Ganztagsgrundschule ab 2026? Bund soll Rechtsanspruch kippen

    Ganztags-Grundschule ab 2026?:Kommunen: Bund soll Rechtsanspruch kippen

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Keine Lehrer, keine Erzieher: Der Städte- und Gemeindebund will den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in Grundschulen aussetzen. Auf unbestimmte Zeit. 2026 sei unrealistisch.

    Grundschüler in Frankfurt am Main.
    Ab 2026 sollen allen Kindern in Grundschulen ein Ganztagsplatz angeboten werden. Doch ob das klappt, ist offen.
    Quelle: dpa

    Ein Ganztagsplatz für alle Kinder in der Grundschule ab dem Schuljahr 2026/27: So hatte es noch die Große Koalition aus CDU und SPD kurz vor ihrem Ende versprochen und in einem letzten Kraftakt mit den Ländern beschlossen. Und damit das auch wirklich vor allem in den westlichen Bundesländern klappt, wurde ein Rechtsanspruch eingeführt und 1,3 Milliarden Euro pro Jahr zugesagt. Drohende Klagen der Eltern bedeuten mehr Druck, die Ganztagsschule einzuführen. So die Idee.
    Uwe Brandl, Präsident des Städte- und Gemeindebunds, hält sie für gut, ihre Umsetzung jedoch für unrealistisch:

    Wir werden das beim besten Willen nicht schaffen.

    Uwe Brandl, Städte- und Gemeindebund

    Der Verband der Kommunen fordert die Bundesregierung auf, den Rechtsanspruch auszusetzen, sagte Brandl am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Und zwar auf unbestimmte Zeit. Das Hauptproblem: Fehlende Fachkräfte, keine zusätzlichen Räume in den Schulen in Zeiten, wo das Bauen extrem teurer geworden ist und die Kommunen vor finanzielle Probleme stellt.
    Gerd Landsberg
    Der Rechtsanspruch für einen Ganztagsplatz in der Grundschule ist wichtig, sagt Landsberg, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds. Aber löse das Problem nicht.04.01.2023 | 1:28 min

    Landsberg: Was nützt Rechtsanspruch ohne Platz?

    Brandl sagt, um den Rechtsanspruch zu gewährleisten, brauche es 300.000 zusätzliche Fachkräfte: Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Schon jetzt könnten das Personal, das altersbedingt aus den Betreuungsberufen ausscheidet, nicht wiederbesetzt werden. Geschweige denn, zusätzliches eingestellt.
    "Wir haben immer schon das Problem gehabt, dass die Politik bestimmte Leistungsversprechen abgibt, die bei näherer Betrachtung nicht erfüllbar sind", so Brandl. "Was nützt den Eltern der Rechtsanspruch, wenn es den Platz nicht gibt?", fragt auch Verbandsgeschäftsführer Gerd Landsberg.

    Sorge vor abgehängter Generation
    :Grundschulen: "Die Situation ist dramatisch"

    Den Grundschulen gelingt es kaum mehr, den Kindern Schreiben, Lesen und Rechnen beizubringen. Die Lage ist dramatisch, sagt Bildungsforscher Olaf Köller. Corona ist nur ein Grund.
    Nordrhein-Westfalen, Meerbusch: Schülerinnen und Schüler einer Grundschule sitzen in ihrem Klassenraum.
    Interview
    Landsberg räumte allerdings ein, dass einige Kommunen und Regionen keine Probleme haben. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern gibt es den Ganztagsplatz in den Grundschulen bereits heute. Wann es bundesweit für alle klappt? Festlegen will sich der Städte- und Gemeindebund da nicht: Die Lage in Ländern und Kommunen sei sehr unterschiedlich, eine Prognose schwierig.

    Situation in Bundesländern unterschiedlich

    Sorge, dass der Rechtsanspruch nicht eingehalten werden könne, gab es von Anfang an. Die Bertelsmann Stiftung hatte erst im Juli darauf hingewiesen, dass die Lage in den Bundesländern sehr unterschiedlich ist. Ihre Untersuchung ging von 100.000 fehlenden pädagogischen Fachkräften bis 2030 aus. In den ostdeutschen Bundesländern gebe es zwar genügend, allerdings betreut dort eine Fachkraft oft doppelt so viele Kinder als im Westen.
    Laut der Untersuchung fehlen beispielsweise bis 2030 in
    • Bayern: 21.000 Fachkräfte
    • Nordrhein-Westfalen: 17.000 Fachkräfte
    • Baden-Württemberg: 12.000 Fachkräfte
    • Sachsen: 11.000 Fachkräfte
    • Brandenburg: 5.000 Fachkräfte.
    • Mecklenburg-Vorpommern: 5.000 Fachkräfte.
    Landsberg vom Städte- und Gemeindebund beklagt, die Annahmen des Bundes in der Bildung seien schon oft falsch gewesen. Beim Anspruch auf einen Kitaplatz habe man zu niedrig kalkuliert, statt sinkenden Schülerzahlen steigen diese derzeit. "Die Prognosen waren immer falsch", so Städtebund-Geschäftsführer Landsberg. Allerdings auch wegen 150.000 zusätzlichen Kindern aus der Ukraine, mit denen niemand rechnen konnte.
    Statt aber schon vorher in Bildung zu investieren, hätten die Länder "die Ausbildung sogar zurückgefahren", so Landsberg.

    KMK-Vorsitzende Busse: Alles "breit abgestimmt"

    Die Länder sind also an allem Schuld? Die Kultusministerkonferenz weist diesen Vorwurf zurück. Die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) hat erst vor kurzem den Vorsitz des Ländergremiums übernommen. Der Rechtsanspruch sei bereits in der vergangenen Legislaturperiode von Bund und Ländern "beschlossen und breit abgestimmt worden", so Busse zu ZDFheute. Der Rechtsanspruch diene auch nicht nur der Förderung von Schülerinnen und Schülern, "sondern auch der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf".
    Auch das Bundesfamilienministerium will an dem Plan festhalten: "Es wäre unverantwortlich, die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung auszusetzen oder aufzuschieben", heißt es in einer Mitteilung. Es sei klar, dass das fehlende Personal die Verwaltungen vor große Herausforderungen stellten. Deswegen müssten jetzt alle zusammenarbeiten. Bis zum August 2026 sollten sich "Lösungen finden lassen", so das Ministerium.
    Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft ist mit der Vorbereitung auf 2026 unzufrieden. Vize-Vorsitzender Andreas Keller kritisiert aber auch die Kommunen:

    Statt die Aussetzung des Rechtsanspruchs zu fordern, wären die Kommunen aber gut beraten, den Druck auf Bund und Länder zu erhöhen, die Kommunen mit höchster Priorität dabei zu unterstützen, die Voraussetzungen für die Ganztagsschule zu schaffen.

    Andreas Keller (GEW)

    Man brauche eine Fachkräfteoffensive, damit mehr Ausbildungskapazitäten an den Universitäten und Fachschulen geschaffen werden. Außerdem müsse laut Klein der Bund das Sondervermögen für die Grundschulen aufstocken, damit die Kommunen "die dringend erforderlichen Investitionen zeitnah vornehmen".

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