Auch die Linke hat Risse in ihrer "Brandmauer" zur AfD

    Zusammenarbeit mit der AfD:Auch die "Brandmauer" der Linken hat Risse

    Jan Schneider
    von Jan Schneider
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    Im ZDF-Sommerinterview betont Linken-Vorsitzender Martin Schirdewan die "klare Grenze" gegenüber der AfD, mit der es keine Zusammenarbeit geben solle. Hält sich seine Partei daran?

    Martin Schirdewan im ZDF-Sommerinterview
    Die Linke Partei ist gespalten. Im Osten überholt die AfD die Linke. Co-Vorsitzende Schirdewan spricht sich im ZDF-Sommerinterview für die Abgrenzung zur AfD aus. 30.07.2023 | 1:33 min
    Linken-Vorsitzender Martin Schirdewan hatte nach dem Sommerinterview mit CDU-Chef Friedrich Merz, in dem dieser eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene in Betracht zieht, deutliche Worte gefunden:

    Dass von Merz die Brandmauer eingerissen wird, gegenüber der AfD und damit der extremen Rechten, und damit den Feinden der Demokratie der Weg geebnet wird, das halte ich für fatal. Da spielt es auch keine Rolle, ob das erstmal auf kommunaler Ebene passieren soll.

    Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender der Partei Die Linke

    Schirdewan: Es gab einmal einen Fall

    Doch auch in seiner eigenen Partei gibt es Fälle, in denen mit der AfD gemeinsame Sache gemacht wurde. In Waren an der Müritz etwa hatten Linke im Finanzausschuss der Stadtverwaltung für einen Antrag der AfD gestimmt. Im ZDF-Sommerinterview darauf angesprochen, zeigte sich Schirdewan verantwortungsbewusst:

    Es gab einmal einen Fall (..) und da gab es dann auch ein entsprechendes Ausschlussverfahren an dieser Stelle. Also wir ziehen da schon eine ganz klare Brandmauer.

    Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender der Partei Die Linke

    Martin Schirdewan im ZDF-Sommerinterview
    Linken-Chef Schirdewan spricht sich für eine klare Abgrenzung zur AfD aus und betont die Unterschiede zu den Grünen. In der Klimaschutzpolitik sei die Linke "radikaler", sagt er.30.07.2023 | 20:23 min

    Ist die Brandmauer wirklich so klar?

    Tatsächlich hatte sich die Linke kurz nach der Abstimmung in Waren eindeutig zur Zusammenarbeit mit der AfD positioniert:

    Wir werden z.B. keine gemeinsamen Anträge einreichen, wir werden konsequent gegen ihre Anträge stimmen, keine gemeinsamen Erklärungen abgeben, keine Unterstützung in Personalangelegenheiten gewähren und auch keine annehmen.

    Erklärung des Linken-Parteivorstandes am 7. März 2020

    Die AfD sei "keine demokratische Partei, sondern eine Partei der extremen Rechten" und dürfe daher "kein normaler Akteur in Parlamenten, Medien und Gesellschaft sein", schrieb der Parteivorstand der Linken damals. Zwei Tage zuvor hatte der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow (Linke), dem AfD-Abgeordneten Michael Kaufmann seine Stimme bei der Wahl zum Landtagsvizepräsidenten gegeben. Doch hält sich die Partei seitdem an das Kooperationsverbot?
    Kevin Kühnert  SPD | Generalsekretär
    "Es ist Zeit für einen Richtungsstreit in der CDU", kommentiert SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert die Aussage von Friedrich Merz, auf kommunaler Ebene mit der AfD kooperieren zu wollen.24.07.2023 | 6:31 min

    Der Tabubruch von Forst

    Keine drei Monate später wurde die Frage erneut zum Thema: In der Lausitzer Stadt Forst stimmten die Stadtfraktionen der Linken und der AfD im Mai 2020 einem Antrag der Fraktion "Gemeinsam für Forst" zu, der einen Neubau für einen Jugendclub vorsah.
    Der damalige Fraktionschef der Linken in Forst, Ingo Paeschke, nahm in diesem Zusammenhang auch an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der AfD teil, die für viel Aufsehen sorgte. Paeschke argumentierte damals, dass man eben "andere Mehrheitsverhältnisse als auf Bundesebene" habe und es die Möglichkeit geben solle, "aus Sicht des Sachverhalts zu entscheiden und nicht über Abgrenzungsbeschlüsse". Paeschke wurde anschließend von der Landesschiedskommission der Brandenburger Linkspartei aus der Partei ausgeschlossen. Das ist auch das von Schirdewan angesprochene Ausschlussverfahren, in Waren an der Müritz gab es nämlich keines.

    "Arbeitsunfall" macht AfD-Politiker zum Ausschussvorsitzenden

    Unterstützung in Personalangelegenheiten gab es seitdem auch von Seiten der Linken für die AfD: In Neubrandenburg etwa wurde der Vorstand der "Jungen Alternative" (JA), Robert Schnell, zum Vorsitzenden des Kulturausschusses gewählt - mit Stimmen der Linken. Die JA ist die Jugendorganisation der AfD, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird. Der Vorsitzende des Betriebsausschusses in Neubrandenburg wird dort ebenfalls von der AfD gestellt, in Person von Jörg Kracht.
    Linken-Landeschefs Peter Ritter hatte sich empört gezeigt, dass Vertreter der AfD mit den Stimmen der Linken zu Ausschussvorsitzenden gewählt wurden. Die Fraktion vor Ort bezeichnete die Wahlen als "Arbeitsunfall".
    Abgesehen von der Empörung der Landesspitze hatte der Vorfall augenscheinlich keine Konsequenzen. Der damals amtierende Fraktionschef der Linken in Stadtrat, Toni Jaschinski, ist auch weiterhin im Amt.
    Die "Brandmauer" gegen die AfD haben auch andere Parteien schon umgangen. Eine Auswahl der Kooperationen:

    Zusammenarbeit im Kommunalen
    :Wo die "Brandmauer" zur AfD bereits bröckelt

    Kooperation mit der AfD? Ein Miteinander im Einzelfall? Darf und soll es für viele eigentlich nicht geben. Brandmauern sind gezogen - und doch schon überwunden.
    Ein Wahlplakat der AfD hängt an der Bundesstraße 89 im Landkreis Sonneberg (Thüringen), aufgenommen am 22.06.2023

    Unterstützung der AfD in Kauf genommen

    In Berlin-Pankow hatte im November 2021 die Wahl des Linken-Politikers Sören Benn zum Bezirksbürgermeister für Aufregung gesorgt: Die Grünen, deren Kandidatin ihm unterlegen war, und die FDP unterstellten, Benn habe sich in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit den Stimmen der AfD wählen lassen. Die Linken wiesen das - mit Blick auf die geheime Abstimmung - als unbewiesene Behauptung zurück, die jeder Grundlage entbehre. Die AfD Pankow erklärte jedoch, sie habe Benn unterstützt.
    Fazit: Ganz stabil steht auch die Brandmauer der Linken auf kommunaler Ebene nicht. Zusammenarbeit gab es in einigen Fällen, Konsequenzen hatte diese nach unserem Kentnisstand nur in einem Fall. Am Ende trifft es eher die Einschätzung von Linken-Urgestein Gregor Gsyi von Anfang der Woche:

    Was Martin sagt, ist völlig richtig für die Bundesebene. Interessanter ist die Kommunalebene, aber da gab es immer schon Formen der Zusammenarbeit.

    Gregor Gysi, Die Linke

    Quelle: Mit Material von dpa

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