Klimawandel in Brandenburg: Wie der Wald sich selbst hilft

    Klimawandel in Brandenburg:Wie der Wald sich selbst hilft

    von Katrin Lindner
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    "Freilandlabor" nennt Experte Ibisch ein Stück Wald, das einst Forst war und nun seine eigenen wilden Wege geht, in Brandenburg. Er hofft auf ein Umdenken in der Forstwirtschaft.

    Eberswalde
    Im Nationalpark Unteres Odertal wachsen inzwischen viele verschiedene Baumarten.
    Quelle: ZDF

    "Ich sehe hier eine großartige Explosion des Lebens an einer Stelle, wo es vor kurzem ganz anders aussah." Wenn Pierre Ibisch und Dirk Treichel über abgestorbene Kiefern klettern, graben sich keine Sorgenfalten in ihre Gesichter. Obwohl Stürme, Trockenheit und Hitze auf dem Gelände des Schöneberger Forsts im Nordosten Brandenburgs gewütet haben.
    Die Region gehört zu den trockensten und wärmsten in Deutschland und zeigt, was eintreten kann, wenn die Klimaerwärmung so weiter geht. Erst sind die gepflanzten Fichten, dann die Kiefern abgestorben. Und trotzdem freut sich Waldexperte Pierre Ibisch:

    Wir stehen in einer einstigen Nadelbaum-Monokultur und es war hier dunkel und es gab keine anderen Bäume bis vor kurzem.

    Pierre Ibisch, Professor für Nature Conservation

    Wald
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    Bäume können sich den besten Fleck suchen

    Jetzt wachsen ganz dicht Ahornbäume und noch viel mehr. Die Natur arbeitet mit Vielfalt, weiß Pierre Ibisch, der als Professor für Nature Conservation an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde lehrt. "Die Natur arbeitet mit größeren Zahlen, also so dicht wie hier hätte niemand Ahornbäume gepflanzt. Das heißt, hier können Bäume ausprobieren, welcher Fleck am besten ist."

    Die Natur arbeitet mit Chaos.

    Pierre Ibisch, Professor für Nature Conservation

    Neben den Ahornbäumen wachsen Brombeersträucher, Farne, Himbeersträucher, Weißdorn, Holunder, Buchen und Eichen.
    choriner-wald
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    Wie sich die Natur im "Freilandlabor" entwickelt

    Neben ihm im "Freilandlabor" läuft Dirk Treichel, Leiter des Nationalparks Unteres Odertal. Der Schöneberger Forst gehört seit 1995 zu seinem Nationalpark, die Bäume wurden einst von Menschen gepflanzt, aber seit 2011 gibt es keine Bewirtschaftung mehr. Viele Bäume sind abgestorben und stehen noch. Wenn ein Sturm sie umweht, bleiben sie dort liegen, wo sie hinfallen und verrotten ganz langsam. Es sieht aus, als hätten Riesen Mikado gespielt. An einigen Stellen kommt man kaum noch durch.
    Eberswalde
    Pierre Ibisch und Dirk Treichel im "Freilandlabor".
    Quelle: ZDF

    Nationalparkleiter Dirk Treichel zeigt auf umgestürzte Bäume und ihre Wurzelballen, die auf dem Boden liegen. "Diese Wurzelteller sind ein Keim-Bett für zukünftige Bäume," erklärt er. Denn an ihrem Wurzelballen liegt nun Erde frei und hier können sich Samen ansiedeln. Samen brauchen offenen Boden, weiß Treichel. Der Natur geht es um Dinge wie Mikroklima, Schutz vor Abfressen durch Wild und ewige Bodenverbesserung.
    Grafik mit Baum oberirdisch und Wurzelwerk unterirdisch
    Im Forschungszentrum Jülich leisten Forschende Pionierarbeit in der Wurzelforschung. Hier sieht man den Wurzeln beim Wachsen zu. 15.06.2021 | 4:42 min

    Altes Holz wird zum Wasserspeicher

    Waldexperte Ibisch wird mit einem Handgriff zum Zauberkünstler: Er nimmt ein Stück verrottetes Holz in die Faust und drückt, es kommt Wasser heraus. "Altes Holz speichert Wasser. Das ganze Jahr lang." Eine wichtige Reserve, wenn Trockenheit herrscht und Bäume Wasser brauchen.
    Außerdem schützt es den Boden vor Austrocknung, verrottet zu Humus und die umgestürzten Bäume verhindern, dass zu viel Wild hineinkommt, das gern an Jungbäumen frisst. Wild geht nur ungern in schwer zugängiges Gebiet, denn dann kann es nicht mehr rechtzeitig vor Feinden flüchten, wie dem Wolf, der hier wieder heimisch ist.
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    Wälder gehören zu den wichtigsten Ökosystemen unserer Erde. Sie funktionieren wie eine natürliche Klimaanlage, indem sie Wasser verdunsten und so ihre Umgebung kühlen.21.03.2023 | 0:40 min

    Ibisch: Nationalpark als Inspiration für Waldbesitzer

    Pierre Ibisch hofft auf ein Umdenken in der Forstwirtschaft und eigentlich auch bei jedem Einzelnen. "Ich würde Waldbesitzern raten, sich diese Situation anzuschauen, sich hier inspirieren zu lassen und zu merken, dass es nicht immer das Beste ist, ganz aktiv zu wirtschaften, Geld in die Hand zu nehmen, sondern einfach auch mal Geduld zu haben und die Natur machen zu lassen."

    Und das ist kostengünstig und vermutlich die bessere Lösung.

    Pierre Ibisch, Professor für Nature Conservation

    Und dann gehen Pierre Ibisch und Dirk Treichel weiter und klettern über das nächste Hindernis: wieder eine umgestürzte Kiefer.

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