Sachsens Innenminister: Schuster will Gefahrenabwehr mit KI

    Interview

    Sachsens Innenminister :Schuster will Terrorbekämpfung mit KI

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    Sachsens Innenminister Armin Schuster will bei Terror- und Kriminalitätsbekämpfung neue Wege gehen. Im Interview mit ZDF frontal erklärt er, wie und welche Widerstände es gibt.

    Armin Schuster steht während der CDU-Grundsatzprogrammkonferenz in Chemnitz am 29.02.2024 auf der Bühne.
    Armin Schuster will im Kampf gegen Terror und Kriminalität neue Wege gehen.
    Quelle: dpa

    Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) wünscht sich mehr Befugnisse bei der Gefahrenabwehr. In der aktuellen Ausgabe von ZDF frontal "Terrorgefahr zur Fußball-EM" beklagt er einen Dissens mit den Regierungsparteien.
    ZDFheute: Herr Schuster, Deutschland greift bei seinem Sicherheitskonzept auf die Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste zurück. Machen wir uns da nicht abhängig?
    Armin Schuster: Zuerst muss man mal die internationale Kooperation loben, das Netzwerk funktioniert. Ich mache mir aber Sorgen, dass wir uns zu sehr auf diese Infos aus dem Ausland verlassen. Und es ist auch etwas doppelbödig, mit Erkenntnissen aus dem Ausland zu arbeiten, die mit Methoden gewonnen wurden, von denen wir glauben, dass wir diese Befugnisse nicht flächendeckend haben.
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    ZDFheute: Konkret es geht es um die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, die auch Polizeikreise fordern.
    Schuster: Wir bräuchten die Speicherung der Verkehrsdaten durch die Netzbetreiber, kurz gesagt die Vorratsdatenspeicherung. Wir bräuchten die Onlinedurchsuchung, vor allem gefahrenabwehrend und wir bräuchten die Quellen-TKÜ (Überwachung des Datenverkehrs, bevor er verschlüsselt oder nachdem er entschlüsselt wurde, Anm. d. Red.), auch gefahrenabwehrend. Das sind die Methoden, mit denen ausländische Behörden Terrorgefährdern auf die Spur kommen. Wir verlassen uns hier ausschließlich auf die Zulieferungen aus dem Ausland, das ist mir ein zu hohes Sicherheitsrisiko.
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    ZDFheute: Und ihre politischen Wettbewerber sehen das nicht so?
    Schuster: Es ist vor allem eine Debatte unter Parteien. Wir haben einen gravierenden Dissens mit B90/den Grünen, der FDP und der SPD in der Frage, wie stark darf man in Bürgerrechte eingreifen, wie hoch der Datenschutz gilt, wenn es um Terrorgefahren geht. Also um Anschläge, um konkrete Szenarien. Da habe ich kein Einsehen, dass in diesem Fall der Datenschutz und die Bürgerrechte der Verdächtigen vor dem allgemeinen Sicherheitsinteresse unserer Bevölkerung steht.
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    ZDFheute: Mehr Polizisten lösen das Problem nicht?
    Schuster: Die Frage ist doch, ob mehr Polizisten auf analogem Weg dieselben Daten erheben zu können. Also den Postboten abzufangen, um zu wissen, was sich ein Terrorgefährder für den Bau einer Bombe liefern lässt, ist ziemlich naiv und gefährlich. Vor allem, wenn ich im Gegensatz dazu bei einer Onlinedurchsuchung auf seinem Rechner die Bauanleitung für die Bombe finden könnte.
    ZDFheute: Frankreich plant im Sicherheitskonzept der Olympischen Spiele den Einsatz von KI.
    Schuster: Ich bin schon länger der festen Überzeugung, dass wir in der Gefahrenabwehr ohne das Element KI nicht auskommen werden. Natürlich nur bei schwersten Straftaten oder nur bei Menschen, die unter Kapitalverbrechen – oder Terrorverdacht stehen – ab da brauchen wir es sicher.
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    ZDFheute: Wofür denn zum Beispiel genau?
    Schuster: Mir wäre es schon wichtig zu wissen, ob wir mit KI-Technik und Video identifizieren können, ob bekannte Terrorgefährder sich verdächtig im Umfeld von EM-Spielen oder im Umfeld von Teamunterkünften oder bei großen Menschenmengen wie Public Viewings bewegen. Da wäre ich dankbar, wenn wir das einsetzen könnten, das ist aber rechtlich und parteipolitisch hochumstritten.
    ZDFheute: Technische Überwachung, Vorratsdatenspeicherung, KI-Einsatz. Sie wünschen sich ein grundlegend geändertes Sicherheitskonzept?
    Schuster: Nein. Ich glaube, dass die Menschen erstens eine Polizei zum Anfassen möchten, also das ganz alte Schutzmannsprinzip: Ich möchte auf meinem Dorf oder meiner Kleinstadt noch die Polizei erleben. Da geben wir uns viel Mühe, die Präsenz zu erhöhen. Und auf der anderen Seite dürfen wir uns nicht technisch von Straftätern abhängen lassen. Die Frage ist ja nicht: Hat der Innenminister von Sachsen eine Vorliebe in bestimmte Methoden. Die Frage ist: Schaffen wir es, den Straftätern einen Schritt voraus zu sein. Denn die haben keine Hemmungen, jede Technik einzusetzen.
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    Und darf ich das auch noch sagen? Es befriedigt mich auch nicht, wenn Journalisten durch den Einsatz von Technik größere Chancen haben, RAF-Straftäter festzustellen, als wir.
    ZDFheute: Wenn man aber diese Büchse der Pandora einmal öffnet: Wer garantiert denn, dass nicht unschuldige Bürger dann doch zu Unrecht durchleuchtet werden?
    Schuster: Da hat das deutsche Recht ein wunderbares Prinzip. Derart schwerwiegende Methoden dürfte ein Polizist nur anwenden, wenn ein Staatsanwalt bei einem Richter einen Antrag gestellt hat und der Richter es bestätigt. Wer dem also misstraut, der würde deutschen Richtern misstrauen. Und dafür gibt es keinen, aber auch gar keinen Anlass.
    Das Interview führte Thomas Bärsch aus dem ZDF-Landesstudio Sachsen für ZDF frontal.

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