Bundesliga-Abstieg: Tristesse pur oder auch Chance?

    Bolzplatz by Manu Thiele:Abstieg: Tristesse pur oder auch Chance?

    von Ralf Lorenzen
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    Neben Hertha BSC wird mindestens ein weiterer Traditionsverein absteigen. Manche Vorgänger haben das für einen Neuanfang genutzt, andere sind hängen geblieben. Beides hatte Gründe.

    Hertha-Abstieg in die 2. Liga
    Für Traditionsvereine ist der Abstieg aus der Bundesliga gefährlich. Sportjournalist Manu Thiele über die Faktoren, die einen abgestiegenen Klub weiter in Bedrängnis bringen.25.05.2023 | 14:18 min
    Der 1. FC Köln wird die Saison zwischen Platz neun und elf beenden. Von Mittelmaß kann bei den Domstädtern dennoch keine Rede sein: Das Stadion ist immer ausverkauft, der Trainer hat die Hutmode der Saison geprägt hat und kann sein Team am Samstag im Spiel gegen Bayern München zum Meistermacher machen.

    Die Leere nach dem Abstieg

    Vor fünf Jahren sahen die Bilder anders aus. Sang- und klanglos stiegen die Kölner damals mit nur 22 Punkten ab. "Du bist einfach leer, du weißt, du bist abgestiegen, du bist runtergestuft in die zweite Liga", sagt der ehemalige Kölner Kapitän Matthias Lehmann im Bolzplatz by Manu Thiele. "Du brauchst eine ganze Weile, um das zu verstehen."
    Sofort verstand der Klub allerdings, was eine Etage tiefer angesagt war. "Es geht vermehrt über die Physis, es wird härter gespielt", sagt Lehmann. "Das musst du von Anfang an annehmen, nicht nur schön spielen." Und es blieben Leistungsträger wie Lehmann, Jonas Hector und Timo Horn, "die es wieder gut machen wollten, weil ihnen der Klub ja am Herzen liegt", wie Manu Thiele sagt.

    Das Ziel: Sofortiger Wiederaufstieg

    Auch Eintracht Frankfurt schaffte nach dem Abstieg 2011 die sofortige Rückkehr. Der Klub hatte rechtzeitig eine Gehaltsreduzierung für die zweite Liga in die Verträge geschrieben und konnte trotz 45-prozentiger Kostensenkung ein starkes Kadergerüst behalten. Ähnlich war es vor zwei Jahren bei Werder Bremen, das mit Spielern wie Ömer Toprak, Niclas Füllkrug und Leonardo Bittencourt sofort wieder aufstieg.
    Heribert Bruchhagen, der als Vorstandsvorsitzender mit Eintracht Frankfurt ab- und wieder aufstieg, sagt im Bolzplatz:

    Ein zweites Jahr oder drittes Jahr in der zweiten Liga führt auf jeden Fall zu strukturellen Veränderungen, da kann man auch keine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern mehr walten lassen.

    Heribert Bruchhagen

    Abstieg als Existenzbedrohung für Verein

    Lang ist die Liste der Traditionsklubs, für die der Abstieg keinen Aufbruch bedeutete. Der 1. FC Nürnberg, Hannover 96, der Hamburger SV und andere hängen seit Jahren in der 2. Liga fest, für den Drittligisten 1860 München ging es noch weiter runter, zeitweise in die Regionalliga. 
    "Das war eine Negativstimmung", sagt Reiner Meurer, der nach dem Bundesliga-Abstieg im Jahr 2004 Trainer der Löwen wurde. "Und diese Negativstimmung ist unheimlich gefährlich, fast tödlich für den Verein." Dem Klub fehlte die Geduld, ging immer wieder finanzielle Risiken ein, um schnell wieder aufzusteigen. Man habe in einem ständigen Untergangszenarium gearbeitet, erinnert sich Meurer. Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf:

    Entweder wir steigen auf oder der Verein ist erledigt.

    Reiner Meurer

    Herthas verlorene Wette auf den Klassenerhalt

    Dieses Szenario könnte auch Hertha BSC drohen, wo in den letzten Jahren gut 90 Millionen Euro Schulden angehäuft wurden  - erst, um zum "Big City Club" zu werden, dann um in der Liga zu bleiben. "Hertha hat sich sehr lange Zeit auf seinen sportlichen Erfolg verlassen, zumindest auf den Klassenerhalt beziehungsweise auf diesen gewettet", sagt der Sportökonom Christoph Breuer im "Kicker".
    Stevan Jovetic und Dodi Lukebakio (Hertha BSC) sind nach dem Spiel enttäuscht.
    Hertha BSC wird die Bundesliga-Saison 2022/23 als Tabellenletzter beenden. Das 1:1 gegen Bochum ist zu wenig für die Berliner, für den VfL könnte der Punkt Gold wert sein.22.05.2023 | 6:29 min
    Jetzt muss der Bundesliga-Absteiger Hertha nicht nur die Reduzierung der TV-Einnahmen und den Rückgang der Sponsoren- und Zuschauereinnahmen verkraften. Um überhaupt die Lizenz für die zweite Liga zu erhalten, will der Verein die anstehende Rückzahlung einer 40-Millionen-Euro-Unternehmensanleihe auf 2025 verschieben. Die Zustimmung soll den Gläubigern durch eine Erhöhung der Zinsen von 6,5 auf 8,5 Prozent schmackhaft gemacht werden.
    Auch wenn die Lizenz erteilt wird, tritt Hertha den Weg in die zweite Liga mit einem riesigen Päckchen auf den Schultern an. Er kann nur zu einem neuen Aufbruch werden, wenn mit Geduld, Kontinuität und finanzieller Seriosität gearbeitet wird. Dann werden auch die Fans mitgenommen - das zeigen die Beispiele anderer Traditionsvereine.

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