Ukraine: Warum Russland jetzt so aufs Tempo drückt
Analyse
Geländegewinne im Süden:Warum Russland jetzt so aufs Tempo drückt
von Christian Mölling und András Rácz
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Trumps Amtsantritt wirft blutige Schatten voraus: Russland drängt massiv nach vorne, um bis zum 20. Januar möglichst viel Land zu erobern. Kiew muss um jeden Preis dagegen halten.
Bis Trump an die Macht komme, setzten die Russen alles daran möglichst viele Gebiete zu erobern, so Oberst Markus Reisner. Er rechnet mit der Einnahme des Kessels von Kurachowe.28.11.2024 | 17:15 min
Russland verzeichnet im südlichen Donbass weitere Erfolge. So bleibt es lediglich eine Frage der Zeit, bis die hart umkämpfte Stadt Kurachowe fallen wird.
Der Ukraine ist es nicht gelungen, ihre Verteidigungsanlagen im südlichen Teil des Donbass zu stabilisieren. Russland gelangen kürzlich mehrere taktische Durchbrüche südlich von Kurachowe. Es ist auch nördlich der Stadt weiter vorgerückt.
In den östlichen Außenbezirken der Stadt wird bereits gekämpft, während russische Verbände versuchen, nach ihrem Durchbruch bei dem Dorf Dalne, die Stadt einzuschließen.
US-Präsident Biden hat der Ukraine erneut Unterstützung zugesichert. Bis zur Amtsübergabe an Trump wolle er die Ukraine in eine bestmögliche Verhandlungsposition bringen.29.11.2024 | 0:21 min
Ukrainischen Streitkräften droht die Einkreisung
Die ukrainischen Einheiten südlich des russischen Keils bei Dalne befinden sich in einer äußerst verwundbaren Lage.
Teile der ukrainischen Stadt Kurachowe liegen nach russischen Bombardement in Trümmern.
Quelle: dpa
Wenn Kiew hier nicht sehr schnell erhebliche Reserven einsetzen kann, müssen sich die Ukrainer praktisch sofort aus einer Reihe von kleinen Dörfern (Ilnivka, Elizavetivka, Romanivka, Gannivka, Uspenivka) zurückziehen, um eine Einkreisung zu vermeiden.
Zusammen mit der ernsten Lage bei Kurachowe bedeutet dies, dass die von Russland angegriffene Ukraine im Begriff ist, alles südlich des Kurachowsker Wasserreservoirs zu verlieren. Die Linie des Flusses Sukhi Yaly konnte nicht als Verteidigungslinie genutzt werden, da die Russen sie aus Richtung Dalne flankiert haben.
Putin sehe, "dass er in der Ukraine nicht wirklich vorankommt" und sogar auf "nordkoreanische Truppen angewiesen ist", so Marcus Faber (FDP), Vorsitzender im Verteidigungsausschuss.29.11.2024 | 5:50 min
Nächste Ziele Russlands noch offen
Sobald diese Gebiete fallen - und selbst im Fall von Kurachowe, der größten Siedlung in der Region, ist dies nur noch eine Frage von Tagen, nicht von Wochen - stellt sich vor allem die Frage, wie die Russen weiter vorrücken werden.
Eine Möglichkeit besteht darin, weiter nach Westen vorzudringen, Welyka Nowosilka einzuschließen und damit die ukrainische Verteidigung nicht nur im verbleibenden südlichen Donbass, sondern möglicherweise auch in der Region Saporischschja zu flankieren und zu destabilisieren.
Eine andere Möglichkeit ist, dass Russland nach der Einnahme von Kurachowe den größten Teil seiner Kräfte nach Norden verlagert und sich auf die Belagerung von Pokrowsk konzentriert.
Quelle: DGAP
... leitet das Programm "Europas Zukunft" für die Bertelsmann Stiftung in Berlin. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Russland will Tempo bis Trumps Amtsantritt halten
Unabhängig davon, für welche Option sie sich entscheiden, ist klar, dass Moskau beabsichtigt, das derzeitige extrem hohe Einsatztempo mindestens bis zum Amtsantritt der neuen US-Administration unter Donald Trump beizubehalten, koste es, was es wolle. Trump zieht am 20. Januar 2025 zum zweiten Mal ins Weiße Haus ein.
Militärisch sind weder die Nato noch die EU auf Augenhöhe mit den USA. Sollte Donald Trump wie angekündigt die US-Hilfen künftig streichen, wäre die Ukraine de facto wehrlos. 12.11.2024 | 8:50 min
Gegenwärtig belaufen sich die durchschnittlichen täglichen Verluste der russischen Streitkräfte auf etwa 1.500 getötete und verwundete Soldaten, was fast zwei ganzen Bataillonen entspricht. Dies ist eine extrem hohe Verlustrate, die auf lange Sicht nicht tragbar ist.
Russland will so viel Raum wie möglich bis zum 20. Januar
Kurzfristig räumt Moskau jedoch territorialen Gewinnen Vorrang vor der Nachhaltigkeit der Kriegsanstrengungen ein, um die Größe des Landes, das es vor dem 20. Januar hält, zu maximieren.
Das russische Kalkül ist wahrscheinlich, dass, sobald Trump versucht, die Verhandlungen zu erleichtern, das Einsatztempo ohnehin für eine Weile abnehmen wird, so dass sich die russischen Streitkräfte dann ausruhen und neu formieren können.
Mit "durchkomponierten Inszenierungen" hätte sich Putin auf seiner Pressekonferenz für die jüngsten Angriffe auf die Ukraine "gebrüstet", so Russland-Korrespondent Armin Coerper.28.11.2024 | 2:38 min
Russischer Vormarsch nicht zu verhindern, nur zu verlangsamen
Das bedeutet aber auch, dass in den kommenden fast zwei Monaten die derzeitige, äußerst intensive, auf Zermürbung ausgerichtete Kriegsführung fortgesetzt wird und die Ukraine weitere Gebiete verlieren wird.
Die Frage ist, ob die ukrainische Armee in der Lage sein wird, einen russischen Durchbruch in operativem Ausmaß zu verhindern, also ihre Taktik beizubehalten, sich nicht auf das Halten von Territorium zu konzentrieren, sondern ihre Kräfte so weit wie möglich zu erhalten und gleichzeitig den Russen maximale Verluste zuzufügen.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.