Nach Putsch im Niger: Droht ein Krieg in Westafrika?

    Nach Putsch im Niger:Droht ein Krieg in Westafrika?

    von Jan Fritsche
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    Nach dem Militärputsch im Niger drohen westafrikanische Staaten mit Intervention. Mali und Burkina Faso würden das als Kriegserklärung auffassen. Droht ein Krieg?

    Nach dem Militärputsch im Niger spitzt sich die Lage weiter zu: Das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung herausgegeben und Deutsche vor Ort zur Ausreise geraten. Die Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso solidarisierten sich am Dienstag mit dem Land.
    Sollte die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS militärisch in Niger eingreifen, käme das auch einer Kriegserklärung gleich, teilten beide Länder mit.

    ECOWAS stellt Putschisten Ultimatum

    ECOWAS hatte bei einer Krisensitzung am Wochenende gefordert, den bisherigen nigrischen Präsidenten Bazoum freizulassen und wiedereinzusetzen. Dabei hatte die Staatengemeinschaft den Putschisten ein Ultimatum gesetzt. Binnen einer Woche seien die Forderungen zu erfüllen. Ansonsten behalte man sich ausdrücklich auch ein Eingreifen mit militärischen Mitteln vor.
    Ulf Laessing ist Leiter des Regionalprogramms Sahel bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er bezweifelt, dass ein Krieg ausbrechen wird: "Ich glaube nicht, dass es zu einer Militärintervention von ECOWAS kommt. Aber es gibt sehr viel Druck von außen und da weiß man nicht, wie die Putschisten reagieren werden. Es kann auch sein, es ist sogar wahrscheinlich, dass die Putschisten an der Macht bleiben." An eine Rückkehr des bisherigen Präsidenten Bazoum ins Amt glaubt Laessing nicht:

    Bazoum wird jetzt fast eine Woche lang zu Hause eingesperrt von den Putschisten. Selbst wenn der jetzt wieder eingesetzt würde: Den würde ja keiner mehr ernst nehmen.

    Ulf Laessing, Konrad-Adenauer-Stiftung

    Experte glaubt nicht an Militärintervention

    Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Vom ehemals gepriesenen Stabilitätsanker des Westens kann im Falle des Niger keine Rede mehr sein.

    Das war eine ganz große Illusion zu glauben, dass Niger ein Stabilitätsanker ist. Es ist eines der ärmsten Länder der Welt. Wo die Regierung seit Unabhängigkeit niemals ihr Territorium ganz kontrolliert hat.

    Ulf Laessing, Konrad-Adenauer-Stiftung

    Die Putschisten im Niger hatten vorgegeben, vor allem deswegen die Macht ergreifen zu wollen, weil der bisherige Präsident Bazoum keine ausreichenden Fortschritte bei der Terror-Bekämpfung gemacht habe. Laessing hält das für einen Vorwand: "Im Fall von Niger ist es wahrscheinlich ein reiner inner-nigrischer Machtkampf zwischen verschiedenen Gruppen."
    Daran, dass es soweit kommen konnte, ist laut Ulf Laessing auch der Westen mitverantwortlich. Der habe mit seinen Hilfsprojekten zu große Versprechen gemacht.

    Schwierige Situation für Frankreich

    Vor allem die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hat sich stark im Niger engagiert: Mit rund 2.000 Soldaten im Anti-Terror-Kampf. Darüber hinaus ist Frankreich für seine Atomkraftwerke auf Uran aus Niger angewiesen.
    Weil die Lage immer gefährlicher wird, wollte Frankreich noch am Dienstag mit Evakuierungen beginnen. Zwischen 500 und 600 Staatsbürger sind laut Außenministerium im Niger. Am Wochenende hatte es in der Hauptstadt Niamey Pro-Putsch-Proteste gegeben, bei der es auch zu Attacken gegen die Botschaft der ehemaligen Kolonialmacht kam. Im Niger befinden sich auch knapp 100 deutsche Zivilisten.
    Ulf Laessing sieht die Rolle Frankreichs zweigeteilt: "Sie sind in Niger sehr unbeliebt wegen ihrer kolonialen Vergangenheit, aber auch wegen ihres häufig undiplomatischen Auftretens. Man muss aber auch lobend für Frankreich sagen, dass sie die einzigen waren, die bereit waren, aktiv zu kämpfen mit der nigrischen Armee gegen Dschihadisten."

    Wendet sich der Niger Russland zu?

    Der Westen befürchtet jetzt, der Niger könne sich wie die Nachbarländer Mali und Burkina Faso verstärkt Russland zuwenden. Laessing betont aber, der Einfluss Russlands solle nicht überschätzt werden: "Russland ist sehr aktiv mit Desinformationskampagnen. Und hat auch immer lokale Kräfte vor Ort, die recht schnell mit russischen Fahnen ankommen." Das vermittle den Eindruck, dass es viel Unterstützung für Russland gebe.
    Laessing sagt, was jetzt im Niger passiert, werde künftig vor allem beim Thema Migration eine Rolle spielen. Auf politischen Druck aus Europa habe das Land die Route nach Libyen in den vergangenen Jahren geschlossen. Das könnte sich mit einem Machtwechsel schnell ändern und für verstärkte Fluchtbewegungen Richtung Europa sorgen.
    Mit Material von dpa