Rezepte gegen Ärztemangel - Wer rettet die Landarztpraxis?

    Rezepte gegen den Ärztemangel:Wer rettet die Landarztpraxis?

    Frank Zintner
    von Frank Zintner
    |

    Medizinische Versorgungszentren mit festangestelltem Personal werden immer zahlreicher. Doch wer soll sie betreiben - die Ärzte, die Kommunen oder Finanzinvestoren?

    Thumbnail "plan b: Rezepte gegen Ärtzemangel" - Ein Ärzt hält eine Arzttasche in der Hand
    Hilfe fürs Land07.09.2023 | 29:50 min
    Wolfgang Stunder steht in seiner Praxis in Zell am Harmersbach im Schwarzwald. Er ist mittlerweile 70 Jahre alt und würde gerne in Rente gehen. Etwas abgekämpft aber voller Überzeugung sagt er:

    Wir haben Verantwortung den Menschen hier gegenüber. Wir können nicht einfach zu machen.

    Wolfgang Stunder, Landarzt

    Stunder und seine Frau Brigitte suchen drei junge Mediziner für ihre Praxis. Um die für Nachwuchsärzte interessant zu machen, haben sie ein Medizinisches Versorgungszentrum - kurz MVZ - gegründet. Potenzielle Nachfolger sind dann festangestellt und müssen so keinen hohen Kredit aufnehmen, um die Praxis zu übernehmen. Büroarbeit und Personalmanagement übernimmt das Netzwerk "Gesundes Kinzigtal", das sehr verschiedene Akteure vereint.

    Genossenschaften als Praxisbetreiber?

    Hinter diesem Netzwerk steht die Idee von Dr. Helmut Hildebrandt. Er hat vor 20 Jahren in Hamburg den Medizin Think Tank Optimedis gegründet - eine Firma die Konzepte für die medizinische Versorgung entwickelt und mit Partnern vor Ort umsetzt. Ein Projekt ist das Schwarzwälder Netzwerk "Gesundes Kinzigtal" mit dem Ärzteehepaar Stunder. Die Partner haben sich für ein Genossenschaftsmodell entschieden. Was hier erwirtschaftet wird, kommt als Reinvest der Praxis zugute und nutzt Angestellten und Patienten. Eine klassische Win-Win-Situation.




    Das Modell des genossenschaftlich geführten MVZ trägt in der Schwarzwaldgemeinde erste Früchte. Der Nachwuchsmediziner Lukas Lehman hat hier seine Facharztausbildung gemacht. Ende des Jahres fängt der 32-jährige Familienvater in der Praxis als festangestellter Arzt an.
    Nachwuchsmediziner Lukas Lehmann (m.) und Wolfgang Stunder (r.) bei einem Hausbesuch im Kinzigtal, Schwarzwald
    Nachwuchsmediziner Lukas Lehmann (m.) und Wolfgang Stunder (r.) bei einem Hausbesuch im Kinzigtal, Schwarzwald
    Quelle: Frank Zintner

    Kommunen als Betreiber?

    So gut wie das Konzept klingt, es hat einen Haken, sagt Helmut Hildebrand, der Verfechter von gemeinwohlorientierten Ansätzen ist. Denn:

    Es muss Genossenschaftler geben, die auch bereit sind, in eine Risikosituation zu gehen.

    Helmut Hildebrand, Medizin Think Tank Optimedis

    Finden sich keine Mutigen wie das Ärztepaar Stunder, die ihre Praxis für solche Ideen zur Verfügung stellen, können seit 2015 alternativ auch Kommunen Medizinische Versorgungszentren betreiben. So haben Hildebrandt und sein Team im hessischen Vogelsberg zusammen mit zwei Kommunen und dem Landkreis ein MVZ gegründet. Dort arbeiten inzwischen sechs Ärztinnen und Ärzte.

    Investoren als Retter?

    In Deutschland gibt es inzwischen 4.179 MVZ (Stand 2021). Eigentlich ein Erfolgskonzept?
    Doch viele Kommunen sind klamm und Genossenschaften gibt es nur wenige. Deshalb haben inzwischen auch Finanzinvestoren das Feld für sich entdeckt. Und tun, was ihnen zu eigen ist: Rendite machen.
    Ein Patient lässt seine Augen bei einem Augenarzt prüfen
    Für niedergelassene Ärzte hat es Vorteile, wenn Anleger in Ihre Praxis investieren, aber tut das den Patienten gut? Minister Lauterbach sagt, der Gier müsse Einhalt geboten werden.14.08.2023 | 3:24 min
    An einem Teil dieser Einrichtungen gibt es Kritik und die Angst, dass der Profit vor dem Patienten steht. Doch man sollte diese Investoren nicht verteufeln, sondern sie stattdessen besser regulieren, meint der Hamburger Gesundheitswissenschaftler Helmut Hildebrandt. Dabei kommt eine entscheidende Rolle den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen zu, die jedes Jahr die Arzthonorare neu verhandeln. Dabei würden falsche Anreize gesetzt.
    Teure Apparate-Medizin wird der so genannten sprechenden Medizin deutlich vorgezogen. Sprechende Medizin heißt, sich für die Patienten Zeit nehmen, mit ihnen gemeinsam Ursachen und Lösungen für ihre gesundheitlichen Probleme suchen.
    Im Harmersbach im Schwarzwald war das in der Praxis des Ärzteehepaars Stunder immer so und so soll es künftig mit dem genossenschaftlichen Modell auch bleiben.

    Die Doku "Rezepte gegen den Ärztemangel" können Sie am Samstag, den 2. September 2023 um 17.35 Uhr im TV und jederzeit in der ZDF-Mediathek sehen.

    Mehr zum Thema ärztliche Versorung