Akademische Laufbahn: Warum es so wenige Professorinnen gibt

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    Akademische Laufbahn:Warum es so wenige Professorinnen gibt

    von Kai Remen
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    Noch immer gibt es an deutschen Hochschulen deutlich mehr Männer in Professuren als Frauen. Auch in anderen akademischen Berufen gibt es strukturelle Probleme.

    Studenten in einem Hörsaal. Symbolbild
    Im Jahr 2022 war mehr als die Hälfte aller Erstsemester weiblich - doch bei der akademischen Karriereleiter gibt es ein Ungleichgewicht. (Symbolbild)
    Quelle: Uwe Anspach/dpa/dpa-tmn

    Margarete von Wrangell - diesen Namen kennt längst nicht jeder. Und das, obwohl sie eine der wichtigsten Frauen in der deutschen Geschichte der Wissenschaft war. Vor 100 Jahren wurde die Chemikerin die erste ordentliche Professorin in Deutschland - gegen große Widerstände.
    Seitdem hat sich einiges an deutschen Hochschulen geändert. Und trotzdem gibt es auch heute noch ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen, wenn es um die akademische Karriereleiter geht.

    Immer mehr Studentinnen

    So waren im Jahr 2022 mehr als die Hälfte aller Erstsemester weiblich. Die Zahl der Frauen, die ein Studium aufnehmen, hat sich in den letzten zehn Jahren sogar um fünf Prozent erhöht. Auch unter den erfolgreichen Abschlüssen machen Frauen mit 47 Prozent knapp die Hälfte aus. Ähnlich sieht es bei den Promovierenden aus.
    Nach der Promotion lässt sich allerdings ein Phänomen beobachten, das als "leaky pipeline" ("undichte Rohrleitung") beschrieben wird. Demnach nimmt mit der Höhe des akademischen Grades der Anteil an Frauen rapide ab. So waren im Jahr 2021 nur 27 Prozent aller hauptberuflichen Professuren von Frauen besetzt.
    Grafik: So schrumpft der Frauenanteil in der akademischen Laufbahn

    Gründe für ungleiche Verteilung

    Die Ursachen für die anscheinend kaum vorhandene Chancengleichheit sind vielfältig. Oftmals seien das ähnliche Punkte wie auch in anderen Bereichen, sagt Lena Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Noch immer würden Frauen einen Großteil der Betreuungsarbeit leisten. Und das sei schwer mit einem Vollzeitjob zu vereinbaren.
    Im Bereich der Wissenschaft komme erschwerend hinzu, dass es eine große Unsicherheit bei der Karriereplanung, viele und lange Befristungen und hohe Mobilitätsanforderungen gebe.

    Ähnlich wie in anderen Bereichen auch, trauen sich Frauen nicht immer den nächsten Schritt zu und bewerben sich nicht so häufig wie Männer auf beispielsweise Professuren und Lehrstühle.

    Lena Hipp, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

    Unattraktive Branche?

    Das kann Andrea Ritschel bestätigen. Sie beschäftigt sich seit mehr als 14 Jahren mit Gleichstellung und ist Referentin für Vielfalt und Chancengleichheit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

    Es ist eine bewusste Entscheidung der Frauen gegen die Wissenschaft, weil die Wissenschaft einfach nicht attraktiv ist.

    Andrea Ritschel, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Zwar habe sich das Problembewusstsein seit Mitte der 2000er Jahre infolge einer Initiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft, bei der die Vergabe von Drittmittelprojekten an Standards für Gleichstellung geknüpft war, verändert. Doch die Zahlen würden zeigen, dass es noch viel zu tun gebe.

    Frauenanteil abhängig von der Fachrichtung

    Besonders auffällig ist dabei der Zusammenhang zwischen Geschlechterverteilung und Fachrichtung. Während sich bei den Promotionen in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften die Geschlechter die Waage halten, machen Frauen bei Promotionen in den Ingenieurwissenschaften noch nicht einmal ein Viertel aus.
    Grafik: Promotionen in ausgewählten Fächergruppen

    Die Gründe dafür finden sich in Geschlechterklischees und Rollenbildern. Dabei ist gerade der Übergang von Promotion zur Habilitation entscheidend. Hier seien die Hürden für Frauen besonders hoch - nicht erst beim "letzten Schritt" auf dem Weg zur Lebensprofessur, sagt Hipp.

    Was muss getan werden?

    Die Mittel, um die Chancengleichheit zu erhöhen, sind vielfältig. Sie könnten von möglichen Übergangslösungen wie Quoten oder Berücksichtigung von Erziehungszeiten bis hin zu großen strukturellen Fragen reichen, meint Hipp.

    Stereotype und Vorurteile, beispielsweise das "männliche Genie", das allein in seinem Kämmerlein forscht und da brillante Ideen hat, müssen sicherlich abgebaut werden.

    Lena Hipp, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

    Für Ritschel ist wichtig, dass Frauenförderung in der Personalentwicklung stattfindet. Lange Zeit sei Nachwuchsförderung nur Sache der etablierten Professuren und kleiner Netzwerke gewesen. Das müsse sich ändern und öffnen.

    Ritschel: Selbstverständnis muss sich ändern

    Angesichts von mehr als 600 Jahren, in denen universitäre Strukturen in Deutschland gewachsen seien, müsste auch das Selbstverständnis ein anderes werden, um Frauen besser fördern zu können, sagt Ritschel.

    Es braucht einen Kulturwandel innerhalb der Wissenschaft. Es muss akzeptiert werden, dass es heute ein anderes Rollenverständnis einer Professur gibt.

    Andrea Ritschel, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Hipp sieht ähnlichen Handlungsbedarf. Die Erwartungen, dass Leute, die in der Wissenschaft arbeiten, allein intrinsisch motiviert seien und darum prekäre Arbeitsbedingungen und Unsicherheiten akzeptierten, müsse sich dringend wandeln. Angesichts langer Promotions- und Habilitationsphasen gingen solche überfälligen Veränderungen allerdings nur sehr, sehr langsam voran.

    Nur 27 Prozent
    :Frauenanteil bei Professuren weiter niedrig

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