Newsletter ZDF-Fernsehrat:Nicht hinter Meilensteine zurück
Die Arbeit eines Diversity Managers und einer Gleichstellungsbeauftragten sind eng verwandt – und doch gibt es Unterschiede in den Aufgaben. Darüber und über Erreichtes und weitere Herausforderungen sprechen Stephanie Keppler und Frank Rusko im Doppelinterview.
Der ZDF-Diversity-Manager Frank Rusko und die ZDF-Gleichstellungsbeauftragte Stephanie Keppler
Quelle: ZDF/Ulrike Lenz#Fernsehrat: Frau Keppler, auf den ersten Blick scheint die Arbeit eines Diversity Managers und einer Gleichstellungsbeauftragten ähnlich. Was findet sich in Ihrer Arbeit, was sich bei einem Diversity Manager nicht findet?
Stephanie Keppler: Die Grundlage meiner Arbeit ist der gesetzliche Auftrag in Artikel 3 des Grundgesetzes: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt". Vor 30 Jahren wurde im ZDF eine Dienstvereinbarung zur Frauengleichstellung verabschiedet, die an Relevanz und Aktualität nur wenig verloren hat. In drei Jahrzehnten wurde viel erreicht und doch noch nicht genug. Ich habe eine aktive Mitbestimmungsrolle in Personalvorgängen, in denen eine Unterrepräsentanz von Frauen vorliegt. Ich arbeite inhaltlich weisungsfrei. Auch habe ich die Aufgabe, als Vertrauensperson für die Belegschaft zu fungieren – für alle Geschlechter.
#Fernsehrat: Herr Rusko, an welcher Stelle gibt es zwischen Ihnen und der Gleichstellungsbeauftragten Synergien und auch Überschneidungen?
Frank Rusko: Die Antwort ist ein Wort: Intersektionalität. Das bedeutet, dass Menschen nicht nur eine Identität, Erfahrung oder Perspektive haben. Verschiedene Merkmale (wie z. B. Geschlecht, Aussehen, Herkunft, soziale Klasse, Behinderung, Glaube) überschneiden sich und bestimmen gemeinsam, wie jemand Diskriminierung erlebt oder welche Privilegien der einzelne Mensch genießt.
Erlebte Benachteiligungen basierend auf Rassismus, Sexismus, Ableismus oder auch Homophobie können sich nicht nur überschneiden, sondern sogar gegenseitig verstärken.
Unser gemeinsames Ziel ist es, diese thematischen Verflechtungen für die Mitarbeitenden im ZDF durch unsere Arbeit sichtbar und verständlich zu machen. Damit wollen wir alle unterstützen, sich dieser Zusammenhänge bewusster zu werden, um als Führungskräfte oder Kolleg*innen im Miteinander einander gerechter zu werden. Am Ende steht ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld.
#Fernsehrat: Herr Rusko, was ist beim strategischen Diversity Management in einem öffentlich-rechtlichen Sender das Charakteristische?
Rusko: Ich erkenne da zunächst keine Charakteristik des Öffentlich-Rechtlichen im herkömmlichen Sinn des Diversity Managements für mich. Das ZDF ist in der Medienlandschaft ein Unikat. Die Unternehmensstruktur ist im Vergleich zur ARD oder dem privaten Wettbewerb einmalig. Der Wettbewerbsvorteil des ZDF liegt darin, in allen Bundesländern als eine Organisation vertreten zu sein und damit die Lebenswirklichkeiten und Lebensperspektiven direkt einbeziehen zu können. Das ist ein wichtiger Aspekt im strategischen Diversity Management. Neben den klassischen Vielfaltsdimensionen sind Stadt-Land, Ost-West oder Nord-Süd im gegenseitigen Verständnis der Lebenswirklichkeiten wichtig in den Direktionen, Redaktionen und Teams. Das würde ich als Charakteristik auf den zweiten Blick bezeichnen, und das gilt es im Diversity Management für das ZDF auf dem Schirm zu haben.
#Fernsehrat: Frau Keppler, der Anteil von Frauen im ZDF liegt mittlerweile bei über 50 Prozent, der Anteil der Frauen bei den Führungskräften liegt nach kurzer Stagnation erstmals über 45 Prozent. Ist damit das wichtigste Ziel schon erreicht?
