Anklage wegen Falschaussage:Worum geht es im Verfahren gegen Kurz?
von Wolf-Christian Ulrich
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Gegen den österreichischen Ex-Kanzler ist Anklage erhoben worden. Worum geht es im Verfahren gegen Sebastian Kurz und welche Konsequenzen hat das für Österreich? Ein Überblick.
Anegklagt: Ehemaliger österreichischer Kanzler Sebastian Kurz
Quelle: picture alliance / SvenSimon
Wieso ist Sebastian Kurz angeklagt?
Kurz soll, so der Vorwurf, im "Ibiza"-Untersuchungsausschuss falsch darüber ausgesagt haben, inwieweit er in die Pläne rund um die Staatsholding ÖBAG eingebunden war. Die ÖBAG vertritt den Staat als Anteilseigner in einigen der wichtigsten österreichischen Unternehmen, darunter die Post und Energieversorger. Ein wichtiger Posten, der dem Bundeskanzler tatsächlich nicht egal sein dürfte. Kurz selbst hatte im März 2021 noch wörtlich gesagt:
Das Vertrauen von ÖBAG-Chef Thomas Schmid zu seinem langjährigen politischen Weggefährten Sebastian Kurz soll innig gewesen sein - so lesen sich zumindest Chats aus Schmids Handy. "Kriegst eh alles, was Du willst," schrieb Kurz an Schmid. "Ich liebe meinen Kanzler," schmeichelte Schmid zurück.
Der Auftritt eines ehemaligen Vertrauten von Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz im ÖVP-Korruptionsausschuss im verganenen November hatte für Aufsehen gesorgt.03.11.2022 | 2:26 min
Worum geht es genau?
Anklagepunkt 1: Kurz bestritt im Untersuchungsausschuss, in die Posten-Besetzung von Schmid in der ÖBAG involviert gewesen. Falschaussage, so die WKStA.
Anklagepunkt 2: Kurz bestritt im Untersuchungsausschuss, die Aufsichtsräte der ÖBAG, die den Vorstand (Schmid) bestellen, mit ausgesucht zu haben. Falschaussage, so die WKStA.
Anklagepunkt 3: Eine Chatnachricht vom früheren FPÖ-Chef Strache in der Angelegenheit. Kurz sagte dem Untersuchungsausschuss, er habe "keine Ahnung, was die vereinbart hätten". Falschaussage, so die WKStA.
Warum ist dieses Verfahren wichtig?
Es geht am Ende um demokratische Grundsätze. Das Parlament kontrolliert die Regierung. Wenn ein Bundeskanzler das Parlament belügt, ist das nicht nur ein Vergehen gegen demokratischen Stil und schadet dem Vertrauen in die demokratischen Institutionen. Eine Falschaussage kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.
Wird Kurz verurteilt?
Der Prozess ist auf drei Tage angesetzt: Vom 18.-21. Oktober 2023. Kurz geht von einem Freispruch aus. Die Anklage allerdings scheint sich ihrer Sache sicher. Das Gericht wird entscheiden.
Was bedeutet das politisch?
Kurz war Shooting Star der europäischen Konservativen. Dann der Absturz wegen mehrerer Verfahren im Zuge des Ibiza-Skandals. Im Zentrum der Vorwürfe die Frage, ob das System Kurz mit Steuergeld eigene Interessen bediente und ob Kurz vor dem Parlament log.
Kurz' einstiger Koalitionspartner - die rechtspopulistische FPÖ - erreicht bei der Landtagswahl in Salzburg ihr bestes Ergebnis im Bundesland. Für die Nationalratswahlen im Herbst 2024 wird bereits über einen FPÖ-Kanzler spekuliert. Dies liegt auch an Problemen der anderen Parteien.24.04.2023 | 2:02 min
Gerade noch wollten manche ein politisches Comeback von Kurz vorhersagen. Sollte er verurteilt werden, ist es damit wohl vorbei. Wenn nicht, könnte Kurz auf das Kurzzeitgedächtnis der österreichischen Öffentlichkeit zählen, die längst ermüdet ist von den vielen Verfahren rund um Ibiza.
Der ÖVP haben die Skandale jedenfalls geschadet: Es ist nicht nur die Corona-Politik, die die FPÖ (die ja den Ibiza-Skandal ausgelöst hatte) jetzt an die Spitzen der Umfragen katapultiert, sondern auch die Folgen der Skandale um Kurz. Mit dem kommenden Prozess wird die ÖVP wieder in der Diskussion um Vetternwirtschaft in Österreichs Politik stehen.