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Minister Limbach unter Druck:Vetternwirtschaft in NRW?
von Ralph Goldmann
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Seit drei Jahren ist der Chefposten des Oberverwaltungsgerichts in Münster unbesetzt. Die Opposition wirft der Landesregierung "Mauscheleien" vor und fordert Aufklärung.
Der Chefposten beim Oberverwaltungsgericht in Münster ist seit Jahren unbesetzt.
Quelle: Imago
Es ist die letzte Instanz in Verwaltungssachen in Nordrhein-Westfalen und sie ist seit drei Jahren führungslos: das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster, das sich derzeit mit einem Verfahren rund um die AfD und den Verfassungsschutz beschäftigen muss. Die Partei wehrt sich vor dem OVG juristisch gegen ihre Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall im Jahr 2021.
Das Besetzungsverfahren an der Spitze der Behörde ist dagegen schon viel länger ein zähes Politikum. Es beginnt im Mai 2021, als die frühere OVG-Präsidentin in Ruhestand geht. Damals regiert an Rhein und Ruhr noch schwarz-gelb. Justizminister ist Peter Biesenbach von der CDU. Er schreibt die Stelle aus und es bewerben sich drei Kandidaten - darunter auch ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts. Biesenbach aber spricht sich für einen der anderen Kandidaten aus.
Vor dem OVG Münster wird verhandelt, ob die AfD und ihre Jugendorganisation als Verdachtsfälle geführt werden dürfen. Zuvor hatte die Partei gegen ein Urteil Berufung eingelegt.12.03.2024 | 1:40 min
Neuer Justizminister setzt sich für andere Bewerberin ein
Ein Jahr später ist Wahltag in NRW und die Grünen lösen die FDP als kleinen Koalitionspartner ab. Der neue Justizminister ist jetzt ein Grüner und heißt Benjamin Limbach. Der hat offenbar einen anderen Favoriten für die Stelle und stoppt schon im Mai 2022 die Verfügung seines Vorgängers. Zweieinhalb Monate später hat er dann eine vierte Bewerbung auf dem Tisch - von einer Beamtin aus dem NRW-Innenministerium. Limbach nennt die neue Bewerberin "hervorragend geeignet", schreibt sogenannte "Überbeurteilungen" über sie und schlägt vor, die Stelle mit ihr zu besetzen.
Die Opposition wittert Mauschelei: Die ausgewählte Kandidatin sei nicht nur eine ehemalige Richterkollegin des Ministers, sondern auch noch Duz-Freundin. Limbach aber hatte mehrfach betont, es gebe "kein Näheverhältnis". Er sei in zehn Jahren vielleicht dreimal mit ihr essen gewesen und er duze auch einen anderen Bewerber: "Es gab keine politische Einflussnahme auf das Besetzungsverfahren." Das Verfahren sei "fair, transparent und offen" geführt worden, so Limbach.
Weil der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall überwachen darf, hat die AfD gegen das Urteil Berufung eingelegt. Jetzt prüft das Oberverwaltungsgericht Münster, ob das rechtens ist.12.03.2024 | 2:10 min
Eilanträge von unterlegenen Bewerbern
Zwei unterlegene Bewerber sehen das offenbar anders und versuchten, mit Eilanträgen vor den Verwaltungsgerichten Münster und Düsseldorf, das Verfahren zu stoppen. Zunächst mit Erfolg. Das VG Münster sprach sogar von einem "manipulativen Vorgehen" des Ministers. Die nächste Instanz aber, ausgerechnet das OVG in Münster, sah kein Problem und entschied Anfang 2024 ganz anders: Die eigene Präsidentenstelle dürfe sehr wohl mit der Wunschkandidatin des Justizministers besetzt werden.
Die Opposition will jetzt Licht ins Dunkel bringen und im Landtag einen Untersuchungsausschuss einsetzen, wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Jochen Ott heute ankündigte: "Wir nutzen das als pure Notwehr, denn wir haben seit Monaten auf viele Fragen keine Antworten bekommen. Mit dieser Salamitaktik ist ab sofort Schluss. Wir wollen, dass alles rund um die Besetzung ans Licht kommt." Sein Amtskollege Henning Höne (FDP) sagt:
Beim AfD-Prozess gegen den Verfassungsschutz nutze die Partei neue Taktiken. Der Verfassungsschutz solle als "politisch missbraucht" dargestellt werden, so Nicole Diekmann.13.03.2024 | 2:57 min
Chefposten könnte noch lange unbesetzt bleiben
Nicht nur der grüne Justizminister steht jetzt unter Druck, auch die Staatskanzlei von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Denn der unterlegene Bundesrichter versicherte eidesstattlich, der Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsgruppe, Ansgar Heveling, habe ihn darüber unterrichtet, dass man sich in Düsseldorf eine Frau als OVG-Präsidentin wünsche. Dies sei vor allen Dingen ein Wunsch der Grünen. Heveling bestätigte das Gespräch. Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU) habe davon gewusst.
Der unterlegene Bundesrichter zog deshalb vor das Bundesverfassungsgericht, das nun in der Sache entscheiden muss. Der Chefposten beim OVG Münster könnte also noch Jahre unbesetzt bleiben.
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