einstimmig. Dass das passiert, ist unwahrscheinlich. Frankreich hält am Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg fest.
    Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zurzeit Vorsitzende des Verteidigungsausschuss im Bundestag und Europa-Spitzenkandidatin der FDP, teilt diese Forderung: Zwei Sitze sind finanziell, organisatorisch und klimatisch nicht vertretbar. Das Europäische Parlament soll einen festen Tagungsort haben und selbst über seinen Sitz entscheiden können."
    Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahlen 2024
    Gegen zwei Sitze des EU-Parlaments: Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
    Quelle: dpa/Michael Kappeler

    SPD: Zwei Sitze zur Überwindung der "Erbfeindschaft"

    Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, spricht sich nicht für einen einheitlichen Parlamentssitz aus. "Als Symbol für die wechselvolle Geschichte Europas und die Überwindung der deutsch-französischen 'Erbfeindschaft' ist der Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg für Frankreich wichtig. Das respektiere ich", so die Europaabgeordnete.
    Die CDU hat noch keinen Spitzenkandidaten für die Europawahl. Auf eine Anfrage von ZDFheute antwortete das Konrad-Adenauer-Haus bisher nicht.
    Der Europa-Spitzenkandidat der AfD, deren Parteichefin Alice Weidel zuletzt einen "DEXIT" ins Spiel brachte, positioniert sich ebenfalls gegen das pendelnde Parlament - als AfD-Delegation habe man sich schon mehrfach gegen die regelmäßige Parlamentarierwanderung nach Straßburg ausgesprochen, dabei werde es auch bleiben, so Maximilian Krah.

    Diskussion um "Wanderzirkus" nicht neu

    Die Diskussion um den Standort des EU-Parlaments ist nicht neu. Zuletzt war das Prozedere kritisiert worden, weil es nicht energieeffizient sei, zwei Standorte zu betreiben. Seit Anfang der 1990er beschlossen wurde, dass das Parlament pendeln soll, ist vom "Wanderzirkus" die Rede.
    Zuletzt hatten sich wegen der Energiekrise Parlamentarier gegen das Pendeln ausgesprochen.
    Linken-Chef Schirdewan hatte sich nun auch über den CO2-Ausstoß der Pendelei beschwert. Aber wie kommt er von Deutschland nach Brüssel und Straßburg? "Ich nutze die Bahn, das Auto und auch Linienflüge, wenn es nicht anders geht".