Überraschende Einigkeit:So reagiert die Wirtschaft auf das Ampel-Aus
von Frank Bethmann
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Nach dem Aus der Ampel-Koalition fordern Wirtschaftsverbände schnelle Neuwahlen. Sie sehen Deutschland als Wirtschaftsstandort bedroht und drängen auf Reformen.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist nach knapp drei Jahren im Amt gescheitert. Wirtschafts- und Industrieverbände "wünschen sich eine handlungsfähige neue Regierung", so ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann. 07.11.2024 | 3:29 min
Mit seltener Einigkeit kommentieren Ökonomen das Ampel-Aus. Chefvolkswirte, Verbandspräsidenten und Unternehmenslenker sprechen von einem richtigen Schritt.
Die Regierungsparteien seien in den vergangenen Monaten ihrer "gemeinsamen Verantwortung für die Sicherung der Zukunft des Landes immer weniger gerecht geworden", erklärt der Präsident des Industrieverbandes BDI Siegfried Russwurm. Der Zeitpunkt sei zwar riskant, kommentiert Marcel Fratscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die Entwicklung gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters:
Sie dürfte jedoch das geringere Übel im Vergleich zu einer Fortsetzung der politischen und wirtschaftlichen Paralyse sein.
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Marcel Fratscher, DIW
Wunsch nach raschen Neuwahlen
"Es gilt nun, den Blick nach vorne zu richten", sagt ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Neuwahlen, führt der Ökonom weiter aus, "brauche es jetzt so schnell wie möglich, weil wir Deutlichkeit benötigen. Unsicherheit ist Gift." Es müsse jetzt schnell Klarheit geben, wie es weitergeht, findet auch der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) Wolfgang Große-Entrup: "Eine monatelange Hängepartie und politischen Stillstand können wir uns nicht leisten."
Die Entlassung von Finanzminister Lindner sorgt für Diskussionen und wirft Fragen zum Fortbestand der Rot – Grünen Minderheitsregierung auf. Wie es nun weitergehen kann, besprechen wir mit Britta Buchholz in Berlin.07.11.2024 | 3:56 min
Insbesondere dann nicht, wenn andere mit attraktiveren Standortbedingungen locken. Brzeski verweist auf die USA und auf das Vorhaben von Donald Trump, ausländische Konzerne ins Land zu locken. Dann, so der ING-Analyst, "können wir es uns einfach nicht leisten, dass wir hier noch lange warten, denn dann kehren noch mehr Unternehmen Deutschland den Rücken."
Sorge vor politischem Entscheidungsvakuum
Eine Gefahr, die auch Deutsche Bank-Chef Christian Sewing sieht. Auch er fordert zügige Reformen und einen stabilen Rahmen für die Finanzierung von Investitionen in der Wirtschaft. "Jeder Monat mit fehlenden Reformen wird später nichts anderes als ein fehlendes Wachstumsjahr sein", schrieb er auf LinkedIn.
Auch Jörg Dittrich, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) sieht das so: "Ein politisches Entscheidungsvakuum, das sich über Monate hinzieht, ist aus Sicht der Wirtschaft inakzeptabel." Die Regierungskrise schüre massive Verunsicherung.
Betriebe und Beschäftigte brauchen gerade jetzt Verlässlichkeit, Stabilität und Planungssicherheit.
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Jörg Dittrich, ZDH
"Deutschland braucht erst mal einen Plan"
Brzeski geht noch weiter: Deutschland brauche überhaupt erst einmal einen Plan, wie man zukünftig erfolgreich sein wolle. "Wir müssen davon wegkommen, dass es nur immer alles über den Export von Waren und Dienstleistungen läuft."
Das bisherige Geschäftsmodell habe in dieser Form ausgedient, so der Ökonom. Deutschland müsse investieren: "in die digitale wie in die konventionelle Infrastruktur des Landes." Und so Brzeski weiter: "Ich würde eine Energiepreisebremse für fünf Jahre festlegen, um den Unternehmen einfach Sicherheit zu bieten. Und ich bin für eine Steuererleichterung. Die Unternehmenssteuern müssen runter."
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Steuersenkungen für besseres Wirtschaftswachstum
Für Steuersenkungen spricht sich auch Clemens Fuest aus. Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts verweist darauf, dass Deutschland mit meiner Steuerlast von 29,9 Prozent auf Unternehmen im Kreis der Industriestaaten an der Spitze stehen würde.
Fuest benennt aber auch das Problem von Steuersenkungen. Kostenlos sei ein besseres Wirtschaftswachstum dadurch nicht zu haben. "Man muss es sehen wir eine Investition", erklärt er in der FAZ.
Man lässt den Unternehmen mehr, um Wachstum zu erreichen, und muss dafür erst mal auf Steueraufkommen verzichten.
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Clemens Fuest, Ifo-Institut
Deutschlands Unternehmen im September weniger exportiert und produziert
Wie sehr die Zeit drängt, die Standortbedingungen zu verbessern, belegen die aktuellen Zahlen. Deutschlands Unternehmen haben im September weniger exportiert und produziert. Dirk Jandura, der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) kommentiert diese Entwicklung mit den Worten: "Deutschland sei als Außenhandelsnation international nicht mehr wettbewerbsfähig."
Am Unternehmertag in Wiesbaden kritisierten führende Unternehmenslenker die Wirtschaftspolitik der Ampel scharf. Die Forderung: Mehr handeln, weniger Sitzungen. 29.10.2024 | 2:32 min
Und ergänzt: Deutschland braucht eine Wirtschaftswende. Wir müssen das Ruder herumreißen, bevor die Wellen zu hoch werden." Doch zunächst ist jetzt erst mal die Frage, wer in Berlin diese Reformen anpacken wird.
Quelle: dpa
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