Forderung nach Strafe für Freier:Was bringt ein Sexkaufverbot?
von Tonja Pölitz
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Deutschland ist ein Paradies für Freier und Zuhälter, für Zwangsprostitution und Menschenhandel, sagt CSU-Politikerin Bär. Sie fordert ein Sexkaufverbot. Was würde es bringen?
Die Union möchte das "Nordische Modell“ in Deutschland einführen, um Zwangsprostitution zu bekämpfen. Doch was genau bedeutet das?22.10.2024 | 11:30 min
Täglich bis zu 30 Freier habe sie bedienen müssen: Das berichtet Nadine Jüngling aus der Nähe von Stuttgart im Gespräch mit ZDF frontal. Über 20 Jahre lang sei sie zur Prostitution gezwungen worden. Mitten in Deutschland, erzählt die heute 34-Jährige. Es ging los, da wäre sie gerade mal 12 Jahre alt gewesen.
Selbst wenn sie völlig erschöpft im Krankenhaus lag, hätte sie auf dem Parkplatz davor Freier im Auto bedienen müssen.
Wieder und wieder schwanger - Babys wohl verkauft
Männer zahlten besonders viel für junge Mädchen. Für Sex ohne Kondom. Und wenn sie schwanger war: "Da zahlen die richtig viel! Du hast ja einen Bauch. Und wenn der groß ist, da stehen die total drauf. Richtig übel!"
Sex sells - aber wer verdient? Die Spur durchleuchtet Marketplaces für OnlyFans-Models, auf denen Models wie Ware angeboten werden. Wer profitiert bei diesem Business?23.10.2024 | 14:41 min
Wieder und wieder wurde sie schwanger, hat offiziell drei Kinder, könne sich aber an acht weitere Geburten erinnern. Die Babys seien über einen österreichischen Arzt an kinderlose Familien in Osteuropa verkauft worden, erzählt die junge Frau: "Ich würde so gern wissen, ob es ihnen gutgeht."
Bär: Deutschland ist Europas Bordell Nummer 1
Zwangsprostitution und Sex mit Minderjährigen sind schwere Straftaten in Deutschland. Wer aber seinen Körper verkaufen oder für Sex bezahlen will, der darf das. Es genügt eine Anmeldung. Circa 30.000 haben so eine Anmeldebescheinigung für Prostituierte (umgangssprachlich "Hurenpass").
Man kann sich sogar sozialversichern. Wegen seiner Freizügigkeit sei Deutschland zum Bordell Nummer 1 in Europa verkommen, so die stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Dorothee Bär. Allein 250.000 Frauen würden hier zur Prostitution gezwungen.
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Einen Beleg für diese Zahl hat Dorothee Bär auf Nachfrage von ZDF frontal nicht. Die Fraktion will, dass Sexkunden bestraft werden: ein Sexkaufverbot. Steht sogar im Grundsatzprogramm der CDU.
Sexkunden gibt es auch bei der CDU
Einer, der sich politisch bei der CDU engagiert und (trotzdem) regelmäßig Kunde bei Sexarbeiterinnen ist, sagt, er kenne genügend Frauen, die es freiwillig machten. Auch wenn er sich in Deutschland derzeit nicht strafbar macht, will er unerkannt bleiben: "Eine Frau riechen und spüren. Auch wenn ich dafür bezahle, fühlt es sich gut an."
Dass seine eigene Partei ein Sexkaufverbot im Grundsatzprogramm fordert, regt ihn auf: "Ich schäme mich für diese Forderung. In der CDU, wie überall, gibt es viele Männer, die zu einer Prostituierten gehen."
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Regeln wie beim Glücksspiel
Freier unter Druck zu setzen, würde kaum dazu führen, dass man Zwangsprostitution in den Griff bekommt. Im Gegenteil. Sie würde eher weiter zunehmen, weil sich dann alle nur verstecken, meint Andi Scholz.
Er betreibt in Hamburg zwei Bordelle. Unter strengen Auflagen und Kontrollen der Behörden, wie er sagt. Er habe keinen Einfluss auf die Frauen, weder auf ihre Arbeitszeiten, die Anzahl der Freier oder die Höhe des Honorars. Er sei nur noch für Miete und die Getränke zuständig.
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Das Wort "Zuhälter" träfe es schon lange nicht mehr: "Ich bin eine gewerbliche Zimmervermietung!", sagt Scholz. Käme das Sexkaufverbot, würde er die Bordelle wohl schließen: "Ich würde umbauen, zu Airbnb."
Was hilft gegen Zwangsprostitution?
Kunden könne man in die Pflicht nehmen, zu welcher Prostituierten sie gehen, so Scholz: "Mache ich illegales Glücksspiel in irgendeiner Spelunke, dann werde ich bestraft, im Casino nicht."
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Das sehen sie auch bei der Polizei in Osnabrück so. Zwangsprostituierte in Wohnungsbordellen gibt es hier immer mehr. Wäre der Besuch illegaler Prostitutionsstätten strafbar wie beim Glücksspiel, wäre für die Polizei auch die Strafverfolgung viel leichter, meint Kriminalkommissar Wolfgang Cordes:
In Deutschland wird die Lage gerade evaluiert. Valide Zahlen gibt es wenige, auch nicht aus Schweden, das als erstes Land ein Sexkaufverbot einführte, das sogenannte Nordische Modell.
Das Nordische Modell sieht ein generelles "Sexkaufverbot" vor und bestraft Freier, während Prostituierte entkriminalisiert werden. Es wurde 1999 in Schweden eingeführt und gilt inzwischen in mehreren EU-Ländern wie etwa in Frankreich.
Quelle: KNA
Quelle: KNA
Dort sei laut einer Studie von 2004 die Prostitution zwar von der Straße verschwunden, gleichzeitig vermutet die schwedische Regierung, dass der Menschenhandel stark zugenommen habe.
Polizei hilft Nadine Jüngling nach Flucht nicht
Nadine Jüngling erzählt, wie sie damals mit der Lover-Boy-Methode geködert wurde. Wie ein Freund ihr ein gemeinsames Leben weit weg von ihrer Pflegefamilie versprochen und sie dann Bordellbesitzern in die Hände getrieben habe.
Quelle: ZDF
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Mehrmals habe sie zu fliehen versucht, ohne Handy, ohne Geld, oft vollgepumpt mit Drogen. Als sie sich einmal halbnackt zu einer Polizeidienststelle geschleppt und um Hilfe gebeten habe, habe man lediglich eine Ausnüchterungszelle angeboten: "Sie haben mich behandelt, als müsse ich mich nicht wundern, wenn ich so rumlaufe. Aber kein Polizist hat gefragt, warum ich so rumlaufe."
Bei der Flucht habe ihr auch das deutsche Strafrecht nicht geholfen.
Tonja Pölitz ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion frontal.
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