EM-Debakel der U21: Krachender Aufschlag in der Realität

    U21 erlebt EM-Debakel:Krachender Aufschlag in der Realität

    von Ralf Lorenzen
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    Die Erfolge der U21-Nationalmannschaft haben die Schwächen der deutschen Fußball-Nachwuchsarbeit lange kaschiert. Das nun krachende EM-Aus brachte sie deutlich zum Vorschein.

    Deutschlands Youssoufa Moukoko (l) tröstet Deutschlands Jessic Ngankam nach dem Spiel
    Deutschlands Youssoufa Moukoko (l.) tröstet Jessic Ngankam nach dem Spiel.
    Quelle: dpa

    Die Hoffnung, dass die deutsche U21-Auswahl mit einem Erfolg bei der Europameisterschaft in Rumänien und Georgien etwas vom tristen Auftreten der A-Mannschaft ablenken kann, war schon vor dem letzten Gruppenspiel auf ein Minimum geschrumpft. Nach nur einem Punkt aus zwei Spielen mussten die DFB-Junioren gegen den Turnierfavoriten England nicht nur gewinnen - im Parallelspiel musste Israel auch Tschechien schlagen.
    Dass die zweite Bedingung erfüllt werden würde, stand noch in den Sternen, da war der eigene Sieg praktisch schon verspielt. Schlimmer noch: die deutsche Elf wurde bei der 0:2 Niederlage von den Engländern phasenweise so vorgeführt, dass sie in der zweiten Hälfte fast nur noch Schadenbegrenzung betrieb.

    Man muss ehrlich sagen, England hat die Qualität, die wir nicht haben.

    Tom Krauß, U21-Mittelfeldspieler

    Das sagte Mittelfeldspieler Tom Krauß nach dem Spiel. "Das hat man brutal gesehen".

    Keine Schönrederei mehr möglich

    In dieser schonungslosen Aussage wird deutlich: Eine Schönrederei wie nach den ersten beiden Spielen ist nicht mehr möglich. Es fehlten bei weitem nicht nur die "paar Prozent, die den Unterschied ausmachen", wie DFB-Sportdirektor Rudi Völler nach der Niederlage gegen Tschechien gesagt hatte.
    Gegen England - das einzige Spitzenteam der Gruppe, das acht neue Spieler aufstellte - fehlte beim deutschen Team fast alles.

    Auch 2021 kein Titelfavorit

    Tabellenletzter in einer vermeintlich schwachen Gruppe - krachender ist selten ein Titelverteidiger ausgeschieden. Aber dieser Sichtweise hatte Trainer Antonio Di Salvo schon vor dem Turnier vorgebaut. "Diese Mannschaft ist nicht der Titelverteidiger", hatte er im Hinblick auf den Generationswechsel gesagt. In der Tat war mit Josha Vagnomann nur noch einer der Titelgewinner von 2021 dabei.
    Aber auch vor zwei Jahren war Deutschland kein Titelfavorit. Selbst innerhalb des DFB war damals von einem "schwächeren Jahrgang" die Rede. Im Vorfeld der Endrunde standen vor allem die Schwächen der deutschen Nachwuchsarbeit im Fokus, die der Titelgewinn dann kurzzeitig kaschieren konnte - und die spätestens jetzt wieder brutal zum Vorschien kommen.

    Mangel an herausragenden Individualisten

    Trainer Di Salvo konstatierte nach dem Spiel:

    Die Engländer waren mindestens eine Klasse besser.

    Di Salvo, U21-Trainer

    Di Salvo weiter: "Dort gibt es viele Spieler mit Potenzial, eine unheimliche Breite." Damit dachte er vermeintlich an Spieler mit individuellem Durchsetzungsvermögen und der nötigen Wettkampfhärte. In Deutschland wurde der Nachwuchs dagegen lange Zeit hauptsächlich mannschaftstaktisch ausgebildet. Herausragende Individualisten, die Verantwortung übernehmen, sind Mangelware.
    Und diejenigen, die die Akademien mit einem Profivertrag verlassen, verbringen viel Zeit auf Ersatzbänken oder in den zweiten Mannschaften, statt ausreichend Spielminuten im Profifußball zu sammeln: Der englische U21-Kader hat doppelt so viel Einsatzzeiten in Profiligen vorzuweisen als der deutsche Kader.

    Zu wenig Leidenschaft für die Titelverteidigung

    Das war vor zwei Jahren nicht viel anders - doch da hatte die Mannschaft nicht nur mit Lukas Nmecha einen Knipser für die entscheidenden Tore. Vor allem begeisterte sie mit ihrem leidenschaftlichen Auftreten. Der damalige Trainer Stefan Kuntz hatte von seinen Spielern "ein Löwenherz und Adleraugen" gefordert, aber auch "eine Hyänenbande" zu sein, "die keiner leiden kann, aber alles bekommt, was sie wollen".
    Es wäre zu einfach, es nur seinem Nachfolger anzulasten, dass einem diese Attribute beim aktuellen Team nicht einfallen. Eher ist die Leistung von Stefan Kuntz im Nachhinein noch höher einzuschätzen.
    Die U21 sei ein Spiegelbild der A-Nationalmannschaft, hat Rudi Völler gesagt. Im Rückspiegel muss man feststellen: Der DFB hat Stefan Kuntz, der mit der U21 dreimal in Folge das Finale erreichte, nach dem Abgang von Jogi Löw als Nationaltrainer keine Chance zum Aufstieg gegeben. Kuntz ist jetzt Cheftrainer der Türkei, die ihre Qualifikationsgruppe zur EM anführt.

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