Mehr Kreuzbandrisse im Frauenfußball: Mehr Forschungsbedarf

    Kreuzbandrisse im Frauenfußball:Wenn das Knie nicht mehr hält

    von Frank Hellmann
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    Fußballerinnen erleiden zwei- bis dreimal häufiger einen Kreuzbandriss als Männer. Auch die DFB-Frauen sind betroffen. Die UEFA will die Ursachenforschung vorantreiben.

    aura Freigang (Deutschland, 10), Sara Daebritz (Deutschland, 13), Sydney Lohmann (Deutschland, 08) beim warm machen,
    Sara Däbritz Daebritz (Mitte) im Trainingslager der DFB-Frauen.
    Quelle: imago

    Mit einem Trainingslager im spanischen Marbella bereitet sich die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft auf das erste Länderspiel im WM-Jahr gegen Schweden in Duisburg (Dienstag, ab 18 Uhr live im ZDF) vor. Mit dabei ist auch wieder Sara Däbritz. Insgesamt elf Wochen war die Mittelfeldspielerin von Olympique Lyon zuletzt verletzt, stieg erst im Januar wieder voll ins Training ein. "Ich wurde am Sprunggelenk operiert, die Bänder gestrafft", berichtet sie.
    Jede Einheit im Marbella Football Center beginnt Däbritz mit Extraübungen für die Beine, "ein gutes Training, um die Muskulatur zu kräftigen", erklärt sie. Präventionsmaßnahmen, die auf ihren Kreuzbandriss vor drei Jahren zurückführen. Die Häufung dieser Verletzung bei den Topspielerinnen im vergangenen Jahr nennt die deutsche Führungskraft "auffällig".

    Marozsan und Gwinn mit Kreuzbandrissen

    Wegen eines Kreuzbandrisses fehlt beim Vize-Europameister immer noch die beste Technikerin. Däbritz‘ Vereinskollegin Dzensifer Marozsan hat zwar für ihren Verein ihr Comeback gegeben, aber für das erste Spiel der DFB-Frauen in diesem Jahr vorsorglich abgesagt. Die 30-Jährige will lieber noch ihr Aufbautraining bestreiten.
    Auf unbestimmte Zeit ist Giulia Gwinn raus: Die beste Außenverteidigerin der EM in England zog sich mit 23 Jahren bereits das zweite Mal in der Karriere einen Kreuzbandriss zu.
    Die DFB-Frauen spiegeln ein Kardinalproblem, das kürzlich beim 8. Medical Symposium der UEFA in Frankfurt zur Sprache kam: Generalsekretär Giorgio Marchetti nannte die "vielen Verletzungen des vorderen Kreuzbandes im Frauenfußball" als ein zentrales Thema, denen sich Mediziner aus Verbänden und Vereinen intensiver widmen müssten.

    UEFA will Forschungsarbeit vorantreiben

    "Diese Verletzungen traten bei Frauen schon immer zwei bis dreimal häufiger auf als bei Männern, aber es wäre zu einfach, diesen Umstand nur diesem einen Faktor zuzuschreiben", erklärt der UEFA-Chefmediziner Zoran Bahtijarevic ZDFheute. "Die Biomechanik des weiblichen Körpers, insbesondere der unterschiedliche Winkel zwischen Oberschenkelknochen und Becken, führen zu andersartigen Belastungen auf das Knie." Ein Grund, aber bei weitem nicht der einzige, so Bahtijarevic.
    Unbestritten bestehe Forschungsbedarf, betont der UEFA-Arzt. Denn:

    Bislang wurden die Erkenntnisse aus Studien über männliche Sportler schlicht auf den Frauenfußball übertragen. In diesen Studien werden die zahlreichen Unterschiede zwischen dem männlichen und weiblichen Körper nicht berücksichtigt.

    UEFA-Chefmediziner Zoran Bahtijarevic

    Die UEFA hat nun einen Expertenausschuss für Frauengesundheit ins Leben gerufen, wie UEFA-Chefmediziner Bahtijarevic berichet. "Diese wird in den nächsten Wochen Ausschreibungen für medizinische Forschungsarbeiten unter anderem zur Frauengesundheit in Auftrag geben."
    Tim Meyer, Vorsitzender der Medizinischen Kommission der UEFA und des DFB, sagt zu den Gründen für häufigere Kreuzbandrisse bei Fußballerinnen: "Die Ursachen sind vielschichtig: Sechs, sieben oder acht Faktoren spielen eine Rolle, sowohl die hormonelle Situation als auch die X-Bein-Stellung oder das unterschiedliche Landeverhalten."
    In der Prävention könne man für eine noch bessere Fitness sorgen, so Meyer. Gleichwohl:

    Es gibt nicht die eine Übung, mit der sich die Verletzung verhindern lässt. Ich glaube nicht, dass sich die Verletzungsrate auf die der Männer drücken lässt.

    DFB-Mediziner Tim Meyer

    Prominente Ausfälle mit Kreuzbandriss

    Wie dringend der Handlungsbedarf ist, zeigte zuletzt die BBC-Ehrung zur "Persönlichkeit des Jahres" in Manchester: Vivianne Miedema und Beth Mead, beide Spielerinnen beim Arsenal WFC, kamen auf Krücken zur Gala. Die niederländische Nationalstürmerin Miedema hatte sich genau wie die englische Europameisterin Mead das Kreuzband gerissen, beide werden im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Bayern (21./29. März) fehlen.
    Prominenteste Verletzte ist Weltfußballerin Alexia Putellas vom FC Barcelona. Sie hatte sich kurz vor der EM das Kreuzband gerissen.

    Präventive Trainingseinheiten sind Standard

    Selten führten Fouls, sondern oft Drehungen oder Landungen nach einem Absprung ohne gegnerische Einwirkungen zu dieser Verletzung. Längst sind im Frauenfußball die Antennen ausgefahren, fast überall präventive Übungen in den Alltag integriert. Dazu gehören propriozeptives Training, also Übungen auf instabilen Untergründen, sowie ein umfangreiches Koordinations- und Sprungtraining. Das Problem laut Experten: Mit alleiniger Verbesserung der Muskulatur ist die Verletzung nicht zu vermeiden.
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