Polens Oberstes Verwaltungsgericht stoppte vor zwei Wochen wegen Umweltschutzbedenken vorläufig den Ausbau der Oder. Von polnischen Behörden wird die Entscheidung bisher ignoriert.
Unweit von Frankfurt/Oder, auf der polnischen Seite der Oder, geht es derzeit geschäftig zu. Mit Baumaschinen und Baggern werden dort die in den Fluss reichenden Buhnen saniert beziehungsweise neu aufgebaut.
Mit diesen im März 2022 begonnen Arbeiten soll laut dem polnischen Wasseramt der Hochwasserschutz an der Oder verbessert werden. Es sind jedoch Arbeiten, die auf richterlichen Beschluss spätestens in den nächsten Tagen vorerst eingestellt werden müssten.
Umweltschäden nicht auszuschließen
Zumindest laut einer Anordnung des Obersten Verwaltungsgerichts in Warschau vor zwei Wochen. Grund: Irreversible Umweltschäden können nicht ausgeschlossen werden. Das endgültige Urteil soll jedoch in einem bisher nicht terminierten Hauptverfahren fallen.
"Wir sind enttäuscht, dass die Arbeiten nicht sofort nach dieser Entscheidung gestoppt wurden. Doch nun haben wir die Begründung des Obersten Verwaltungsgerichts bekommen. Die hat unser Anwalt dem polnischen Wasseramt übergeben", sagt Sascha Maier, Gewässerschutzbeauftragter des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Vertreter des internationalen Bündnisses "Zeit für die Oder".
Ob dies jedoch tatsächlich der Fall sein wird, darf nach den bisherigen Aussagen polnischer Regierungspolitiker bezweifelt werden.
Wenig Hoffnung auf Baustopp an der Oder
"Die derzeit an der Oder durchgeführte Investition kann nicht und wird nicht gestoppt werden", erklärte Marek Gróbarczyk, Staatssekretär im Ministerium für Infrastruktur, in einer Pressemitteilung und schob noch nach: "Da kann das Gericht auch entscheiden, dass die Oder vom Norden in den Süden fließt."
Wenig Hoffnung auf einen Baustopp, macht auch der bisherige Verlauf des Rechtstreits um den Ausbau der Oder zwischen Umweltorganisationen aus Deutschland und Polen, an deren Klage sich auch das Umweltministerium in Brandenburg beteiligt, und dem polnischen Wasseramt "Wody Polskie" sowie der polnischen Umweltbehörde, die den Ausbau genehmigt hat.
2015 wurde der Oder-Ausbau zwischen Polen und Deutschland vereinbart. Im Sommer 2022 forderte Umweltministerin Lemke wegen des weiter ungeklärten Fischsterbens den Ausbau-Stopp von Polen.
Gerichtsurteil von Polen ignoriert
Bereits im Dezember vergangenen Jahres verhängte ein Verwaltungsgericht in Warschau einen vorläufigen Baustopp. Eine Entscheidung, an welche sich das polnische Wasseramt nicht hielt und gegen die beim Obersten Verwaltungsgericht Berufung eingelegt wurde.
Und wie sehr die polnische Regierung Gerichtsurteile ignorieren kann, zeigt der Streit um den Braunkohleabbau in Turów. Im Mai 2021 verhängte der EuGH nach einer Klage der Tschechischen Republik einen Förderstopp. Ein Urteil, das die polnische Regierung trotz einer Strafe von täglich 500.000 Euro nicht umsetzte.
Zweifel an verbessertem Hochwasserschutz
Den Beteuerungen polnischer Verantwortlicher, mit dem Ausbau der Oder solle der Hochwasserschutz verbessert werden, darf jedoch misstraut werden. "Durch die entstandene Verengung der Oder wird eher die Hochwassergefahr steigen", mahnt Sascha Maier.
"Und wir wissen auch nicht, wie es derzeit um die Oder selbst steht", sagt Maier. Die Ursache für die Versalzung der Oder, die im vergangenen Jahr zum massenhaften Fischsterben führte, ist jedenfalls bis heute nicht geklärt.
In der Oder starben im Sommer durch die Freisetzung des Gifts einer Alge tonnenweise Fische. Wer ist für den hohen Salzgehalt, der die Verbreitung möglich machte, verantwortlich?
Polen will Oder zu Wasserstraße ausbauen
Ein Baustopp an der Oder würde jedoch den Interessen der polnischen Regierung widersprechen. Diese möchte den Fluss bis 2030 zu einer Wasserstraße ausbauen. "Durch den Klimawandel hat schon der Rhein mit Niedrigwasser zu kämpfen. Bei der Oder wäre es noch mehr der Fall", sagt Maier.
Mahnungen, auf welche nationalkonservative Politiker mit schon gewohnten antideutschen Tönen reagieren, trotz der bei diesem Projekt auch vorhandenen wirtschaftlichen Bedenken. "Das wäre eine Konkurrenz für deutsche Häfen. Deswegen machen Lobbyisten und Agenten alles, um diese Investition zu verhindern", behauptete der PiS-Abgeordnete Jerzy Materna in der polnischen Presse.
- Negativpreis für Öko-Sünde geht an die Oder
Die Oder erhält den Negativpreis "Dinosaurier des Jahres". Doch das Fischsterben vom Sommer kann sich wiederholen: Polens Regierung hat bislang keine Gegenmaßnahmen ergriffen.