Halbfinale gegen Frankreich: Marokko will den Sieg

    Trainer Walid Regragui:Marokkaner mit französischer Prägung

    von Frank Hellmann
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    Marokkos Nationaltrainer Walid Regragui hat mit seiner Mannschaft alle überrascht. Im WM-Halbfinale gegen Frankreich soll die Reise aber noch nicht zu Ende sein.

    Walid Regragui, Trainer von Marokko
    Marokkos Trainer, Walid Regragui, ist in der Nähe von Paris aufgewachsen.
    Quelle: Imago

    Walid Regragui erschien im schwarzen Hoodie, seine Kopfbedeckung hatte er abgenommen. Dass er mit 47 Jahren nicht mehr viele Haare hat, weiß die Fußball-Welt nicht zuletzt seit ihm marokkanische Nationalspieler im Trainingsstadion von Doha öffentlichkeitswirksam auf die kahlen Stellen klopfen.
    Auf der Pressekonferenz vor dem WM-Halbfinale zwischen Frankreich und Marokko (Mittwoch 20 Uhr/ZDF) hat der Trainer gezeigt, welch kluger Kopf sich dahinter verbirgt. Anfangs verschränkte er noch etwas vorsichtig die Arme, aber bald schon sprachen für eine halbe Stunde auch seine Hände. Ausladende Bewegungen unterstrichen überwölbenden Botschaft eines historischen Spiels.

    Regragui stammt aus der Nähe von Paris

    Viele würden ja schon das Erreichen des Halbfinals, dann ein Spiel um den dritten Platz als Erfolg sehen, "aber da bin ich nicht einverstanden: Warum sollen wir nicht auch das Finale erreichen?"

    Wir wollen nicht weitere 40 Jahre warten auf die nächste Chance.

    Walid Regragui

    Das Weiterkommen in der Gruppe mit Belgien und Kroatien, die Erfolge gegen Spanien und Portugal haben auch Regragui stärker gemacht. "Ich bin hier, weil ich ein guter Coach bin." Er, der in Corbeil-Essonnes an der Seine in der Nähe von Paris mit fünf Geschwistern aufwuchs, jedes Jahr mit den Eltern mindestens zwei Monate in der Heimat verbrachte, aber als Jugendlicher für Milan schwärmte, sieht sich selbst als das beste Beispiel, dass auch eine WM in Katar Brücken über Gräben bauen kann. "Der Fußball bringt die Menschen zusammen."

    30 Sondermaschinen aus Marokko

    Aus Marokko haben sich allein 30 Sondermaschinen für den Spieltag in Doha angekündigt, mindestens 20.000 Fans werden im Al Bayt in der Küstenstadt Al Khor erwartet. Gefühlt dürfte das ganze einem Wüstenzelt nachempfundene Stadion auf Seiten des ersten WM-Halbfinalisten aus Afrika sein.
    Regragui versprach den nächsten Auftritt mit Herz. Es gebe vieles, auf was "ein wundervolles Land" (Regragui über Marokko) stolz sein können. Die Erfolge der Nationalmannschaft seien ja das fast logische Produkt, dass in Stadien, die Infrastruktur und eine Akademie investiert worden sei. Nun steht die Ernte an.
    Dem frankophonen Fußballlehrer, der auf Wunsch seiner Eltern zunächst Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studierte, ehe er sich mit 33 dann doch endgültig dem Fußball zuwendete, ist es völlig egal, wo seine Nationalspieler sozialisiert oder gerade angestellt sind. Und dass nur zwölf Spieler in Marokko geboren sind, diese Schublade zieht er partout nicht heraus. Sein Credo: "Jeder Marokkaner ist ein Marokkaner."

    Regragui will als "Inspiration" dienen

    Ob sie nun wie Supertorwart Bono aus Frankreich, Weltklasseverteidiger Achraf Hakimi aus Madrid stammen oder Abdelhamid Sabiri in Frankfurt aufgewachsen sind. Die Vita des Trainers mit französischer Prägung passt zu seinem Team. Die Leute könnten "sich ein Beispiel an meiner Story nehmen", sagte Regragui, der für alle Marokkaner in Frankreich oder Europa als "Inspiration" dienen möchte, insbesondere für Menschen in sozialen Brennpunkten. An solchen Stellen hörte es sich an, als rede ein Sozialarbeiter - befruchtend empfand es das internationale Auditorium allemal.

    Abpfiff für TV-Stimme
    :Réthy: "Freude und Wehmut gleichzeitig"

    Er war 28 Jahre bei Welt- und Europameisterschaften eine prägende Stimme des ZDF: Beim Halbfinale Frankreich gegen Marokko sitzt Béla Réthy nun ein letztes Mal am Mikrofon.
    von Daniel König
    ZDF-Reporter Bela Rethy
    mit Video
    Er sei "ein bisschen verrückt", ein Trainer als Träumer, "aber ein bisschen Verrücktheit ist nicht schlecht". Gar nicht würde er sich für Ballbesitzzeiten interessieren, und niemand soll ihm mit den populärer gewordenen "Expected Goals", den erwarteten Toren, kommen: Am Ende zählt das Resultat.

    Wir wollen gewinnen. Das ist effektiv!

    Walid Regragui

    Dem bei seiner Inthronisierung Ende des Sommers noch skeptisch beäugten Nationalcoach war es bei der Pressekonferenz auf jeden Fall abzunehmen, dass die Löwen vom Atlas gar nicht daran denken, vor dem Weltmeister ehrfürchtig auf die Knie zu fallen.
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