Das Aiwanger-Problem der CSU

    Freie-Wähler-Chef:Das Aiwanger-Problem der CSU

    Porträt Stefan Leifert, ZDF-Studioleiter Bayern in München
    von Stefan Leifert, München
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    Einst galt Freie-Wähler-Chef Aiwanger als ideale Lösung für Söders Suche nach einem Koalitionspartner. Nun aber wird er - kurz vor der Landtagswahl - zum Problem für die CSU.

    Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und im Hintergrund Markus Söder (CSU) - Archivbild
    Mit AfD-Rhetorik rückt Hubert Aiwanger die Freien Wähler weiter nach rechts.
    Quelle: dpa

    Hubert Aiwanger hat es mal wieder geschafft: Seit einer Woche redet das ganze Land über ihn. Aufmerksamkeit ist die wichtigste Währung des Freie-Wähler-Chefs, Enttäuschung über die CSU seine Lebensversicherung. In der Bayern-Koalition haben Markus Söder und Hubert Aiwanger zu einer funktionierenden Koexistenz gefunden.
    Nach seinem umstrittenen Auftritt in Erding aber müssen CSU und Freie Wähler ihr Verhältnis neu ausloten. Den Landtagswahlkampf könnte das mächtig aufmischen - fünf Gründe, warum plötzlich vieles anders ist in Bayerns Politik-Gefüge:

    1. Rechts-Ruck und Fremdschämen

    Mit seiner AfD-Rhetorik ("die Demokratie zurückholen") und Fäkalsprache ("habt ja wohl den Arsch offen") rückt Aiwanger die Freien Wähler ein Stück weiter nach rechts. In der CSU trösteten sie sich lange über den Erfolg der Freien Wähler mit dem Argument hinweg, dass die Partei Wähler, die sich von der CSU abwenden, dank Freier Wähler immerhin von der AfD ferngehalten werden.
    Seit dieser Woche fragt manch einer von der CSU, ob das überhaupt noch einen Unterschied mache. Landtagspräsidentin Ilse Aigner wurde am deutlichsten, als Aiwanger in ihren Augen eine rote Linie überschritten hatte: "Wir haben Demokratie, und die muss man sich nirgendwo zurückholen." In der CSU geht das Fremdschämen für den eigenen Koalitionspartner um.

    2. Das Ende des Wunschpartners

    Als die CSU bei der letzten Landtagswahl ihre absolute Mehrheit verlor, wurden die Freien Wähler zur Lösung eines Problems - mit Aiwangers Rechts-Kurs werden sie nun zum Problem. Mit dem Begriff "Bayern-Koalition" schuf Söder 2018 das Gefühl, dass hier zusammenkommt, was zusammengehört: die Freien Wähler Fleisch vom Fleische der CSU, mehr Bruder im Geiste als Konkurrenz.
    Vier Monate vor der Landtagswahl gerät die CSU in Erklärungsnot: Warum will sie mit einer Partei ohne klare Abgrenzung zur extremen Rechten weiterregieren, wenn es mit den Grünen eine Alternative gäbe - so fragt sich gerade mancher CSU-Anhänger. Söders Anti-Wokeness-Wahlkampf gegen die Grünen und alles, was er dafür hält, wirkt vor dem neuen Gebaren Aiwangers riskant. Mit der Absage an die Grünen beraubt sich die CSU einer Alternative, die sie vielleicht noch braucht.
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    3. Aiwanger führt der CSU ihr eigenes Problem vor Augen

    Die Empörung über Aiwangers Auftritt in Erding lenkte zur Erleichterung der CSU davon ab, dass sich auch Markus Söder mächtig verbrannt hat. Während Aiwanger wie ein Volksheld bejubelt wurde, fegten Söder schallend laute Pfiffe und Buhrufe fast von der Bühne. Anders als Aiwanger grenzte er sich klar von AfD, Demokratieverächtern und Verschwörungstheoretikern ab. Doch schon seine Teilnahme an der aufgeladenen und von vielen Teilnehmern des antidemokratischen Spektrums unterwanderten Demo gegen die Ampel-Pläne halten viele in der Union für einen Fehler. Der Europaabgeordnete und CDU-Politiker Dennis Radtke sagte etwa:

    Ich hätte die Einladung an Söders Stelle nicht angenommen. Es war klar, was für ein Publikum da kommt.

    Dennis Radtke, CDU-Politiker

    Erding zeigt, wie wenig für die Union im Milieu der Wut zu holen ist. Für den Versuch, die Wütenden zu umarmen, erntet er selber Wut und wenig Beifall. Erding zwingt die CSU, ihr Verhältnis zu den politischen Rändern zu klären.
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    4. Die Geister, die die CSU rief…

    Die Wut, die sich in Erding entlud, hat die CSU selbst mit hochgepeitscht. Seit Wochen bläst die CSU in schrillsten Tönen ("Heizungs-Stasi") kräftig mit ins ohnehin schon lodernde Feuer aus Wut, Empörung und Verachtung für "die da in Berlin". Markus Söder soll geschockt gewesen sein von dem, was ihm in Erding entgegenschlug. Ein Teil davon ist Ergebnis seiner eigenen Brachial-Rhetorik, die allzu oft mit der Grenze zwischen Fakten und Gefühl spielt.
    Manche Behauptung, die er in Bierzelten über die politischen Gegner aufstellt ("Gender-Zwang, "Fleisch-Verbot"), würde einem Faktenchek nur schwerlich standhalten. Erding ist ein Lehrstück über Versuchung und Grenzen einer Annäherung an die Ränder. Söder scheint für einen Moment seinen sonst sicheren politischen Instinkt verloren zu haben. Er wird daraus seine Lehren ziehen.

    5. Neue CSU-Wahlkampfstrategie gesucht

    Erding stellt nicht nur das Verhältnis von Hubert Aiwanger zur parlamentarischen Demokratie auf die Probe, sondern auch das Verhältnis zwischen Söder und seinem Vize-Ministerpräsidenten. Das vorsichtige Belauern der beiden dürfte nun vorbei sein, der Rechts-Kurs Aiwangers zwingt Söder zur Abgrenzung, aus Koalitionspartnern werden Gegner. Der Wahlkampf wird damit komplizierter für Söders CSU. Und ein bisschen spannender wird er nun auch.

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