Anti-Geldwäsche-Behörde FIU kommt nicht hinterher

    Exklusiv

    Zoll-Spezialeinheit überfordert:Warum der Kampf gegen Geldwäsche stockt

    von Julia Klaus
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    Der Kampf gegen Geldwäsche geht schleppend voran. Die zuständige Behörde FIU sitzt auf einem Berg an Verdachtsmeldungen - das Abarbeiten dürfte viel länger dauern als geplant.

    Brandenburg, Sieversdorf: Viele Eurobanknoten liegen in einem Briefumschlag auf einem Tisch.
    Deutschlands Kampf gegen Geldwäsche funktioniert nicht richtig.
    Quelle: dpa

    Deutschlands Kampf gegen Geldwäsche kommt nicht richtig voran. Die zuständige Behörde musste im Oktober zugeben, dass sie mehr als 100.000 Verdachtsmeldungen noch nicht bearbeitet hatte. Die hatten sich über fast drei Jahre hinweg aufgetürmt - und die Financial Intelligence Unit, kurz FIU, war nicht mehr hinterher gekommen. Ihr Chef Christof Schulte nahm daraufhin seinen Hut - aus "persönlichen Gründen", wie es offiziell hieß.
    Die Spezialeinheit des Zolls gründete deshalb eine Taskforce. Das Ziel: "Bis Frühjahr" sollten die mehr als 100.000 Meldungen abgearbeitet sein. In einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken, die ZDFheute exklusiv vorliegt, legten die FIU und das für sie verantwortliche Finanzministerium nun erste Zahlen vor. Die zeigen einmal mehr, wie langsam die Behörde vorankommt:
    • Zunächst fand die Taskforce heraus, dass von den mehr als 100.000 Meldungen doch nur 39.781 als relevant einzustufen seien.
    • Seit 1. Dezember arbeitet die Taskforce diesen weiterhin hohen Berg ab - und hat bis 1. Januar gerade einmal rund 2.500 Meldungen bearbeitet.
    • Mit diesem Tempo bräuchte die Taskforce mehr als 14 Monate, um den Rückstand abzuarbeiten - von Frühjahr 2023 kann da keine Rede sein.
    Die Linken-Chefin Janine Wissler kritisiert gegenüber ZDFheute dazu:

    Im Monat Dezember wurden von vermeintlich immer noch 40.000 relevanten Fällen 2.500 abgearbeitet. Wenn das so weitergeht, wird die Abarbeitung wohl weit über ein Jahr dauern.

    Janine Wissler, Vorsitzende Linkspartei

    So läuft der Kampf gegen Geldwäsche ab

    Geldwäsche-Meldungen funktionieren so: Haben Verpflichtete wie Notare oder Banken einen Verdacht, dass Geld bei ihnen gewaschen werden soll, müssen sie das der FIU melden. Dort reichern Analysten den Verdachtsfall mit weiteren Daten an und geben ihn an die Strafverfolgung weiter. Polizei und Staatsanwaltschaften können dann ermitteln, durchsuchen, anklagen und verurteilen. Theoretisch.
    In der Praxis gilt Deutschland als Paradies für Geldwäscher - jährlich werden schätzungsweise 100 Milliarden Euro gewaschen. Inkriminiertes Geld fließt beispielsweise in Immobilien und steht deshalb in Verdacht, die Mieten extrem nach oben zu treiben. Auch stammt das Geld oft aus dunklen Bereichen wie Drogen- und Menschenhandel und stärkt somit diese Zweige.

    Großer Berg: Mehr als 500.000 Meldungen sind nicht bearbeitet

    Was das Papier auch zeigt: Die Mengen an unbearbeiteten Meldungen sind größer als gedacht. Wenn die FIU eine Verdachtsmeldung als nicht relevant einstuft, landet sie im sogenannten Infopool, einer Art Datenbank. Dort liegt sie in der Regel drei Jahre, bevor sie gelöscht wird. Dieser Infopool ist von Januar 2020 bis 30. September 2022 auf 424.694 Meldungen angewachsen - zusätzlich mit den ursprünglich als relevant eingestuften 100.000 Meldungen ist das ein immenser Berg von über 500.000 nicht bearbeiteten Eingängen.
    Der Strafrechtler Kilian Wegner sagt zu ZDFheute:

    In der Tat wurde nun die Vermutung bestätigt, dass es neben den 100.000 Meldungen noch ein Vielfaches mehr an Meldungen gab, die unbearbeitet blieben.

    Kilian Wegner, Strafrechtler Uni Frankfurt an der Oder

    FIU-Leiter Schulte tritt zurück
    :Hat der Anti-Geldwäsche-Chef gelogen?

    Seine Behörde ist zentral beim Kampf gegen Geldwäsche, doch in den letzten Monaten gab es immer mehr Ungereimtheiten. Nun ist FIU-Chef Christof Schulte zurückgetreten.
    von Julia Klaus
    FIU-Chef Christof Schulte.

    Dringend benötigte IT: auch hier ein Fragezeichen

    Die Gründe für den schleichenden Kampf gegen Geldwäsche sind vielfältig: Föderalismus und fehlende Datenzugriffe erschweren Ermittlungen aus einer Hand, zudem ist da das nicht enden wollende IT-Problem. Eine Ausschreibung für eine IT-Erneuerung läuft - wann darüber entschieden und neue Software zum Einsatz kommt, kann das Finanzministerium aber nicht benennen.
    Janine Wissler, die auch im Finanzausschuss sitzt, kritisiert gegenüber ZDFheute, dass der Auftrag für die neue IT-Ausstattung der FIU schon 2021 vergeben werden sollte.

    Bis heute ist immer noch kein Auftrag erteilt und laut Ausschreibung wird es fünf bis sieben Jahre dauern, bis die IT läuft. Mit einer erfolgreichen Geldwäschebekämpfung ist in Deutschland wohl vor 2030 nicht zu rechnen.

    Janine Wissler, Vorsitzende von Die Linke

    Ohne effektive Technologie geht es aber nicht. Im letzten Jahr erhielt die FIU fast 300.000 Meldungen - ein neuer Höchststand. Wer mit einer solchen Datenmasse geflutet wird, braucht technische Unterstützung für eine Vorsortiertung. Immer wieder ist auch von einer Künstlichen Intelligenz die Rede. Laut Finanzministerium kommt eine KI namens "FIU Analytics", die maschinell lerne, seit Ende 2020 zum Einsatz.
    Insider bezweifeln gegenüber ZDFheute aber, dass diese KI tatsächlich von Nutzen ist. In einem internationalen Bericht war zudem nur von einem Feldversuch im Jahr 2020 die Rede. Für den Einsatz einer tatsächlichen KI-Lösung fehlt der FIU ohnehin die rechtliche Grundlage. Die ominöse Künstliche Intelligenz bei der FIU - sie bleibt ein Mysterium.
    Fazit: Die Anti-Geldwäschebehörde FIU kommt weiterhin nicht hinterher. Das Abarbeiten der in fast drei Jahren angesammelten Geldwäsche-Verdachtsmeldungen dürfte deutlich länger dauern als geplant.

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