Neue Daten: Die Probleme der Geflüchteten bei der Jobsuche
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Zahlen zu Flucht von 2015/16:Wie viele der Geflüchteten haben einen Job?
von Alina Reissenberger
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Die Zahl der Geflüchteten mit Job steigt. Aber erst sieben Jahre nach der Flucht arbeiten beinahe so viele wie davor. Warum die Integration auf dem Arbeitsmarkt so lange braucht.
18.04.2024 | 2:31 min
Eigentlich wollte Naqib Muradi Afghanistans nächster Superstar werden. Runde um Runde sang er sich in einer Castingshow in die Herzen der Zuschauer. Bis die Taliban ihn mit dem Tod bedrohten. Von einem Tag auf den anderen verließ Naqib Muradi im Jahr 2015 sein Heimatland.
Und landete auf Sylt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Naqib Muradi noch nie etwas von der Insel gehört. Nun musste er sich hier ein neues Leben aufbauen. Er wollte so schnell wie möglich arbeiten, sagt Muradi. Aber bis er hier eine Ausbildung anfangen konnte, vergingen eineinhalb Jahre.
Nach sieben Jahren arbeiten so viele Geflüchtete wie vor Flucht
Viele Flüchtlinge wie Naqib Muradi aus der "Flüchtlingskrise" von 2015/16 hatten anfangs Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Nur wenige haben im ersten Jahr nach ihrer Flucht direkt einen Job gefunden. Das geht aus neuen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, die ZDFheute vorliegen.
[SPERRFRIST 18.04.24, 6:30 Uhr] Anfangs haben viele Geflüchtete keinen Job
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Demnach arbeiten erst sieben Jahre nach der Ankunft in Deutschland nun wieder beinahe so viele Geflüchtete wie durchschnittlich im Herkunftsland. Knapp zwei Drittel der Geflüchteten, die während der "Flüchtlingskrise" in Deutschland Schutz suchten, haben heute einen bezahlten Job oder arbeiten selbstständig.
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Vor allem geflüchtete Frauen ohne Job
Auf der anderen Seite heißt das: 36 Prozent der Geflüchteten sind auch nach sieben Jahren ohne Arbeit. Darunter sind vor allem geflüchtete Frauen, sagt die Leiterin des Forschungsbereichs Migration beim IAB, Yuliya Kosyakova. Unter den geflüchteten Frauen haben nach sieben Jahren nur 31 Prozent einen bezahlten Job. Zum Vergleich: unter Männern sind es 75 Prozent.
Als Hasina Mohammed 2015 nach Deutschland floh, standen ihre Chancen nicht gut – wie bei vielen geflüchteten Frauen. Wie sie es trotzdem schaffte, hier ein Zuhause zu finden.18.04.2024 | 3:29 min
Laut der Expertin hängt die niedrige Erwerbstätigkeit damit zusammen, dass geflüchtete Frauen meist mit ihren Kindern nach Deutschland kommen. Hierzulande treffen sie dann auf ein Problem, dass auch viele deutsche Frauen vom Arbeitsmarkt fernhält: mangelnde Kinderbetreuung. Dadurch lernen geflüchtete Frauen langsamer die deutsche Sprache als Männer, die meist ohne Partnerin und Kinder nach Deutschland kommen. Und finden in der Folge auch langsamer einen Job.
Vor allem am Anfang haben viele Probleme bei der Jobsuche. Dafür sieht die Expertin vor allem zwei Gründe.
Zum einen seien die meisten Geflüchteten bei Ankunft nicht auf den deutschen Arbeitsmarkt vorbereitet. Wer aus Bürgerkriegsgebieten flieht, suche vor allem Sicherheit. "Die Personen kommen nicht primär zum Arbeiten", sagt Yuliya Kosyakova. "Daher fehlen schlichtweg Ressourcen am Anfang, also sowas wie Sprachkenntnisse, soziale Netzwerke oder Informationen."
Gleichzeitig gebe es institutionelle Hürden. Etwa unterliegen Asylbewerber in den ersten Monaten Beschäftigungsverboten. Außerdem zögen sich Asylverfahren oft über einen langen Zeitraum.
Das erschwere die Planungssicherheit von Arbeitgebern. Einen Geflüchteten einzuarbeiten, ohne zu wissen, ob und wie lange die Person in Deutschland bleibt, sei für viele Arbeitgeber ein Hemmnis.
