Start-ups im Gegenwind – Weniger Neugründungen

    Zunahme bei Umwelttechnologie:Start-ups im Gegenwind: Weniger Neugründungen

    von Mischa Erhardt
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    Start-ups leiden zunehmend unter schwierigen Finanzierungsbedingungen, die Zahl der Gründungen geht zurück. Potenzial sehen Experten im Bereich Klima und Nachhaltigkeit.

    Archiv 25.10.2012: Der Online-Handel spart CO2, weil er effektiver transportiert und weniger Gebäude betreiben muss
    Im Bereich Online-Handel ist die Zahl der Neugründungen um fast 40 Prozent zurückgegangen.
    Quelle: colourbox.de

    Enpal befindet sich auf der Sonnenseite der Gründerszene. Das Start-up aus Berlin hat es zum Status eines "Einhorns" gebracht. Das sind Unternehmen, die mit über einer Milliarde Euro bewertet sind.
    Das kommt nicht von ungefähr. Denn Enpal hat sich auf Modelle zum Mieten von Solaranlagen, Energiespeichern und Wallboxen spezialisiert. Umwelt und Nachhaltigkeit ist der Bereich, in dem nach wie vor vieles voran geht bei jungen Unternehmen und Unternehmensgründungen.

    Nachlassende Gründungen und Personalabbau

    Auf der anderen Seite der Gründerwelt ziehen Schatten auf – die Gründungstätigkeit insgesamt hat nachgelassen. Das geht aus einer neuen Studie des Start-up-Verbandes und des Branchendienstes Start-updetector hervor. Demnach sind die Neugründungen im vergangenen Jahr um 18 Prozent zurückgegangen, im zweiten Halbjahr sogar um 33 Prozent. Dabei hat vor allem der Bereich Onlinehandel gelitten - hier sind Gründungen um fast 40 Prozent eingebrochen.
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    Beton ist ein beliebter Baustoff, doch insbesondere die Komponente Zement hat eine schlechte CO2-Bilanz. Ein Startup will die Bauindustrie jetzt mit „grünem Beton“ klimafreundlicher machen. 27.12.2022 | 2:03 min
    Das erklärt sich auch aus einem Ausreißer nach oben im Vorjahr. Der war 2021 einem regelrechten Goldrausch bei neuen E-Commerce-Modellen und digitalen Finanzdienstleistungen in Folge der Pandemie zu verdanken. Billiges Geld und ein Schub in der Digitalisierung hatten jungen Unternehmen starken Rückenwind beschert.
    Mit abflauender Corona-Pandemie allerdings ist Ernüchterung eingetreten: Viele Bewertungen von Start-ups sind inzwischen eingebrochen, Jobs wurden gestrichen. So etwa bei Infarm, einem Urban-Farming-Unternehmen, quasi Stadt-Gärtner. Ende 2021 stieg das Start-up in die Riege der Einhörner auf. Ende des Jahres hat das Unternehmen rund 500 Beschäftigten gekündigt, um in Zukunft profitabel zu sein.

    Schlechtere Finanzierungsbedingungen

    Vor allem die Finanzierungsbedingungen für junge Unternehmen haben sich verschlechtert. Einer Studie der Unternehmensberatung EY zu Folge sind Finanzierungen durch Risikokapitalgeber im vergangenen Jahr um 43 Prozent in den Keller gerauscht. Demnach warben junge Wachstumsfirmen in 2022 rund 9,9 Milliarden Euro bei Investoren ein. Im Pandemiejahr zuvor war es mit 17,4 Milliarden Euro noch deutlich mehr.
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    Allerdings gibt es auch gute Gründe für Zuversicht für die Jungunternehmer*innen-Branche: Immerhin ist es trotz des Rückgangs das zweitbeste Ergebnis seit 2015, dem Beginn der Erhebung der Datenreihen.

    2022 stellt das zweiterfolgreichste Jahr für die Start-up-Branche in Deutschland überhaupt dar.

    Thomas Prüver, EY

    Das unterstreicht deswegen auch EY-Studienautor Thomas Prüver. "Es wird weiter investiert – wenn auch weniger und unter anderen Voraussetzungen. Denn was sich verändert hat, sind die Rahmenbedingungen".

    Umwelt und Nachhaltigkeit gefragt

    In Folge des Ukraine-Krieges ist die Inflation mit steigenden Preisen an den Energiemärkten in die Höhe geschossen. Um sie zu bekämpfen haben große Zentralbanken wie die amerikanische FED und die Europäische Zentralbank die Zinsen deutlich angehoben. Das führt zu steigenden Finanzierungskosten für Investor*innen. Entsprechend sitzt das Geld bei ihnen nicht mehr so locker wie zuvor in der lang anhaltenden Nullzinsphase.
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    "Gegen die schwierige konjunkturelle Lage ist auch das Start-up-Ökosystem nicht immun", so Magdalena Oehl, stellvertretende Vorsitzende des Start-up-Verbandes.

    Der Rückgang bei Neugründungen kann für die ohnehin schon lahmende Innovationskraft Deutschlands zum Problem werden.

    Magdalena Oehl, Start-up-Verband

    Die Start-up-Branche und deren Verbände fordern daher unter anderem eine weiter erleichterte Zuwanderung von Fachkräften aus dem außereuropäischen Ausland.

    Gründerbranche als Innovationstreiber

    Die Gründerbranche gilt als einer der Innovationstreiber der deutschen Wirtschaft. Und sie erscheint umso wichtiger, als mit der digitalen und der nachhaltigen Transformation zwei große Trends die Wirtschaft in nächster Zukunft beherrschen werden.
    Perspektiven für Start-ups sehen die Expert*innen denn vor allem auch bei der Bekämpfung des Klimawandels. EY zufolge flossen im vergangenen Jahr mit 1,5 Milliarden Euro mehr als 15 Prozent an Risikokapital in diesen Bereich. Auch in diesem Jahr könnten Start-ups hier auf gute Finanzierungsbedingungen hoffen.
    Quelle: dpa

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