Globale Lieferketten: Kinder-Ausbeutung nimmt laut Studie zu

    Globale Lieferketten:Studie: Kinder-Ausbeutung nimmt zu

    von Marcel Burkhardt
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    Ob Kaffee, Kleidung, Handys oder Spielzeug: Eine Studie der Kinderrechtsorganisation Save the Children weist die zunehmende Kinderausbeutung in vielen globalen Lieferketten nach.

    Kinderarbeit in Bangladesch
    Kinderarbeit ist in weiten Teilen der Welt verbreitet. (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    Entgegen der Versprechen aus Wirtschaft und Politik werden weiterhin viele alltägliche Produkte so hergestellt, dass Millionen Kinder in den globalen Lieferketten ausgebeutet werden. "Das Risiko von Kinderarbeit ist in globalen Lieferketten allgegenwärtig", sagt Anne Reiner, Fachleiterin für Nachhaltige Lieferketten bei Save the Children Deutschland.
    Statt Fortschritten beim Schutz Minderjähriger beobachtet die international tätige Kinderrechtsorganisation das Gegenteil:

    In vielen Lieferketten hat die Ausbeutung weiter zugenommen.

    Save the Children

    Laut einer am Donnerstag von Save the Children veröffentlichten Auswertung von 20 Kinderrechtsanalysen werden Minderjährige weiterhin massiv in den Lieferketten von Kaffee, Kakao, Tee, Haselnüssen und Pfeffer ausgebeutet; zudem in der Produktion von Kleidung, Mobilfunkgeräten, Natursteinen und Spielzeugen.
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    Kinder zahlen Preis für aggressives Preisdrücken

    Als einen Hauptgrund für das andauernde Verletzen international geltender Kinderrechte etwa in Asien, Afrika und Südamerika sieht Save the Children die Preispolitik vieler global agierender Unternehmen:

    Die zumeist aggressive Preisgestaltung zieht Löhne unter dem Existenzminimum in Produktion, Landwirtschaft und Bergbau nach sich, mit gravierenden Folgen für die Rechte von Kindern auf Gesundheit, Bildung, Schutz und Entwicklung.

    Save the Children

    Löhne und Einkommen der Arbeiter und Kleinbauern liegen in allen untersuchten Sektoren deutlich unter existenzsichernden Grenzwerten. Kinder müssen deshalb arbeiten, um überleben zu können: "Zur Schule gehen sie dann meist nicht mehr - obwohl das der Ausweg aus einem solchen Kreislauf wäre", wie Save the Children schreibt.

    Gewinnabstriche für mehr Kinderschutz?

    Um Kinder aus dem Kreislauf der Armut zu befreien, fordert Anne Reiner Unternehmen auf, im ersten Schritt "ihre Beziehung zu ihren Produzenten überdenken". Das bedeute auch: "Der Rohstoff kann nicht weniger wert sein als die Verpackung des Produktes."
    Mit Blick auf die Einkaufspolitik vieler Unternehmen hat Florian Westphal, Geschäftsführer von Save the Children Deutschland, allerdings wenig Grund für Optimismus:

    Leider sehen wir, dass nur wenige Unternehmen bereit sind, Abstriche bei der eigenen Marge zu machen.

    Florian Westphal, Save the Children Deutschland

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    Save the Children kritisiert Verweigerungshaltung

    Auf oft geäußerte Einwände, Kinderarbeit vollziehe sich meist im Verborgenen, Unternehmen könnten nicht alle Glieder ihrer komplexen Lieferketten kontrollieren, entgegnet Anne Reiner: "Wir wissen einiges!" Wenn Unternehmen auf bekannte Daten systematisch reagieren würden, wäre dies "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung".
    Das Problem sei jedoch, dass viele Unternehmen "sich entweder weigern, diese Daten ernst zu nehmen, oder insistieren, dass diese Risiken nicht wirklich in 'ihren' Fabriken bestehen", so Reiner gegenüber ZDFheute.
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    Kritik an neuem deutschen Lieferkettengesetz

    Die Expertin für Nachhaltige Lieferketten kritisiert dabei auch das deutsche Lieferkettengesetz als unzureichend. Es verpflichtet Unternehmen vor allem, ihre direkten Zulieferer genauer unter die Lupe zu nehmen. Der unzureichende Blick auf die Vorlieferanten befeuere aber einen neuen Trend:

    Dies bedeutet, dass Kinder aus Fabriken geschmissen werden und sich letztendlich einen neuen Job suchen, der noch gefährlicher sein könnte.

    Anne Reiner, Fachleiterin für Nachhaltige Lieferketten bei Save the Children Deutschland

    • Ziel des "Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes" ist der Schutz von grundlegenden Menschenrechten
    • Insbesondere soll damit das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit durchgesetzt werden
    • Die Bundesregierung betrachtet das Gesetz als "schlagkräftig", Menschenrechtsorganisationen greifen die Regeln zu kurz

    Forderung: Statt Ausbeutung Bildung für Kinder

    Direkte Zulieferer erfüllen dann zwar die Social-Compliance-Standards ihrer Geschäftspartner. In weniger regulierten Wirtschaftssektoren drohe Minderjährigen aber oft neues Ungemach:
    • höhere Gesundheitsrisiken durch gefährlichere Arbeit
    • längere Arbeitszeiten
    • weniger Lohn
    Anne Reiner fordert daher eine Abhilfe, "bei der der Kinderschutz die oberste Maxime ist". Dazu gehöre auch, Kinder in Schulen zu reintegrieren oder arbeitsfähige Minderjährige in sichere, fair bezahlte Arbeit zu begleiten.

    Gefährdende Kinderarbeit
    :Bis zu 375 Millionen Kinder ausgebeutet?

    Im Juni warnte Unicef vor einem Scheitern im Kampf gegen Kinderarbeit. Eine neue Studie legt nahe, dass weltweit weit mehr Kinder geknechtet werden als bislang angenommen.
    von Marcel Burkhardt (Text), Michaela Waldow (Grafiken)
    Kinderarbeit in Bangladesch

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