Wien: Ex-Kurz-Vertrauter verweigert überraschend Aussage

    Korruptionsaffäre in Österreich:Ex-Kurz-Vertrauter verweigert Aussage

    Wolf-Christian Ulrich
    von Wolf-Christian Ulrich
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    Wie korrupt war die Regierung Kurz? Ein Ex-Intimus packt aus - und belastet den ehemaligen Bundeskanzler Österreichs schwer.

    Für viele war Sebastian Kurz der Posterboy eines neuen Konservatismus. Doch jetzt hat sein ehemaliger Intimus Thomas Schmid ausgepackt. Mit Vorwürfen, die Kurz vor den Richter bringen könnten: Angeblich habe Kurz geschönte Umfragen mit Steuermitteln finanzieren lassen. Das wäre Untreue - und strafbar. Schmid sollte das heute noch einmal vor dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss aussagen - und kündigte dann überraschend an, die Aussage zu verweigern. Er wolle sich nicht selbst belasten.

    Ex-Kurz-Vertrauter Schmid hofft auf mildere Strafe

    Schmid tauchte selten in der Öffentlichkeit auf. Ein Mann im Hintergrund aber an wichtiger Stelle: Chef der ÖBAG, der österreichischen Staatsbeteiligungs-Holding. Ein Möglichmacher im Kurz-Netzwerk, mit kurzem Draht zum Kanzler - so zeigten es Tausende, teils possierliche Chatnachrichten: Frotzeln, Bussis, Frechheiten. "Ich liebe meinen Kanzler" von Schmid, "Kriegst eh alles, was Du willst" von Kurz. Die Macht ließ sie auf Wolke sieben schweben - doch ihr Band ist nun zerschlagen.
    Im Nachgang der Ibiza-Ermittlungen geriet Schmid ins Licht der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft. Schmid merkte wohl, dass es eng wird für ihn und entschloss sich, hinter dem Rücken seines eigenen Anwalts, einen Deal mit der Staatsanwaltschaft anzustreben: Kronzeuge - in der Hoffnung auf milde Strafe.

    Kurz soll laut Schmid geschönte Steuermitteln-Umfrage beauftragt haben

    Bei Geheimtreffen packte er im Sommer aus. Zum Beispiel über die angebliche Anweisung von Kurz, mit Steuermitteln Umfrage-Ergebnisse zu schönen, um in der Boulevard-Presse vor der Wahl gut dazustehen. "Mir ist ganz wichtig zu betonen," so Schmid, "dass ich dieses Tool nur deswegen umgesetzt habe, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe."
    Michael Nikbakhsh vom angesehenen Wochenmagazin profil konstatiert angesichts der andauernden Skandal-Kaskade in Österreichs Politik: "Diese gesamte Affaire hat einen starken Korruptionsgeschmack"

    Und da muss man leider feststellen, dass Korruption in Österreich viele Jahre lang nicht als das gesehen wurde, was sie ist, nämlich als echtes Problem.

    Michael Nikbakhsh, Journalist beim Magazin "profil"

    Telefon-Mitschnitt zwischen Kurz und Schmid aufgetaucht

    Kurz bestreitet Schmids Vorwürfe dezidiert. Jetzt tauchte ein Telefon-Mitschnitt auf, man hört wie Kurz 2021 versucht, dass Schmid ihn im Gespräch entlastet: "Ich habe Dir doch nie - irgendwie - einen Auftrag gegeben, oder wir haben doch nicht über Inserate oder so was geredet, oder?"
    Es ist ein seltsamer Ton zwischen den beiden, man spürt, wie beide versuchen, den Kopf aus jener Schlinge zu ziehen, die schon damals, als das Telefonat wenige Tage nach Kurz Rücktritt stattfand, immer enger wurde.
    Kurz bezichtigt Schmid falscher Aussage
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    U-Ausschuss: Schmid verweigert wegen laufenden Ermittlungen Aussage

    Heute nun sollte Schmid öffentlich vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen. Mit Maske eilte er wortlos an den Journalisten vorbei, wortkarg ist er auch im Saal, verliest mit zitternden Daumen ein Statement: Mit Rücksicht auf die nicht abgeschlossenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen verweigert er die Aussage.
    Für die regierende ÖVP ist die ganze Affaire ein Desaster. Bundeskanzler und ÖVP-Chef Nehammer versuchte gestern eine erste Absetzbewegung. "So bin ich nicht - so sind wir nicht. Es ist zu verurteilen, wenn mit Steuergeld parteipolitische Umfragen gekauft werden oder gar manipuliert werden."
    Kronzeuge sagt gegen Kurz aus
    Im ÖVP-Korruptionsausschuss wird mit Spannung der Auftritt eines ehemaligen Vertrauten von ‎Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz erwartet. Es geht um geschönte Meinungsumfragen.‎03.11.2022 | 2:26 min

    Politikberater: Demokratie in Österreich hat Schaden genommen

    Die Opposition fordert Neuwahlen. Doch Schwarz-Grün setzt darauf, dass das Volk so müde ist von den komplizierten Skandalen, dass bald wieder die Inflation, Energiekrise und Migration die politische Agenda beherrschen und die unappetitlichen Innereien im österreichischen Politikbetrieb vom Teller geschoben werden.
    Die Affäre schadet am Ende dem gesamten politischen System in Österreich - meint der bekannte Politikberater Thomas Hofer: "Seit Ibiza - und das war 2019 - ist es nicht mehr besser geworden. Im Gegenteil: Es kamen immer wieder neue Enthüllungen. Und die richten nicht nur bei den hauptbetroffenen Parteien Schaden an, sondern auch im Gesamtvertrauen in das demokratische System in Österreich."
    Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Fassung des Beitrags hieß es, Thomas Schmid sei Konzeuge. Richtig ist: Schmid strebt den Kronzeugenstatus an.
    Wolf-Christian Ulrich ist ZDF-Korrespondent im Südosteuropa-Studio Wien.

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