Leichtathletik: Neue Regeln für DSD- und Transgender-Frauen

    Wettkämpfe in der Leichtathletik:Neue Regeln für DSD- und Transgender-Frauen

    von Susanne Rohlfing
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    Der Weltverband hat neue Regeln für Athletinnen mit einer Störung der Geschlechtsentwicklung bestimmt. Die populärste Betroffene ist 800-Meter-Olympiasiegerin Caster Semenya.

    Die südafrikanische Langstreckenathletin Caster Semenya (Archiv 2021)
    Die südafrikanische Langstreckenathletin Caster Semenya (Archiv 2021)
    Quelle: AP

    Der Europäische Menschengerichtshof in Straßburg hat noch nicht über die 2021 von Caster Semenya eingereichte Klage entschieden, mit der die südafrikanische 800-Meter-Olympiasiegerin ihr Recht auf eine Teilnahme an internationalen Leichtathletik-Wettbewerben der Frauen zurückerobern möchte.
    Und nun wurden die Regeln noch mal verschärft, der Weltverband World Athletics verlangt von Athletinnen wie Semenya seit dem 31. März noch deutlichere Eingriffe in ihren Hormonhaushalt als seit 2019 ohnehin schon.

    Semenya lehnt Hormon-Therapie ab

    Viel dürfte sich für die populärste Betroffene dadurch nicht ändern. Semenya lehnt es strikt ab, sich als Frau mit einer Störung der Geschlechtsentwicklung einer Hormon-Therapie zu unterziehen, um Goldmedaillen gewinnen zu dürfen. Als sie es zwischen 2011 und 2015 tat, hätten die Medikamente ihr "die Seele aus dem Körper gerissen", hat sie mal gesagt.
    Ihren Gang vor den Menschengerichtshof kommentierte Semenya 2021 auf Twitter so:

    Alles, was wir möchten, ist die Erlaubnis, frei zu laufen, jetzt und für immer, als die starken und furchtlosen Frauen, die wir sind und immer waren.

    Caster Semenya

    World Athletics in der Zwickmühle

    Die Diskussion wird bei World Athletics seit 2009 geführt. Damals gewann Caster Semenya in Berlin ihr erstes WM-Gold über 800 Meter. Sie fiel mit ihrem kraftvollen, männlich wirkenden Laufstil auf.
    Es folgten Spekulationen, Enthüllungen, Diskussionen und schließlich 2011 die Regel des Weltverbandes, dass weibliche Athleten mit untypisch hohen Testosteronwerten diese künstliche senken müssen, um weiter an Wettbewerben teilzunehmen.

    Entscheidungen sind immer schwierig, wenn es um widersprüchliche Bedürfnisse und Rechte unterschiedlicher Parteien geht, aber wir bleiben bei unserer Überzeugung, dass wir die Fairness für weibliche Athleten über alle anderen Erwägungen setzen müssen.

    Sebastian Coe, Präsident von World Athletics

    Seit 2019: Testosteronwert auf unter 5 mml pro Liter senken

    Semenya wurde bei der WM 2011 und bei den Olympischen Spielen 2012 Zweite hinter der Russin Marija Sawinowa, die allerdings 2015 wegen Dopings überführt wurde, weshalb Semenya nachträglich beide Goldmedaillen zugesprochen bekam. 2015 hob der Internationale Sportgerichtshof CAS die Regel auf und forderte vom Welt-Leichtathletikverband (damals noch IAAF) medizinische Nachweise zur Notwendigkeit dieser Maßnahme.
    Semenya konnte wieder frei auflaufen und wurde Olympiasiegerin 2016 und Weltmeisterin 2017, bevor der CAS 2019 eine neue IAAF-Regel zuließ: Seither müssen DSD-Frauen (Englisch: Disorders of Sex Development) ihren Testosteronwert für die Teilnahme an Wettbewerben über die Distanzen zwischen 400 Metern und einer Meile seit mindestens sechs Monaten auf unter 5 mmol pro Liter gesenkt haben.
    Diese Diskriminierung sei nötig, hieß es vonseiten des CAS, um die Integrität der Frauen-Leichtathletik zu schützen. Caster Semenya tritt seither nicht mehr über 800 Meter an.

    World Athletics hat auch entschieden, Transgender-Athletinnen, also Frauen, die als Männer zur Welt kamen und sich irgendwann einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben, ganz von Frauen-Wettbewerben auszuschließen, wenn sie die Pubertät als Mann durchgemacht haben.

    Zu groß seien dann auch nach einer Hormonbehandlung ihre Vorteile etwa bei Muskelmasse (Kraft) und der Konzentration Sauerstoff transportierender roter Blutkörperchen (Ausdauer). Aktuell gibt es zwar keine Transgender-Frauen, die in der Leichtathletik auf internationalem Niveau starten.

    Die amerikanische Schwimmerin Lia Thomas oder die neuseeländische Gewichtheberin Laurel Hubbard, die bei den Olympischen Spielen 2020 antrat, haben World Athletics aber wohl zu einer vorauseilenden Entscheidung animiert. Die Regeln würden kontinuierlich überprüft und mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeglichen, teilte World Athletics mit. Dafür habe man extra eine Arbeitsgruppe eingerichtet.

    Testosteron-Wert entscheidend

    Nun hat World Athletics bestimmt, dass DSD-Athletinnen ihren Testosteronwert für mindestens 24 Monate auf unter 2,5 mmol pro Liter senken müssen, um international an den Start gehen zu dürfen. Und das nicht nur in den bisher regulierten Lauf-Disziplinen, sondern in der gesamten Leichtathletik.
    Die Hintergründe sind offenkundig: Die wenigen betroffenen Athletinnen waren zuletzt zu anderen Disziplinen gewechselt, Semenya etwa hat sich über 200 und 5.000 Meter versucht. Und zur Höhe des Testosteronwertes, der DSD-Athletinnen einen Vorteil bringt, gibt es inzwischen einige wissenschaftliche Studien.

    Deutschland: DLV weiß nichts von betroffenen Sportlerinnen

    In Deutschland hält sich die Aufregung in Grenzen. Weder die Sportlervertretung Athleten Deutschland noch der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wissen von betroffenen Sportlerinnen.
    Kristin Behrens, beim DLV Senior-Managerin Sportentwicklung, erklärte, dass sich pro Jahr lediglich "einige wenige Athletinnen" meldeten, die dem Breitensportbereich zuzuordnen seien.
    Zu den alten Regeln habe es aber viele Diskussionen und viel Unzufriedenheit gegeben:

    Deshalb war es richtig, hier neue Regeln zu schaffen mit denen versucht wird, dem binären Wettkampfsystem gerechter zu werden.

    Kristin Behrens, Deutscher Leichtathletik-Verband

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