Joshua Hartmann: Die 19 fest im Blick

    Leichtathletik:Joshua Hartmann: Die 19 fest im Blick

    von Susanne Rohlfing
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    Joshua Hartmann will als erster deutscher Sprinter die 200 Meter in einer Zeit unter 20 Sekunden rennen. So nah dran wie er war noch keiner.

    Interview mit Leon Schäfer und Joshua Hartmann
    Para-Weitsprung-Weltrekordhalter Leon Schäfer und Sprinter Joshua Hartmann über große Weiten und schnelle Zeiten, geplatzte Träume und die Frage nach der Vorbildfunktion.30.07.2023 | 19:49 min
    Ausgerechnet in einer Zeit, in der die deutsche Leichtathletik international strauchelt, ist da einer, der rennt wie eine Antilope und jubelt wie Usain Bolt. Einer, der diszipliniert und akribisch trainiert und keine Angst davor hat, sich große Ziele zu stecken. Dass er den deutschen Rekord über 200 Meter knacken will, hatte der Kölner Sprinter Joshua Hartmann bereits vor einem Jahr angekündigt. Bei den nationalen Titelkämpfen vor drei Wochen machte er es wahr, und wie: 20,02 Sekunden. Hartmann pulverisierte die 20,20 Sekunden von Tobias Unger, 18 Jahre hatte diese alte Bestmarke gehalten.
    Die neue soll schneller fallen. Hartmann selbst hat sie im Visier. Er will die 19 vor das Komma zaubern. Viel hat ja nicht gefehlt im Meisterschafts-Finale in Kassel. Hätte der 24-Jährige nicht kurz vor dem Ziel bereits den linken Arm jubelnd ausgefahren, hätte es schon dort klappen können. Seine Zuversicht schmälerte das Missgeschick nicht. Im aktuellen sportstudio unterstrich Hartmann am Samstag seine Unter-20-Sekunden-Pläne: "Das habe ich mir für noch ein bisschen größere Bühnen aufgehoben."
    Leichtathletik, Deutsche Meisterschaft: Joshua Hartmann jubelt im Ziel über seinen Sieg mit Deutschem Rekord über 200 Meter.
    Joshua Hartmann knackt den deutschen 200-Meter-Rekord und kratzt an der 20-Sekunden-Marke, Malaika Mihambo siegt in Top-Form und verletzt sich dann: Die Höhepunkte vom 9. Juli.09.07.2023 | 1:26 min
    Joshua Hartmann brach die 18 Jahre geltende Bestmarke von Tobias Unger:

    Nur ein Brite schneller als Hartmann

    Gelegenheiten wird es geben. Mit seinen 20,02 Sekunden hat Hartmann die Tickets für die WM Ende August in Budapest und die Olympischen Spiele im nächsten Sommer in Paris sicher. Sein Rekordlauf hat ihn in der Weltjahresbestenliste auf Platz 21 katapultiert, in Europa war nur der Brite Zharnel Hughes bislang schneller. Ob die Konkurrenz jetzt den flotten Deutschen fürchtet?

    In Europa wird es der eine oder andere mitbekommen haben, aber in Amerika interessiert die das nicht wirklich.

    Joshua Hartmann, Leichtathlet

    Neun der 20 Läufer vor ihm im Ranking kommen aus den USA. Acht sind 19er-Zeiten gerannt. Spitzenreiter ist der zweimalige Weltmeister Noah Lyles mit 19,47 Sekunden.
    Die deutsche Medaillenbilanz, die vor drei Jahren bei der WM in Doha (zweimal Gold und viermal Bronze) und vor zwei Jahren bei den Olympischen Spielen in Tokio (einmal Gold und zweimal Silber) nicht all zu üppig ausfiel, wird Hartmann nicht unbedingt aufbessern können. Aber seine Jagd nach der magischen Marke ist erfrischend anzusehen. Ein Lichtblick in der deutschen Leichtathletik, die bei der WM den Ausfall von Weitsprung-Gold-Garantin Malaika Mihambo verkraften muss.

    Hartmann: Gewinne Rennen "über die Technik"

    Hartmann wurde mit 14 Jahren bei einer Talentsichtung des ASV Köln entdeckt. Bis dahin hatte er Fußball gespielt. "Mir ist relativ schnell klar geworden, dass es in der Leichtathletik weiter nach oben gehen kann", erzählte er. Coach Jannik Engel sagt über sein größtes Talent, es "bounce wie eine Antilope, wie ein Flummi". Hartmann erklärte seinen Laufstil so:

    Ich bin jemand, der seine Rennen über die Technik gewinnt. Ich habe einen extrem schnellen Fuß. Ich bin nicht so der kraftvolle Typ.

    Joshua Hartmann, Leichtathlet

    Dazu kommt diese ungezwungene Freude am frühen Jubel, die an den jamaikanischen Weltrekordhalter (19,19 Sekunden) Usain Bolt erinnert. Das sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen für große Ziele.

    Léon Schäfer will inspirieren

    Noch viel vor hat auch Léon Schäfer, der sich gerade bei der WM der Para-Leichtathleten den Weitsprung-Titel in der Klasse der Oberschenkelamputierten holte und dabei seinen Weltrekord auf 7,25 Meter schraubte. Anders als Markus Rehm, dem unangefochtenen Überflieger in der Klasse der Unterschenkelamputierten, wurde Schäfer nach einer Krebserkrankung auch das Knie abgenommen. Mit 13 Jahren endete für ihn die Fußball-Karriere, er hatte es immerhin bis in die Bremen-Auswahl geschafft. "Für die Zweite Liga hätte es sicher gereicht", sagte Schäfer.
    Damals sei es "das Schlimmste" für ihn gewesen, nicht mehr Fußball spielen zu können. Doch heute ist da keine Wehmut mehr zu erkennen. Kurz nach seiner Operation traf Schäfer auf Rehm und ließ sich für die Leichtathletik begeistern. Heute ist er Weltrekordhalter. Ein Paralympics-Sieg fehlt dem 26-Jährigen vom TSV Bayer 04 Leverkusen noch. Doch das soll sich im kommenden Jahr in Paris ändern. Dabei will Schäfer Menschen inspirieren - so wie er einst inspiriert wurde.
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