Wirecard-Prozess: Braun weist Anklagevorwürfe zurück

    Angeklagter im Wirecard-Prozess:Braun: "Keinerlei Kenntnisse von Fälschungen"

    Peter Aumeier
    von Peter Aumeier
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    Wirecard gilt als der größte Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte. Hauptangeklagter ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende Markus Braun. Heute hat er erstmals ausgesagt.

    "Ich weise alle Anklagepunkte zurück"- schon mit seinen ersten Worten macht Markus Braun, Ex-Wirecard-Vorstand und Hauptangeklagter klar: Er sei kein Betrüger.

    Ich hatte keinerlei Kenntnis von Fälschungen und Veruntreuungen. Ich habe mich auch mit niemandem zu einer Bande zusammengeschlossen.

    Markus Braun, Hauptangeklagter im Wirecard-Prozess

    Der Zusammenbruch des ehemaligen Dax-Unternehmens Wirecard im Juni 2020 sei für ihn "ein Schockerlebnis" gewesen.

    Ich habe ein tiefes Bedauern für die Aktionäre und die Mitarbeiter.( ... ) deshalb wird es auch kein leichter Pfad für mich.

    Markus Braun, Hauptangeklagter im Wirecard-Prozess

    Braun: Wollte "gegen den Strom schwimmen"

    Braun gibt sich konzentriert, selbstbewusst, aber zugänglich. "Unterbrechen Sie mich ruhig“, sagt er zum Richter. Er spricht frei, erzählt von seiner Kindheit, seinem Werdegang: aufgewachsen als behütetes Kind, habe mit fünf Jahren Geige gelernt, sich aber schon früh entschieden, "gegen den Strom zu schwimmen".
    Randlose Brille, schwarzer Rollkragenpullover, schwarzes Jackett. Brauns Kleidungsstil ist immer derselbe und Teil seiner Inszenierung. Gerne umgibt er sich mit einer Aura des Geheimnisvollen.
    Frühere Anhänger sahen in ihm eine charismatische Figur wie Steve Jobs, den legendären Apple-Gründer. Braun spricht ohne jede erkennbare Nervosität wie früher auf Bilanzpressekonferenzen:

    Vor Kameras habe ich mich noch nie irritieren lassen.

    Markus Braun, Hauptangeklagter im Wirecard-Prozess

    Das Medieninteresse ist groß - besonders auch aus Österreich. Braun ist Österreicher, hatte enge Kontakte zum österreichischen Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Die beiden duzten sich.
    [Wirecard war "Geldwäscheanlage": De Masi im ZDF-Interview]

    Kontakt mit Jan Marsalek

    Zwei Monate nach Prozessbeginn ist heute Brauns Tag. Es ist das erste Mal, dass er sich in dem Verfahren selbst äußert. Er erzählt, wie er den ehemaligen Finanzvorstand Jan Marsalek kennenlernte. "Er war 20 Jahre alt, ein Mann mit überragenden Fähigkeiten." Und auch Österreicher.
    Marsalek war kurz vor dem Kollaps untergetaucht und wird seitdem mit internationalem Haftbefehl gesucht.
    Medienberichten zufolge soll er in Russland unter Schutz des Geheimdienstes leben. Was Braun nicht sagt, aber mit seiner Aussage klar macht: Der andere Angeklagte im Gerichtssaal, Ex-Manager Oliver Bellenhaus, sei ein Lügner.

    Durch Aussagen von Kronzeuge Bellenhaus belastet

    Bellenhaus hatte Braun mit seinen Aussagen schwer belastet, gilt als Kronzeuge der Anklage. Oliver Bellenhaus, der als ehemaliger Statthalter von Wirecard in Dubai das wichtige Drittpartner-Geschäft in Asien verantwortete, hatte erklärt, Braun habe bei dem mutmaßlichen Milliardenbetrug Wirecards eine zentrale Rolle gespielt.
    Oliver Bellenhaus (Mitangeklagter und Kronzeuge) im wirecard-Prozess
    Oliver Bellenhaus (Mitangeklagter und Kronzeuge) im Wirecard-Prozess (hinten rechts, mit Maske)
    Quelle: Sven Simon

    Damit bestätigt Bellenhaus die Vorwürfe der Anklage, der zufolge eine Betrügerbande rund um Braun Milliardenumsätze mit sogenannten Drittpartnerfirmen erfand. Schriftliche Belege, dass Braun Kopf dieser kriminellen Bande gewesen sei, fehlen bislang.

    Prozess mit großen Sicherheitsvorkehrungen

    Seit dem ersten Verhandlungstag hatten Brauns Verteidiger versucht, Bellenhaus als unglaubwürdig darzustellen. Während Markus Braun spricht, sitzt Oliver Bellenhaus regungslos genau eine Reihe hinter ihm. Etwa 100 Zuhörer - die Hälfte davon Medienvertreter - hören Brauns Ausführungen.
    Im fensterlosen Hochsicherheitsgerichtssaal, tief unter der Erde mit bombensicherer Betondecke, dringen keine Geräusche von außen herein.

    Gefälschte Bilanzen - Banken geschädigt

    Im Juni 2020 war der frühere Dax-Konzern Wirecard zusammengebrochen, als bekannt wurde, dass 1,9 Milliarden Euro in der Kasse fehlten. Neben Ex-Vorstand Markus Braun sitzen der Ex-Manager Oliver Bellenhaus und Stephan von Erffa, der ehemalige Chefbuchhalter, auf der Anklagebank.
    Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Bandenbetrug und Untreue vor. Der Wirecard-Prozess gilt als der größte Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte.
    Laut Anklage sollen die Angeklagten mit gefälschten Bilanzen die kreditgebenden Banken um 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben.
    Bei einer Verurteilung drohen Braun bis zu zehn Jahren Haft.
    Peter Aumeier ist Korrespondent im ZDF-Landesstudio München.

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