Vermögenssteuer: Diskussion über Besteuerung von Reichen

    Diskussion über Vermögenssteuer:Reiche stärker besteuern - ist das gerechter?

    von Anne Sophie Feil
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    Die Unterschiede zwischen arm und reich werden immer größer. Staatsschulden belasten künftige Generationen. Kann eine Vermögenssteuer für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen?

    Geldscheine, aufgenommen am 04.12.2018
    Sollen Reiche mehr Steuern zahlen? Die Debatte um eine Vermögenssteuer dauert an. (Archivfoto)
    Quelle: dpa

    Die Zahl der armen Menschen in Deutschland steigt. Sie leiden stärker an der Inflation, weil vor allem Wohnen, Energie und Lebensmittel teurer geworden sind. Dagegen werden Reiche immer reicher. Sie profitieren vom Wertgewinn ihrer Immobilien und steigenden Aktienkursen. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich also zunehmend.
    Sollten in Anbetracht dieser Ungleichheit Reiche mehr Steuern zahlen? Immer häufiger wird diese Frage aufgeworfen. Laut einer Bertelsmann-Studie zum Gerechtigkeitsempfinden der Deutschen ist ein Großteil der Befragten für die Einführung einer Vermögenssteuer.

    Eine Vermögenssteuer betrifft das Nettovermögen von Privatpersonen und Unternehmen, zum Beispiel Grundbesitz, finanziellen sowie materiellen Besitz und Betriebsvermögen. Ein Freibetrag garantiert, dass nur hohe Vermögen versteuert werden müssen. Genaue Einzelheiten unterscheiden sich je nach Land und Steuermodell.

    In Deutschland wurde von 1923 bis 1996 eine Vermögenssteuer von zuletzt einem Prozent bei einem Freibetrag von 120.000 DM pro Person erhoben. Sie wurde ausgesetzt, weil die gleichmäßige und gerechte Vermögensbewertung aufwändig und teuer war. Diese Steuer wieder einzuführen, wird in der Gesellschaft immer wieder kontrovers diskutiert. Einiges spricht für, aber auch vieles gegen eine stärkere Besteuerung der Reichen.

    Befürworter sehen mehr Gleichheit und Wohlstand durch Vermögenssteuer

    Wenn Reiche mehr abgeben, können Arme entlastet werden. Befürworter der Vermögenssteuer argumentieren, dass so die Ungleichheit in der Gesellschaft sinken und mit den Einnahmen die breite Masse am Wohlstand beteiligt werden kann.
    SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken
    "Das ist ein Zustand, der für unser reiches Land eine Schande ist und den wir überwinden müssen", so SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken.04.04.2023 | 5:30 min
    SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken zur Armut in Deutschland:
    Von den Einnahmen könne die Mittelschicht gestärkt Ausgaben für beispielsweise Kinderbetreuung, Bildung und Gesundheitssystem finanziert werden. Auch für Kosten im Rahmen der Corona-Pandemie, die Aufrüstung der Bundeswehr oder Entlastungspakete in der Energiekrise wäre mehr Geld da.

    Reiche entscheiden selbst, wofür sie spenden

    Bill Gates, die wohltätigen US-Millionäre "Patriotic Millionaires" und andere Superreiche fordern mehr Steuern für Vermögende. Klar, sie können spenden - das tun sie auch. Für prestigeträchtige Projekte und Katastrophenhilfe wird gern und viel gespendet, auch in Deutschland.
    Aber: In Kindergärten oder bei der Müllentsorgung kommen selten Gelder an. Die Spendenden entscheiden, was sie unterstützen. Bei einer verpflichtenden Abgabe legt die demokratisch gewählte Regierung fest, wie die Einnahmen verwendet werden.
    Börsenexperte Frank Bethmann über die Schere zwischen Arm und Reich:
    Vermögende halten häufig Immobilien und Aktien, deren Wert langfristig steigt. Solange sie die Aktien nicht verkaufen, werden Kursgewinne nicht realisiert und müssen deshalb auch nicht versteuert werden. Ihre Depots können sie als Sicherheit für Kredite hinterlegen, die sie mit Liquidität versorgen.
    So zahlen sie kaum Steuern, während sie immer reicher werden. Mit Einführung einer Vermögenssteuer würden nicht nur realisierte Kapitalerträge, sondern auch das Bestandsvermögen besteuert.

    Kritiker sehen Unwirtschaftlichkeit und Kapitalflucht durch Vermögenssteuer

    Die Bewertung von Vermögen, das nicht am Markt gehandelt wird, ist kompliziert. Immobilien, Betriebsvermögen, Kunstgegenstände und Schmuck erfordern teure Gutachten und regelmäßige Neubewertungen. Allein dadurch sinken die Einnahmen aus der Vermögenssteuer um 20 Prozent, ermittelte eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Linken.
    Reiche haben es einfach, ihre Vermögenswerte ins Ausland zu transferieren, sollten sie im Inland mehr Steuern zahlen müssen. Reiner Holznagel vom Bund der Steuerzahler erzählt dem ZDF von Kapitalflucht in Frankreich:

    Unter Präsident Hollande wurde eine sehr starke Vermögensbesteuerung eingeführt. Und infolgedessen sind 35 Milliarden Euro aus Frankreich abgezogen worden.

    Reiner Holznagel, Bund der Steuerzahler

    "Man hatte deshalb unterm Strich weniger Einnahmen mit einer Vermögenssteuer, als man das kalkuliert hat", ergänzt Holznagel.
    Eine Vermögenssteuer trifft unter Umständen auch Personen, die gar nicht so leistungsfähig sind. Wenn beispielsweise ein junger Mensch ein millionenschweres Immobilieneigentum in der Hauptstadt geerbt hat, hat er nicht zwangsläufig auch das entsprechende Einkommen, um den Besitz auch hinsichtlich einer Vermögensbesteuerung zu bezahlen.

    Lösung scheitert auch an fehlender politischer Agenda

    Zudem scheint es in der Politik an fehlendem Engagement zu scheitern. Forscher der Universität Duisburg-Essen stellten in einer Befragung fest, dass Mitglieder der SPD, Grünen und Linken eine höhere Steuer für Reiche zwar befürworten, sich aber oft scheuen, darüber zu sprechen.
    Häufig fehlt es an konkreter Sachkenntnis. Steuerpolitik sei kein klassisches Thema der linken Parteien und es sei schwer, gegen die erfolgreiche Kommunikation der konservativen Lobby anzukommen.
    Janine Wissler
    Janine Wissler, Bundesvorsitzende Die Linke, forderte vergangenes Jahr im Zuge geplanter Entlastungen die "Wiedereinführung der Vermögenssteuer".05.10.2022 | 6:08 min

    Zur Ungleichheit zwischen Arm und Reich