Studie: Viele junge Niederländer halten Holocaust für Mythos

    Studie in den Niederlanden:Viele Junge halten Holocaust für Mythos

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    23 Prozent der jungen Niederländer halten den Holocaust laut Studie für einen Mythos oder übertrieben. Auch beim Wissen über die NS-Zeit schnitten die Befragten schlecht ab.

    König Willem-Alexander in der Holocaust-Gedenkstätte in Amsterdam
    Holocaust-Gedenkstätte in Amsterdam
    Quelle: ap

    Fast ein Viertel der jungen Niederländer hält den Holocaust für einen Mythos oder für übertrieben. Das ist das Ergebnis einer Studie der Claims Conference, die kurz vor dem Internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am Mittwoch veröffentlicht wurde.
    Diese Zahl - insgesamt 23 Prozent der Befragten zwischen 18 und 40 Jahren - sei damit höher als in jedem anderen zuvor untersuchten Land, hieß es.
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    Für die Repräsentativstudie wurden 2.000 Erwachsene ab 18 Jahren in der Zeit vom 1. bis 20. Dezember befragt. Die Claims Conference wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um Ansprüche jüdischer Überlebender gegen Deutschland durchzusetzen und kümmert sich auch heute um Holocaust-Überlebende und ihre Nachkommen.

    Millenials und Gen Z schlecht über Ausmaß informiert

    Unbekannt war vielen Befragten das ganze Ausmaß des Holocaust: So wussten 54 Prozent aller Befragten und 59 Prozent der jungen Niederländer der Generationen der Millennials und sogenannten Generation Z nicht, dass sechs Millionen Juden ermordet wurden. Die Ergebnisse der zwischen 1980 und 1994 geborenen Millennials und der seit 1995 geborenen Generation Z wurden in der Studie gesondert erfasst.
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    Insgesamt 29 Prozent glaubten dagegen, dass zwei Millionen oder weniger Juden während des Holocaust getötet wurden. Bei den Millennials und der Gen Z lag der Anteil sogar bei 37 Prozent.
    "Unsere Niederlande-Studie führt uns eindrücklich vor Augen, dass historische Fakten vor allem unter jungen Erwachsenen keine verbindliche Größe mehr sind", sagte Rüdiger Mahlo, der Repräsentant der Claims Conference in Deutschland.

    Das Wissen über den Holocaust und das Bewusstsein für den Holocaust erodieren in einer Rasanz, die uns aufrüttelt.

    Rüdiger Mahlo, Repräsentant der Claims Conference

    "Unsere schlimmsten Befürchtungen erweisen sich als begründet", so Mahlo.

    Wenig Wissen über niederländische Durchgangslager

    Obwohl es in den Niederlanden mehrere Durchgangslager gab, von denen aus die Juden in Konzentrationslager wie Auschwitz deportiert wurden, konnten 59 Prozent aller Befragten und 71 Prozent der Millennials und Generation Z kein einziges Durchgangslager im eigenen Land nennen.
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    Von 1942 bis 1944 lebte Anne Frank im Versteck an der Amsterdamer Prinsengracht 263 mit ihrer Familie. Hier schrieb sie das weltberühmte Tagebuch.

    Quelle: ap


    Anne Frank, die mit ihrer Familie während der deutschen Besatzung der Niederlande in einem Versteck in Amsterdam lebte, war zwar 89 Prozent der Befragten vertraut. Doch 32 Prozent der Millennials und 27 Prozent aller befragten Erwachsenen wussten nicht, dass sie in einem Konzentrationslager starb.

    Wunsch nach Bildung ist aber da

    Auch mit Blick auf die Gegenwart gab es in der Studie beunruhigende Ergebnisse. So hielten es 22 Prozent der Millennials und Gen Z für hinnehmbar, wenn eine Person neonazistische Ansichten unterstützt. In der Gesamtgruppe der Befragten in den Niederlanden lag der Anteil bei zwölf Prozent.
    Der Wunsch nach Bildung und Information zu dem Thema ist der Umfrage zufolge durchaus vorhanden: Zwei Drittel der niederländischen Befragten und die Mehrheit der niederländischen Millennials und der Generation Z waren der Meinung, dass Holocaust-Erziehung in der Schule obligatorisch sein sollte.
    Quelle: dpa, epd

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