Nigeria wählt einen neuen Präsidenten und ein Parlament

    Wahlen im Chaos:Nigeria sucht einen neuen Präsidenten

    Susann von Lojewski
    von Susann von Lojewski, Nairobi
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    Das bevölkerungsreichste Land Afrikas stimmt über ein neues Staatsoberhaupt ab. So viele Menschen wie nie haben sich registrieren lassen - trotz Terror und Gewalt.

    Es ist seit Wochen das gleiche Bild in Lagos: Menschen warten in ihren Autos auf ein bisschen Benzin. Stundenlang stehen sie vor den Zapfsäulen, vielleicht wird es heute klappen, vielleicht aber auch nicht. Eine skurrile Szenerie, denn Nigeria hat eines der größten Ölvorkommen Afrikas - nur kann es das nicht raffinieren und muss es ins Ausland exportieren.
    Ein Milliardengeschäft, von dem die Bevölkerung nicht profitiert. Über die Hälfte der nigerianischen Bevölkerung, so Schätzungen, leidet unter Armut. Die instabile politische Lage, Terror durch Banditen im Nordwesten und durch Islamisten im Nordosten lähmen die Wirtschaft, ausländische Investoren scheuen das Land. 216 Millionen Menschen leben in dem westafrikanischen Staat, 2050 sollen es 400 Millionen sein, doch die Zahl der Jobs wächst nur langsam.
    Nun also die Wahlen für Parlament und Präsident. Der über 80-jährige Staatspräsident Muhammadu Buhari darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
    Muhammadu Buhari, Präsident von Nigeria.
    Muhammadu Buhari, amtierender Präsident von Nigeria, darf nicht wieder antreten.
    Quelle: Untv/UNTV/AP/dpa

    Nigeria: Die meisten Präsidentschaftskandidaten sind über 70 Jahre

    Doch ob ein neues Staatsoberhaupt die Lage verbessern wird? Marija Peran glaubt das nicht, sie leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Nigerias Hauptstadt Abuja.

    Mit Blick auf die Zukunft wird es die ausweglos anmutende Ausgangssituation in Nigeria selbst dem dynamischsten, ehrlichsten und reformwilligsten Präsidenten erschweren, auf die diversen Bedürfnisse der Nigerianer*innen einzugehen.

    Marija Peran, Leiterein des Büros der r Konrad-Adenauer-Stiftung in Nigerias Hauptstadt Abuja

    Es fällt schwer, angesichts der aussichtsreichsten Bewerber überhaupt von "Dynamik" zu sprechen. Bola Tinubu und Atiku Abubakar gehören zur eingesessenen Politelite, sie sind beide über 70 Jahre alt.

    Teilung zwischen christlichem Süden und muslimischem Norden

    Ihr Konkurrent Peter Obi, 61, verkörpert für viele junge Wähler*innen immerhin ein bisschen Hoffnung. Obi ist der einzige Christ im Rennen, schart aber keine große Lobby um sich.
    Peter Obi
    Peter Obi ist mit 61 Jahren ein Hoffnungsträger für Nigerias Jugend.
    Quelle: AP

    Nigeria - grob gesagt geteilt in den christlichen Süden und den muslimischen Norden - hatte bisher immer einen Wechsel in der Religionszugehörigkeit an der Staatsspitze.
    Das ist quasi eine stillschweigende Übereinkunft zur Befriedung des Landes. Diesmal aber ist das aufgeweicht. Das könnte zu zusätzlichen Unruhen führen.
    Karte Nigeria
    Quelle: zdf

    Eine entscheidende Bedeutung bei den Wahlen kommt den jungen Menschen zu. Über 93 Millionen Wähler*innen haben sich insgesamt registrieren lassen, fast drei Viertel sind unter 49 Jahren. Die größte Wählergruppe sind Student*innen.

    Nach unserer Beobachtung des Wahlkampfes hat der Druck der Jugend die Kandidaten gezwungen, sich auf Debatten über Themen wie Arbeitsplätze, Entwicklung des Humankapitals und andere soziale Dienste einzulassen.

    Idayat Hassan, Direktorin des Zentrums für Demokratie und Entwicklung in Nigeria

    Es bestehe kein Zweifel, dass die jungen Wähler das Thema bei dieser Wahl forciert haben, so Idayat Hassan, weiter.
    2022 hat Deutschland die "Benin Bronzen" an Nigeria übergeben:

    Kaum Bargeld, kaum Sprit: Wahlbeteiligung dürfte leiden

    Ob die Menschen jedoch wirklich zu den Wahlen gehen? Es sind ganz banale Gründe, die das erschweren könnten: Der Mangel an Benzin ist der eine, der andere ist der Mangel an Bargeld.
    Bis Ende Januar mussten alte Banknoten in neue umgetauscht werden. Davon aber gibt es nicht genügend. An den Geldautomaten können maximal umgerechnet acht Euro täglich gezogen werden. Die Fahrt zum Wahllokal aber kostet Geld, gleichzeitig können Wahlhelfer*innen nicht bezahlt werden.

    Angesichts mangelnder Sicherheit, logistischer Probleme, Politikverdrossenheit und den aktuellen Krisen in Nigeria steht eine niedrige Wahlbeteiligung zu befürchten.

    Marija Peran, Leiterein des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Nigerias Hauptstadt Abuja

    Ein Negativ-Rekord steht jetzt schon fest: Es werden noch weniger Frauen in den Parlamenten vertreten sein als ohnehin schon. Prognosen gehen von sechs Prozent aus - einer der schlechtesten Werte Afrikas. Idayat Hassan: "Wir möchten nicht, dass sie Subjekte der Gespräche sind, sondern dass sie die Gespräche führen."
    Susann von Lojewski leitet das ZDF-Studio in Nairobi.

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