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Konflikt um Bergkarabach:"Am Rande einer humanitären Katastrophe"
von Nina Niebergall
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Seit Tagen blockiert Aserbaidschan den Zugang zu Bergkarabach. Armenier kommen weder rein noch raus. Lebensmittel und Medikamente werden immer knapper.
Frauen in einem Schutzraum in Berg-Karabach
Quelle: dpa
Tigran Grigorjan wird die Feiertage wohl nicht mit seiner Mutter verbringen können. Denn die lebt in Bergkarabach – er in der armenischen Hauptstadt Jerewan.
Grigorjan ist politischer Analyst und beschäftigt sich beruflich schon lange mit dem Konflikt um Bergkarabach, und den Kriegen zwischen Armenien und Aserbaidschan. Doch immer wieder ist er auch persönlich betroffen.
Tigran Grigorjan ist politischer Analyst aus Armenien.
Quelle: ZDF/Nina Niebergall
Aserbaidschan blockiert Latschin-Korridor
Aserbaidschan blockiert seit dem 12. Dezember den sogenannten Latschin-Korridor. Ein nur wenige Kilometer breiter Streifen - und die einzige Verbindung zwischen Armenien und Bergkarabach. 120.000 Menschen sind seitdem abgeschnitten von Lebensmittellieferungen, von Krankenhäusern, Benzin ist knapp.
Auf seine einstige Schutzmacht Russland kann sich Armenien nicht mehr verlassen. Immer wieder wird das Land von Aserbaidschan angegriffen. Viele Menschen haben nun Angst vor einer Invasion. 29.11.2022 | 12:57 min
Am Donnerstag forderte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Aserbaidschan auf, den Korridor für kranke und notleidende Armenier*innen freizugeben.
Um Bergkarabach, eine selbsterklärte, aber nicht anerkannte Republik, liefern sich Armenien und Aserbaidschan immer wieder blutige Kämpfe. Die Region gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, ist aber fast ausschließlich von Armenier*innen bewohnt.
Quelle: ZDF
Der Konflikt um Bergkarabach ist Jahrzehnte alt. Das weitgehend von Armeniern besiedelte Gebiet unterstand einst armenischen Fürsten, ehe es Anfang des 19. Jahrhunderts an das russische Zarenreich fiel. Mit Gründung der Sowjetunion wurde das Gebiet aufgeteilt. 1923 fiel ein Teil an die aserbaidschanische Sowjetrepublik, das Kernland wurde ein autonomer Bezirk.
1988 stellte das Gebiet den Antrag, von der Unionsrepublik Aserbaidschan zur Unionsrepublik Armenien zu wechseln. Nach Zerfall der Sowjetunion wurde 1992 die Republik Bergkarabach ausgerufen. Sie ist allerdings diplomatisch von keinem Staat anerkannt - auch nicht von Armenien.
Seitdem gibt es immer wieder blutige Kämpfe mit inzwischen mehreren Zehntausend Toten. Beide Seiten werfen sich Völkermord vor. 2020 kam es erneut zu einem Krieg um die Region, in dessen Folge Aserbaidschan die Kontrolle über weitere Teile gewann. Und im September 2022 hat Aserbaidschan armenisches Kernland angegriffen - mit mehr als 200 Toten auf armenischer Seite und dokumentierten Kriegsverbrechen.
1988 stellte das Gebiet den Antrag, von der Unionsrepublik Aserbaidschan zur Unionsrepublik Armenien zu wechseln. Nach Zerfall der Sowjetunion wurde 1992 die Republik Bergkarabach ausgerufen. Sie ist allerdings diplomatisch von keinem Staat anerkannt - auch nicht von Armenien.
Seitdem gibt es immer wieder blutige Kämpfe mit inzwischen mehreren Zehntausend Toten. Beide Seiten werfen sich Völkermord vor. 2020 kam es erneut zu einem Krieg um die Region, in dessen Folge Aserbaidschan die Kontrolle über weitere Teile gewann. Und im September 2022 hat Aserbaidschan armenisches Kernland angegriffen - mit mehr als 200 Toten auf armenischer Seite und dokumentierten Kriegsverbrechen.
Zugang zu Bergkarabach besetzt von Umweltaktivisten?
Die jüngste Eskalation nun die Blockade des Latschin-Korridors. Nach aserbaidschanischer Darstellung besetzten Umweltaktivisten die Straße nach Bergkarabach, um gegen vermeintliche Verstöße im Bergbau zu protestierten.
Der nicht anerkannte Staatsminister von Bergkarabach, Ruben Vardanyan, kommentierte daraufhin auf Twitter:
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Aserbaidschan ist ein autokratisches Land. Die Darstellung, es handele sich um Umweltaktivisten, finden die meisten Beobachter*innen absurd. Der armenische Politikanalyst Tigran Grigorjan nennt mehrere Motive Aserbaidschans.
Unter anderem gehe es Aserbaidschan um einen eigenen Korridor zu seiner Exklave Nachitschewan, die wiederum an den mächtigen Verbündeten grenzt – die Türkei. Ein solcher Korridor aber würde mitten durch armenisches Staatsgebiet führen, und das kleine Armenien außerdem vom Iran abschneiden.
In Bergkarabach geht es auch um Öl und Gas
Eine komplizierte, aber brisante Gemengelage: Denn bei dieser Verbindung geht es auch um Öl und Gas, das auf direktem Wege Richtung Türkei transportiert werden könnte – und weiter nach Europa. Die EU hat erst im Sommer einen Energie-Deal mit Aserbaidschan geschlossen, um unabhängiger von Russland zu werden.
Während der jüngsten Eskalationen in Armenien und Bergkarabach waren Brüssel und auch Berlin auffällig ruhig.
Zusammenfassend sagt Grigorjan, Aserbaidschan nutze die Blockade "als eine Art Druckmittel gegenüber Armenien, um Zugeständnisse in seiner Agenda zu bekommen."
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Russische Friedenstruppen in Bergkarabach
Eigentlich sollen russische Friedenstruppen darüber wachen, dass alle Vereinbarungen in Bergkarabach eingehalten werden. Aber seit Russland die Ukraine angegriffen hat, hält sich Moskau mit Einmischung in den Kaukasus-Konflikt zurück – obwohl es eigentlich als Schutzmacht Armeniens gilt.
Friedensverhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan stocken
Die Friedensverhandlungen zwischen beiden Ländern stocken. Und Tigran Grigorjan kann sich auch nur schwer eine friedliche Lösung für Bergkarabach vorstellen.
Die internationale Gemeinschaft sollte alles tun, um das zu verhindern, so Grigorjan. Die Menschen hätten das Recht "in ihrer Heimat zu leben". Ohne dort verhungern zu müssen.
Nina Niebergall berichtet als ZDF-Korrespondentin über Russland, die Kaukasus-Region und Zentralasien.
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