Proteste Indigener: Warum die Lage in Peru eskaliert

    Proteste Indigener und Linker:Warum die Lage in Peru eskaliert

    Jan Fritsche
    von Jan Fritsche
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    Seit Wochen toben in Peru blutige Proteste. Vor allem Indigene aus dem Süden wollen die Präsidentin loswerden. Dabei liegen die Ursachen des Konflikts tiefer.

    Die Anspannung in Perus Hauptstadt Lima ist deutlich zu spüren: Polizisten mit Gewehren sind aufmarschiert. Schwere Panzerfahrzeuge sind im Einsatz.
    Der Grund für die Nervosität: Die Protestwelle aus dem Süden des Landes hat die Hauptstadt erreicht. Tausende sind aus den entlegenen Anden-Gebieten ins politische Zentrum geströmt. "Wir sind hier, weil wir dafür kämpfen, dass unser Land uns nicht weiter mit Füßen tritt", sagt Demonstrantin Leonela Labra.

    Regierung ruft Ausnahmezustand aus

    Seit Wochen machen die Proteste in Peru international Schlagzeilen. Vor allem wegen der Brutalität der Polizei. Rund 50 Menschen wurden getötet. In einem Drittel des Landes gilt der Ausnahmezustand.
    Wie viele der Demonstranten stammt die 23-jährige Leonela Labra aus dem ländlichen Süden Perus, wo indigene Volksgruppen oft in Armut leben. Vor allem diese Indigenen sind es, die sich gegen die Präsidentin Dina Boluarte erheben. "Seit ihrem Amtsantritt hat sie mehr Todesfälle als Tage im Amt zu verzeichnen", beklagt Labra. 
    Auslöser für die Unruhen war der Streit um den linksgerichteten Präsidenten Pedro Castillo. Er, der selbst aus einer ländlichen Bauernfamilie stammt, war für die Menschen aus dem Süden zur Ikone geworden, sollte ihnen als Präsident endlich eine Stimme geben.

    Ex-Präsident Castillo in Untersuchungshaft

    Doch nach miserabler Regierungsbilanz mit wöchentlichen Kabinettsumbildungen und regelmäßigen Korruptionsvorwürfen ging Castillo zu weit: Als er einem Misstrauensantrag zuvorkommen und das Parlament auflösen wollte, setzten ihn die Abgeordneten kurzerhand ab. Jetzt sitzt er wegen eines versuchten Staatsstreichs in Untersuchungshaft.
    Neue Staatschefin ist Dina Boluarte, Castillos bisherige Vize. Die ist zwar in derselben Partei wie Castillo, wird aber von Indigenen, Bauern und linken Gruppen abgelehnt, steht für das verhasste Hauptstadt-Establishment. Dazu wird sie verantwortlich gemacht für die Polizeigewalt gegen die Demonstranten. 
    Im Kern haben die Proteste drei Forderungen: den Rücktritt der Präsidentin Boluarte, die Freilassung von Ex-Präsident Castillo und sofortige Neuwahlen. Boluarte selbst lehnt das ab: "Sofortige Neuwahlen oder mein Rücktritt würden nur noch mehr Chaos verursachen. Die Demonstranten denken gar nicht an all die Probleme, die durch diese gewalttätigen Proteste entstehen."

    Schere zwischen Stadt und Land

    Doch selbst wenn sich das politische Personal ändern würde: Das zugrunde liegende Problem Perus ist die gleich mehrfach gespaltene Gesellschaft. So ist das Land zum Beispiel der zweitgrößte Kupferproduzent der Welt. Bei den Menschen im Süden, wo die Minen sind, kommt kaum etwas von den Profiten an. Während in Lima neue Hochhäuser entstehen, gibt es in vielen Dörfern nicht einmal fließendes Wasser.
    Die Schere zwischen Stadt und Land, Reich und Arm, Indigen und Nicht-Indigen sorgt für Spannungen. Die Ungleichheit innerhalb des Landes beobachtet auch der peruanische Politikwissenschaftler Paulo Vilca.

    Peru ist ein Land mit tiefen Brüchen.

    Paulo Vilca, Politikwissenschaftler

    Der aktuelle Konflikt mache "die tiefe politische, soziale und wirtschaftliche Kluft zwischen Lima, der Nordküste und andererseits dem gesamten Süden der Anden mit seinen Indigenen" deutlich, sagt Vilca.

    Streit um einen möglichen Wahltermin

    Eine einfache Lösung für den aktuellen Konflikt gibt es nicht, stellt der Politikwissenschaftler fest. "Wir fahren durch einen Tunnel. Im Moment ist alles dunkel. Die Wahlen können das Licht sein, das uns irgendwann einen Ausweg zeigen kann."
    Doch selbst über den Wahltermin gibt es zwischen Präsidentin, Kongress und Demonstranten bisher keine Einigkeit. So dürften die Proteste von Indigenen wie Leonela Labra gegen die Staatsgewalt weitergehen. Bis zu einem echten gesellschaftlichen Frieden für Peru ist es noch ein weiter Weg.

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