Gegen Polizeigewalt: Krawalle in Frankreich nehmen kein Ende

    Randale gegen Polizeigewalt:Krawalle in Frankreich nehmen kein Ende

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    Es ist die dritte Krawallnacht in Folge: Wieder gehen in Frankreich Scheiben zu Bruch, Autos brennen, es wird geplündert. Zehntausende Polizisten sind im Einsatz.

    Unruhen in Frankreich - Präsident Macron
    Nach dem tödlichen Polizei-Schuss auf einen 17-Jährigen bei Paris kam es zu heftigen Ausschreitungen. Rund 40.000 Polizisten waren im Einsatz. Es kam zu hunderten Festnahmen.30.06.2023 | 1:51 min
    In mehreren französischen Städten ist es in der Nacht wieder zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Beamte seien mit neuen Vorfällen in Marseille, Lyon, Pau, Toulouse und Lille konfrontiert worden, teilte die nationale Polizei mit.
    "Die Antwort des Staates muss äußerst entschlossen sein", sagte Innenminister Gerald Darmanin in der nördlichen Stadt Mons-en-Baroeul, wo mehrere städtische Gebäude in Brand gesetzt worden waren.
    In Marseille feuerte die Polizei Tränengas ab, als es zu Zusammenstößen mit Jugendlichen kam, berichtet die Zeitung "La Provence".
    Thomas Walde
    In vielen Städten Frankreichs dauern die Unruhen weiter an. „Politische Extreme tun wenig, um diesen Konflikt zu beruhigen", so Thomas Walde, ZDF-Korrespondent.30.06.2023 | 3:09 min

    Geschäfte geplündert, Autos in Brand

    Es gebe "keine besonders gewaltsamen direkten Kontakte mit Sicherheitskräften, aber eine gewisse Zahl zerstörter Geschäfte, geplünderter Läden und Feuer", sagte ein ranghoher Polizeivertreter. Zehntausende Polizeikräfte wurden mobilisiert, in ganz Frankreich wurden in der Nacht zum Freitag mehr als 400 Personen festgenommen.
    Es ist die dritte Krawall-Nacht in Folge. In der Region Paris fahren seit Donnerstagabend keine Busse und Straßenbahnen mehr, im acht Kilometer vom Pariser Stadtzentrum entfernten Clamart gilt eine nächtliche Ausgangssperre bis Montag.
    Eine Menschenmenge sammelt sich in Paris an.
    In Frankreich mobilisiert das Innenministerium 40.000 Polizisten, um gewaltsame Proteste in Paris einzudämmen. 29.06.2023 | 1:37 min
    Zehntausende Polizisten waren in der Nacht im Einsatz:

    Ausschreitungen auch in Brüssel

    Auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Ordnungskräften. Nach Angaben der belgischen Nachrichtenagentur Belga wurden etwa 30 Menschen festgenommen, ein Großteil davon waren Minderjährige.
    Jugendliche hätten sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Ordnungskräften geliefert und es habe mehrere Brände gegeben, erklärte die Polizei. Wie die Brüsseler Verkehrsgesellschaft auf Twitter mitteilte, wurde ein Teil des öffentlichen Personennahverkehrs eingestellt.

    17-Jähriger bei Verkehrskontrolle erschossen

    Auslöser der Ausschreitungen sind tödliche Schüsse eines Polizisten auf einen 17-Jährigen nordafrikanischer Abstammung. Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren eingeleitet. Der Polizist sei der "vorsätzlichen Tötung beschuldigt" und in Untersuchungshaft genommen worden, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit.
    Nahel M. war am Dienstag bei einer Verkehrskontrolle in dem Pariser Arbeitervorort Nanterre erschossen worden. In einem Video war zu sehen, wie der Polizist mit seiner Waffe auf den Fahrer zielt und aus nächster Nähe schießt, als das Auto plötzlich beschleunigt. Bei der Kontrolle war zuvor der Satz zu hören: "Du kriegst eine Kugel in den Kopf."

    Tausende bei Trauermarsch für Nahel

    In Nanterre fand am Donnerstag ein Trauermarsch zu Ehren des getöteten Jugendlichen statt. Dessen Mutter, die zu dem Marsch aufgerufen hatte, saß auf einem Lieferwagen, der den Protest begleitete, und trug ein T-Shirt mit der Aufschrift "Gerechtigkeit für Nahel".
    Nach Angaben der Polizei nahmen rund 6.200 Menschen teil. Sie hielten eine Schweigeminute ab. Im Anschluss kam es jedoch zu Ausschreitungen, Bränden und dem Einsatz von Tränengas durch die Polizei.

    Mutter: Polizist wollte "ihm das Leben nehmen"

    In ihrem ersten Medieninterview seit dem Tod ihres Sohnes sagte die Mutter Mounia, sie gehe von einer rassistisch motivierten Tat aus, mache aber nicht die Polizei als ganzes dafür verantwortlich. Sie sagte dem Sender France 5:

    Ich bin nicht auf die Polizei sauer, ich bin auf eine Person sauer: denjenigen, der meinem Sohn das Leben genommen hat.

    Mutter des Opfers

    Sie habe Freunde, die Polizisten seien, und diese "finden es nicht gut, was er getan hat", sagte die Mutter weiter. Der Polizist habe "das Gesicht eines Arabers gesehen, einen kleinen Bengel, und wollte ihm das Leben nehmen", sagte sie. Sie hoffe, dass die Justiz "wirklich streng" sein werde.
    Zu sehen sind drei Frauen in Berlin von hinten; alle sind mit Kopftuch bedeckt.
    Zu diesem Ergebnis kommt eine Expertenkommission, die Islamfeindlichkeit in Deutschland untersucht. Die Studie zeigt: Etwa jeder Zweite stimmt muslimfeindlichen Aussagen zu.29.06.2023 | 1:49 min
    Islamfeindlichkeit ist nicht nur in Frankreich ein Problem. Auch in Deutschland sind Vorurteile gegenüber Muslimen weit verbreitet:

    Polizist entschuldigt sich

    Nach Angaben seines Anwalts Laurent-Franck Liénard entschuldigte sich der Polizist im Polizeigewahrsam bei der Familie. "Die ersten Worte", die der Beamte gesagt habe, "waren, sich zu entschuldigen, und die letzten, die er gesagt hat, waren, sich bei der Familie zu entschuldigen", sagte der Anwalt im Fernsehsender BVMTV.
    Sein Klient habe im Gewahrsam erstmals das Video gesehen und sei "extrem erschrocken von der Gewalt dieses Videos" gewesen. "Er ist am Boden zerstört. Er steht nicht morgens auf um Menschen zu töten. Er wollte nicht töten", fügte der Anwalt hinzu und kündigte an, am Freitag Widerspruch gegen die Untersuchungshaft einzulegen.
    Quelle: Reuters, AFP, dpa

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