Keppler: Das Ziel bleibt die Parität, auch bei Frauen in Führung. Die 45 Prozent sind ein Meilenstein, dahinter wollen wir nicht mehr zurückfallen. Insbesondere in der technisch geprägten Produktionsdirektion soll der Frauenanteil insgesamt und auch bei den Führungspositionen steigen. Da zeigen gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen wie "female leadership" und "FührungTalent" Wirkung. Erste Modelle geteilter Führung rücken ZDF-weit in den Fokus, um Mitarbeitende in allen Lebensphasen anzusprechen. Auch davon verspreche ich mir positive Effekte, schließlich sind 80 Prozent der in Teilzeit Beschäftigten Frauen.
#Fernsehrat: Frau Keppler, abgesehen von einer geschlechter-paritätischen Besetzung der Stellen - welche Themen stehen noch auf Ihrer Agenda?
Keppler: Ganz klar die klischeefreie Nachwuchsförderung insbesondere in technischen Berufen, die wir beispielsweise mit Projekten wie dem "Girls‘ Day" früh attraktiv gestalten. Daneben halte ich es in meiner Rolle auch für wichtig, gesellschaftliche Entwicklungen aufzunehmen und sichtbar zu machen, wie etwa im Rahmen der "Orange Days", an denen wir auch im ZDF Haltung zeigen gegen Gewalt an Frauen. Denn Gleichstellung ist eine gemeinschaftliche Anstrengung, von der alle profitieren. Auch Themen wie Frauengesundheit, Entgelttransparenz, und Sensibilisierung gegen strukturellen Sexismus in der Arbeitswelt und dessen Auswirkungen haben ihren Platz auf meiner Agenda.
Verantwortung:Gleichstellung
#Fernsehrat: Herr Rusko, Sie und die Geschäftsleitung müssen die unterschiedlichsten Dimensionen von Diversität im Blick behalten. Welche sind das und wie führt man diese unterschiedlichen Dimensionen zusammen?
Rusko:Die sieben Vielfaltsdimensionen der Charta der Vielfalt sind Alter, körperliche und geistige Fähigkeiten, Geschlecht und geschlechtliche Identität, Migrationsgeschichte und Nationalität, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft. Daraus abgeleitet resultiert Vielfalt in den Identitäten, Lebensentwürfen und Hintergründen die jede*r mitbringt. Ein gutes strategisches Diversity Management umfasst die vorgenannte Vielfalt, Chancengerechtigkeit in der Entwicklung für alle, ein inklusives Arbeitsumfeld in dem jede*r gehört wird und sich einbringen kann sowie die gelingende Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Wenn dies alles gut zusammenwirkt, dann führt das zu Zugehörigkeit. Sie ist der Goldstandard des Diversity Managements. Dahin führt nachhaltiges Diversity Management – in ein Gefühl der Zugehörigkeit, um sich als Mensch gut aufgehoben und wohlzufühlen und sich dadurch mit den eigenen Stärken bestmöglich einbringen zu können. Für die kommenden Jahre ist der Zugewinn an unterschiedlichen sozialen Herkünften, mehr migrantischen Perspektiven, mehr regionalen / ostdeutschen Perspektiven und die Stärkung von Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben das Ziel.
#Fernsehrat: Was ist für Sie die wichtigste Fähigkeit, die Sie mitbringen, um als Gleichstellungsbeauftragte und als Diversity Manager wirken zu können?
Keppler: Empathie. Empathie, sich in Kolleginnen hineinzuversetzen, sie zu unterstützen. Empathie aber auch für Entscheider*innen, die Neuerungen wie Shared Leadership umsetzen oder sich plötzlich mit Buzzwords wie "Male Allyship" und "Gender Bias" konfrontiert sehen. Und damit nicht genug: Authentizität und Nahbarkeit sind genauso wichtig wie Geduld und Hartnäckigkeit. Denn Gleichstellungsarbeit bedeutet das berühmte Bohren dicker Bretter.
Rusko: Aus meiner Sicht sind es ehrlicherweise drei Fähigkeiten, die für mich zählen. Zuhören können, um verstehen zu wollen. Mich und meine Perspektive immer wieder selbst in Frage zu stellen. Es gibt so viele vielfaltsbezogene Wissensgebiete und thematische Nischen, die fortlaufend zu neuen Erkenntnissen führen. Deshalb ist es wichtig, nicht die Neugierde zu verlieren, mich mit neuem Wissensstand auseinanderzusetzen.
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