Pro & Contra zu Sexarbeit: Schluss mit Sex gegen Geld?

    moma-Duell mit Sexarbeiterin:Pro & Contra: Schluss mit Sex gegen Geld?

    von Dimitrios Georgoulis
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    Sexarbeit verbieten? Die Prostituierten würden ausgebeutet, argumentiert CSU-Politikerin Bär. Eine Sexarbeiterin verteidigt ihren Beruf und fordert mehr Schutz. Das moma-Duell.

    moma duell: Ist ein Sexkauf-Verbot richtig?
    Das Europa-Parlament hat sich für ein Sexkauf-Verbot ausgesprochen: Im moma duell diskutieren wir mit Stephanie Klee vom Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen und der stellv. CSU-Vorsitzenden Dorothee Bär über das Für und Wider und die Folgen.21.09.2023 | 11:21 min
    Es ist ein hochumstrittener Entschluss: Das Europa-Parlament hat sich für ein Sexkauf-Verbot ausgesprochen. Damit werden die EU-Staaten aufgefordert, einheitliche Regeln für Prostitution zu schaffen und insbesondere die Freier zu bestrafen.
    Befürworter sehen in dem Verbot das Ende von Deutschland als "Bordell Europas". Liberale, Grüne, aber auch Menschenrechtsverbände hingegen warnen vor einer Verlagerung der Sexarbeit in die Illegalität. Die Sexarbeiterin Stephanie Klee vom Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen und Dorothee Bär von der CSU stritten darüber im "moma duell" im ZDF-Morgenmagazin.

    Bär: Sexkauf-Verbot reduziert Prostitution massiv

    Die CSU-Politikerin ist sich sicher: "Wenn wir die Freier bestrafen, wird die Prostitution massiv zurückgehen." Sie macht sich für das schwedische Modell stark. Dort machen sich Freier strafbar, wenn sie für Sex bezahlen. In den nordischen Ländern oder auch in Frankreich habe sich gezeigt, dass Prostitution nach einem Verbot "signifikant zurückgeht".
    Experten aus Polizei und Justiz hätten bestätigt, dass die Sexarbeit nicht in den Untergrund abgedrängt werde. Zudem bewege man sich hier bereits in einem Dunkelfeld: "Über 90 Prozent der Prostituierten kennen wir gar nicht, da sie nicht offiziell angemeldet sind."
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    Bär: Es herrscht Gewalt in der Prostitution

    Seit 2002 ist Prostitution in Deutschland vollständig legal. Die gesetzliche Legalisierung sollte Sexarbeiterinnen besser schützen und organisierte Kriminalität bekämpfen. Doch nach Ansicht vieler Experten hat sich dies nicht erfüllt. Dorothee Bär sagt, die Lage habe sich sogar verschlimmert. Zwangsprostitution und Ausbeutung seien verbreitet. "Prostituierte werden zusammengeschlagen. Es herrscht Gewalt."
    Dorothee Bär fragt Stephanie Klee deshalb ganz direkt: "Wie können sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren, wenn sich 90 Prozent der Prostituierten, die vor allem aus Osteuropa kommen, in einer Zwangs- und Elendsprostitution befinden?" Da gehe es nicht um Sex, da gehe es rein um Macht.
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    Klee: Position der Sexarbeiterinnen wird geschwächt

    Stephanie Klee, seit über 40 Jahren in der Sexarbeit tätig, erwidert: Durch ein Sexkauf-Verbot würden Prostituierte an den Rand gedrängt. Schweden und andere Länder haben zudem ihrer Meinung nach deutlich gezeigt, dass die Prostitution nicht weniger geworden sei, es gebe insgesamt keine belastbaren Zahlen. Dabei sei doch "Sexualität ein Grundbedürfnis".

    Sexualität findet nicht ausschließlich in der Ehe statt, sondern auch in der Sexarbeit. Sexkauf zu verbieten, hieße, sie machen einen Teil der Gesellschaft kaputt.

    Stephanie Klee, Sexarbeiterin

    Klee macht deshalb deutlich: "Als Sexarbeiterin muss ich sagen: Ich habe die gleichen Rechte wie alle anderen auch."
    Gäste: Mona, ehemalige Prostituierte; Aurel Johannes Marx, Bordellbetreiber. Close/Halbtotal. 
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    Klee: Sexarbeiterinnen vor Gewalt schützen

    Erfahrungen aus der Corona-Zeit hätten zudem gezeigt, wie fragil die Lage sei:

    Wir Sexarbeiterinnen wurden ins Dunkelfeld gedrängt, in gefährliche Ecken, in Apartments, und sind viel mehr Gefahren durch Kunden ausgesetzt, die nicht ganz korrekt sind.

    Stephanie Klee, Sexarbeiterin

    Die Situation kann dramatisch werden, weil sie nicht im geschützten Umfeld eines Bordells sind. "Diese Kunden wissen, dass sie uns ausbeuten und Gewalt antun können." Die Argumentation Bärs, dass alle "migrantischen Kolleginnen" in diesem Gewerbe Opfer wären und nicht freiwillig den Beruf ausüben könnten, stimme nicht, sagt Stephanie Klee.

    "Menschenunwürdige Zustände" in der Prostitution

    Dorothee Bär widerspricht deutlich: Die Zustände in der Prostitution seien "menschenunwürdig". "Während wir hier sprechen, findet Gewalt an Frauen statt, die das nicht möchten", stellt die CSU-Politikerin klar. "Da werden Verrichtungsboxen aufgestellt, die stinken nach Blut, Kot und Urin. Es werden Frauen da reingezerrt."
    Leider sei die Toleranz in der Gesellschaft sehr groß, es werde weggeschaut, und es beschäftige sich kaum einer mit dieser Thematik.

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