Elektromobilität: Warum Chinas Autobauer in Brasilien boomen

    Konkurrenz für Europa und USA:Warum Chinas Autobauer in Brasilien boomen

    von Anne-Kirstin Berger
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    Lange bestimmten westliche Autohersteller den wichtigen Markt in Brasilien - doch nun holen chinesische Autobauer immer mehr auf. Warum China den Westen im Land verdrängen könnte.

    Ein BYD-Elektrofahrzeug wird in einer Ladestation vor dem Gebäude des Wirtschaftsministeriums in Brasilia, Brasilien, aufgeladen.
    Der chinesische E-Autokonzern BYD macht in Brasilien viel Werbung für seine Fahrzeuge. (Archivbild)
    Quelle: Reuters

    Wo früher der Mercedes-Stern strahlte, prangt jetzt ein Wachturm der Chinesischen Mauer, Logo des Autoherstellers "Great Wall Motor". Ab Mai will GWM im Umland von São Paulo jährlich 20.000 Hybridautos produzieren - in denselben Hallen, in denen Mercedes bis 2020 seine C-Klasse und SUV baute.
    Auch für die stillgelegte Fabrik von Ford im Nordosten Brasiliens hat sich ein Käufer gefunden: BYD ("Build your Dreams"), Chinas führender Elektrofahrzeughersteller, will dort 2025 mit der Produktion von E-Autos, Karosserien und Batteriebestandteilen beginnen. "Das ist symbolisch", sagt Giorgio Romano von der Universität UFABC in Sao Paulo, der seit Jahren die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Brasilien analysiert:

    Die USA (und Europa) ziehen sich zurück, China kommt. Die alte Technologie geht, die neue kommt.

    Giorgio Romano, UFABC-Universität in Sao Paulo

    Brasilien setzt auf ausländische Autohersteller

    Brasilien ist für die Automobilindustrie einer der größten und wichtigsten Märkte. Statt in die Entwicklung einer eigenen Produktion zu investieren, hat das Land über die Jahrzehnte etablierte Hersteller eingeladen, Produktionsstätten zu eröffnen.
    Auto auf einer Automesse
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    Ford tat das 1919 als erster Hersteller, Volkswagen folgte 1953. Die Marke hat eine solche Präsenz, dass sie inzwischen von vielen als brasilianisch wahrgenommen wird, Spitzname: "Volks". Heute ist VW auf dem brasilianischen Automobilmarkt die Nummer zwei, fast jedes sechste verkaufte Auto war 2023 von VW.
    Dass sich das ändern kann, zeigt der Fall Ford: 2020 zog sich der Hersteller aus Brasilien zurück, nach fast 100 Jahren. "Das hat den Markt durchgeschüttelt", sagt Unternehmensberater Cassio Pagliarini. Anderen Herstellern könne es genauso ergehen, wenn sie nicht in Innovation investierten.

    Branchenkenner erwarten deutliche Zunahme von E-Autos in Brasilien

    Innovation heißt auch auf dem brasilianischen Automarkt: Elektrifizierung. Zwar war der Anteil elektrischer und hybrider Fahrzeuge mit 3,4 Prozent der Neuzulassungen 2023 noch gering. Aber Marcio Lima vom Branchenverband Anfavea ist sich sicher: "Die Elektrifizierung nimmt in Brasilen gerade Fahrt auf."
    Branchenexperten der Unternehmensberatung Bright Consulting prognostizieren, dass 2030 45 Prozent der neu verkauften Fahrzeuge in Brasilien elektrifiziert sein werden. Von den fünf meistverkauften Marken elektrifizierter Fahrzeuge in Brasilien 2023 sind drei chinesisch.

    Der Vorteil der chinesischen Hersteller ist ihr Preis. Sie produzieren Autos, deren Qualität international mithalten kann zu einem bezahlbaren Preis.

    Cassio Pagliarini, Unternehmensberater

    Möglich sei das dank staatlicher Subventionen. "Die chinesische Regierung hat ein Interesse daran, dass diese Marken sich in Brasilien etablieren. Um so geringe Preise hier in Brasilien zu erreichen, müssen die Herstellungskosten in China sehr gering sein", sagt Pagliarini.
    19.12.2023, Niedersachsen, Hannover: Ein Schild mit einem Symbol für ein Elektroauto und den Schriftzug ·während des Ladevorgangs· markiert einen Parkplatz an einer Ladesäule.
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    Chinesische Fahrzeuge werden beliebter

    Die Strategie geht auf: Während der Anteil Chinas an den E-Auto-Importen vor zwei Jahren noch nicht mal ein halbes Prozent ausmachte, war 2023 jedes dritte importierte E-Fahrzeug chinesisch. Sobald die Fabriken in Brasilien anlaufen, dürften die Autos noch günstiger werden. Entsprechende Marketingkampagnen laufen bereits - BYD schaltet Werbung zur besten Sendezeit, sponsert die Telenovela mit Millionenpublikum.
    Vorbehalte gegen eine Expansion staatlich gelenkter oder beeinflusster chinesischer Konzerne spielen in Brasilien keine große Rolle. Da es keine ausgeprägte heimische Industrie gibt, ist man auf ausländische Investitionen angewiesen und darüber dankbar, egal ob sie aus Europa kommen oder aus China. So kontrolliert der chinesische Staatskonzern State Grid heute ein Zehntel des Hochspannungsnetzes Brasiliens - darunter eine der Herzschlagadern des brasilianischen Netzes, die Leitung vom Wasserkraftwerk Belo Monte nach São Paulo.
    Zu sehen sind die Logos der deutschen Autohersteller Audi (l.), Volkswagen (Mitte) und Mercedes (r.).
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    Politikwissenschaftler: Brasilien hat keine "Angst vor Spionage"

    "In Europa würde man das als strategische Infrastruktur einstufen, man hätte Angst vor Spionage. Hier nicht, hier freut man sich über die Investitionen, weil die chinesische Technik besonders effizient ist", so Politikwissenschaftler Giorgio Romano.
    Dass chinesische Autohersteller nun nach Brasilien expandieren, sei aus brasilianischer Sicht eine durchweg gute Nachricht, so Romano. "China erweitert die Optionen. Und das gibt Ländern wie Brasilien mehr Verhandlungsspielraum. Auf einmal gibt es einen Konkurrenten zu europäischen und amerikanischen Firmen. Einen Konkurrenten, der vielleicht bessere Bedingungen bietet."
    Anne-Kirstin Berger arbeitet für das ZDF-Studio Rio de Janeiro.

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