Für alle Asylbewerber gilt in den ersten drei Monaten nach Ankunft ein allgemeines Arbeitsverbot. Für Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen gilt das Beschäftigungsverbot neun Monate, für Asylbewerber aus als sicher eingestuften Herkunftsländern gegebenenfalls länger, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales begründet auf Anfrage von ZDFheute die Beschäftigungsverbote für Asylbewerber: "Dieser - zeitlich eng begrenzte - Zeitraum soll den Fokus auf den zügigen und fokussierten Durchlauf des Asylverfahrens legen."
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Oft Jobs mit niedrigem Stundenlohn
Bessere Deutschkenntnisse, ein geregelter Aufenthaltsstatus, möglicherweise anerkannte Ausbildungen: Mit einem längeren Aufenthalt in Deutschland verbessern sich die Chancen der Geflüchteten auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Immer mehr Geflüchtete arbeiten - und auch ihre Löhne steigen.
Dennoch liegt der durchschnittliche Stundenlohn von Geflüchteten mit 13,70 Euro auch nach sieben Jahren nur knapp über der Niedriglohnschwelle von 12,50 Euro, unter der man in Deutschland als Geringverdiener zählt. Das liegt auch darin begründet, dass Geflüchtete im Durchschnitt jünger sind als die deutsche Bevölkerung und damit am Anfang ihrer Karriere stehen.
[SPERRFRIST 18.04.24, 6:30 Uhr] Löhne erstmals über Niedriglohn
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Für Migrationsforscherin Kosyakova ist die steigende Beschäftigungsquote und der steigende Lohn ein Erfolg. Dennoch wünscht sie sich von der Politik, dass geflüchtete Menschen künftig schneller auf dem deutschen Arbeitsmarkt ankommen - etwa durch schnellere Asylverfahren und den Abbau von Beschäftigungsverboten.
Für die kommenden Jahre erwartet Kosyakova, dass weitere Geflüchtete aus der sogenannten "Flüchtlingskrise" Arbeit finden werden. Dafür müssten vor allem geflüchtete Frauen gezielt gefördert werden.
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Geflüchteter lebt noch immer auf Sylt
Naqib Muradi auf Sylt hat auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß gefasst. Er absolvierte seine Ausbildung in einem Hotel mit Restaurant und kellnert heute in einem Strandrestaurant. Ein sicherer Job auf der Ferieninsel. Mit seinem Lohn und Trinkgeldern komme er auch auf der Luxus-Insel finanziell klar, sagt Naqib Muradi.
Der Traum vom Superstar ist nicht wahr geworden. Aber Naqib Muradi wirkt zufrieden mit seiner Arbeit. Manchmal steht er noch auf Sylter Bühnen und singt. Von Afghanistan, seiner Flucht und seiner neuen Heimat.
Das Nürnberger Institut untersucht in der IAB-BAMF-SOEP-Studie seit 2013 die Integration von Geflüchteten in Deutschland. Dazu befragen Forscher jedes Jahr Schutzsuchende in Deutschland unter anderem zum Spracherwerb, der Jobsuche und sozialen Integration. Die Befragten werden per Zufallsstichprobe aus dem Ausländerzentralregister gezogen. Seit 2013 nahmen 9.339 Geflüchtete im erwerbsfähigen Alter (18 bis 64 Jahre) an der Befragung teil. Als Teil der Bundesagentur für Arbeit berät das IAB auf Grundlage der Forschungsergebnisse das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Yuliya Kosyakova leitet den Forschungsbereich Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Zudem forscht und lehrt sie als Professorin für Migrationsforschung an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
Wie gut hat die Integration der Geflüchteten von 2015/16 auf dem Arbeitsmarkt geklappt? Weitere Geschichten von Geflüchteten, Helfern und Kritikern aus allen Bundesländern:
"Wir schaffen das", sagte Angela Merkel einst. Haben sie es geschafft? Hat Deutschland es geschafft? Was ist aus den Geflüchtete geworden, die nach Deutschland gekommen sind?
Autorin: Alina Reissenberger Redaktion: Johannes Lieber, Robert Meyer, Moritz Zajonz Mitarbeit: Valerie Albert, Sarah Touihrat