Hoffnungsträger der Protestbewegung: die iranische Fußball-Nationalelf.
Quelle: Imago
Eigentlich ist der Iran ein Land mit einer großen Leidenschaft für den Fußball. Doch das Interesse an der
WM in Katar bröckelt. Viele Fußballfans habe ihre Reisen mittlerweile storniert, das Interesse an Flügen war ohnehin geringer als erwartet. Und jetzt verzichtet mit Ali Daei das Fußballidol des Iran schlechthin auf die Einladung der FIFA und des katarischen Fußballverbandes, die Endrunde zu besuchen.
Ali Daei bleibt aus Anteilnahme zuhause
Der frühere Bundesligaprofi, zwischen 1997 und 2002 für Arminia Bielefeld, Bayern München und Hertha BSC am Ball, könne nach Absprache mit seiner Frau und seinen Töchtern in Tagen, "in denen es den meisten von uns nicht gut geht", nicht nach Doha fliegen, schrieb Daei auf Instagram.
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"Ich möchte mit Euch in meinem Land sein und all den Familien, die in diesen Tagen ihre Angehörigen verloren haben, mein Mitgefühl aussprechen", schrieb der 53-Jährige. Noch einer, dem die
landesweiten Proteste die Laune auf ein Fußballfest verdorben haben.
Frauen, Fußball und Revolution hängen miteinander zusammen
Der Tod der 22-Jährigen Mahsa Amini nach der Verhaftung durch die iranische Sittenpolizei hat das Land seit fast zwei Monaten in Aufruhr versetzt. Die andauernden Proteste werfen ihre Schatten unweigerlich auch auf die WM nach Katar. Das hat die Frauen-Organisation Discover Football kürzlich bei einer Veranstaltung in Heidelberg deutlich gemacht hat. Frauen, Fußball und die Revolution sind eng miteinander verflochten.
"Die Frauen im Iran waren lange wie ein Fluss, der hinter einem Damm gestaut war. Jetzt ist der Damm gebrochen", erzählte eine mittlerweile nach Deutschland geflohene Aktivistin aus Teheran. Sie will ungenannt bleiben. Wichtig war es ihr, dass die anfangs feministische Bewegung von Männern unterstützt wird. Jedes prominente Sprachrohr aus dem Sport erhöht vor allem im Ausland die Aufmerksamkeit.
Sardar Azmoun ist eine wichtige Stimme beim Protest
Eine wichtige Rolle spielt der Nationalstürmer Sardar Azmoun. Der Bundesligaprofi von
Bayer Leverkusen hat sich mehrfach mit dem Protest solidarisiert, auf seinem schwarz eingefärbten Instagram-Profil finden sich bewegende Bilder der Anteilnahme. Angeblich wurde Nationaltrainer Carlos Queiroz aufgefordert, auf den 27-Jährigen bei der WM zu verzichten.
Sardar Azmoun von Bayer Leverkusen solidarisiert sich mit den Protesten.
Quelle: dpa / Daniel Karmann
Doch der erst vor wenigen Wochen zurückgeholte Portugiese dachte gar nicht daran. Azmoun bildet das Herzstück der Offensive. Wenn das iranische Team gegen England, Wales und die USA bestehen will, braucht es den in 64 Länderspielen 41 Mal erfolgreichen Torjäger.
Regime will "möglichen Problemen" vorbeugen
Für die Aktivistinnen ist Azmoun "ein Held". Weil da einer nicht wegschaut, dass Hunderte ermordet werden. Die Repressionen spüren jedoch auch die Nationalspieler. Bei einem Ligaspiel wollten offenbar mehrere Profis von Persepolis Teheran unterstützende Botschaften für die Demonstranten verbreiten. Doch der Plan flog auf. Sicherheitskräfte setzten die Fußballer noch in der Kabine unter Druck.
Kurzerhand wurde der Anpfiff unter dem Vorwand verschoben, dass die Flutlichtanlage kaputt sei. Erst mit fast einer Stunde Verspätung wurde die Partie angepfiffen. Jüngst fand das WM-Testspiel des Iran gegen Nicaragua vor leeren Rängen statt.
Die Protestbewegung hofft, dass das "Team Melli" sich Aktionen einfallen lässt, auch wenn der iranische Präsident Ebrahim Raisi laut Nachrichtenagentur AFP Außenminister Hussein Amirabdollahian damit beauftragt hat, "möglichen Problemen" vorzubeugen - was das auch immer heißt. Es wird eine spannende Frage, ob der Protest iranischer Fußballer nun bei der WM hinter den Kulissen unterdrückt wird oder doch ausbricht.