Packt Markus Braun aus? Wirecard-Chef steht vor Gericht

    Drittes Weihnachten in U-Haft:Ex-Wirecard-Chef vor Gericht - Packt er aus?

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    Wird Markus Braun über den Wirecard-Skandal auspacken? Er hat nun die Möglichkeit, den größten Skandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte aufzuklären.

    Egal, ob Markus Braun spricht oder nicht - der Prozess gegen ihn und zwei frühere Manager im Landgericht München 1 wird sich ganz zentral auch um das Miteinander bei Wirecard drehen. Denn dass in dem Konzern lange unverborgen so betrügerisch agiert werden konnte, wird auch dem 18 Jahre an der Spitze stehenden Braun und dessen Führungsverständnis zugeschrieben.
    Von einem "System nach dem Prinzip 'teile und herrsche'" berichtete die Münchner Staatsanwaltschaft, von einem "militärisch-kameradschaftlichen Korpsgeist und Treueschwüren" sowie von psychischem Druck. Hinter all dem soll der frühere Vorstandschef mit seiner als kühl beschriebenen Art der Menschenführung stehen.
    Für Braun steht jetzt das dritte Weihnachtsfest an, das er in Untersuchungshaft verbringen muss. 2020 ließ ihn die Staatsanwaltschaft festnehmen. Nach erfolglosen Haftbeschwerden blieb er im Gefängnis.

    Einst hatte Braun das beste Image aller Dax-Firmenchefs

    Der tiefe Fall des Markus Braun lässt sich an einer Episode gut darstellen: Anfang 2019 wurde ihm von einer Fachagentur auf Grundlage der Auswertung von Presseberichterstattung das beste Image aller Vorstandschefs der damals noch 30 Dax-Konzerne zugeschrieben. Doch das positive öffentliche Bild kehrte sich ins Gegenteil mit dem Bekanntwerden der Scheingeschäfte, die die Bosse von Wirecard in Milliardenhöhe verbucht haben sollen.
    Über Braun sind nur grobe Züge seiner Vita bekannt, er legte einen hohen Wert auf Diskretion. Der Österreicher kam 1969 in Wien zur Welt, allgemein angenommen als Geburtsdatum wird der 5. November - ob dies auch tatsächlich so ist, wird sich wohl erst vor dem Münchner Landgericht erweisen.
    Braun studierte Wirtschaftsinformatik in Wien und promovierte dort auch parallel zu seiner ersten beruflichen Station bei einer Unternehmensberatung. Seine erste Station in Deutschland war in München die Unternehmensberatung KPMG, bevor Braun dann bei der InfoGenie AG landete.
     Untersichtiger Blick auf vier Hochhäuser, darüber blauer Himmel.
    Der Wirecard-Skandal rückt die großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen in den Fokus. Mit ihren Abschlussprüfungen sollen sie Vertrauen in die Unternehmen schaffen. Trügt der Schein?12.11.2021 | 43:36 min

    Braun wird Wirecard-Chef mit Anfang 30

    Braun behauptete sich als Krisenmanager bei InfoGenie und blieb auch, als dieses mit Wire Card fusionierte und schließlich zu Wirecard wurde. Schon 2002, also mit gerade mal Anfang 30, wurde er Vorstandschef. Weil er sich schon in den Jahren davor auf digitale Bezahlverfahren spezialisiert hatte, galt er als ideale Besetzung.

    Eine Recherche der Financial Times deckte Anfang Februar 2019 auf, dass Wirecard-Mitarbeiter in Singapur Kunden und Umsätze erfunden hätten, um eine Geschäftslizenz in Hongkong zu erhalten und die Ertragsziele von Wirecard zu erreichen. Im Oktober erneuerten Berichte der Financial Times den Vorwurf der Manipulation bei Wirecard. Interne Unterlagen würden nahelegen, dass Wirecard zu hohe Umsätze und Gewinne bei Tochtergesellschaften angegeben habe.

    Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wurde von Wirecard mit einer Sonderprüfung beauftragt. Das Ergebnis der KPMG-Untersuchung wurde Ende April 2020 veröffentlicht. Danach konnten nicht alle Daten vollständig ausgewertet und somit die Vorwürfe nicht völlig ausgeräumt werden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erstattete Anfang Juni 2020 wegen Verdacht auf Marktmanipulation Anzeige, dieses Mal gegen den Vorstandsvorsitzenden Braun und drei weitere Vorstandsmitglieder; die Staatsanwaltschaft ließ die Geschäftsräume von Wirecard durchsuchen. Die Wirtschaftsprüfung EY hatte die mutmaßlich gefälschten Bilanzen des früheren Dax-Konzerns über Jahre testiert.

    Mit der Zahlungsabwicklung für Pornoseiten und Glücksspiele konnte sich das Unternehmen etablieren. Später behauptete Braun, das schmuddelig klingende Geschäft spiele praktisch keine Rolle mehr. Er wollte den Dax-Konzern als sauberen Vorzeigekonzern darstellen. Persönlich unterhielt er enge Kontakte in die Politik, den mittlerweile unter Korruptionsverdacht stehenden früheren österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz beriet er, beide duzten sich.
    Der frühere Wirecard-Chef hat also viel zu erzählen - ob er das will und auspacken wird, dürfte sich schon bald zeigen.

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    Quelle: Ralf Isermann, AFP

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