Cyber-Bedrohung "immer noch im roten Bereich"

    Sicherheitsbehörden alarmiert:Cyber-Bedrohung "immer noch im roten Bereich"

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    Sie machen keinen Halt vor Regierungen, greifen Unternehmen und kritische Infrastruktur an: Cyberkriminelle. Sicherheitsbehörden sehen Deutschland immer noch schlecht gerüstet.

    Deutsche Sicherheitsbehörden sehen die Bedrohungslage im Cyberraum aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine weiterhin sehr angespannt. Angriffe im Zusammenhang mit pro-russischen Akteuren hätten zugenommen, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, bei einer Konferenz zur Cybersicherheit am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. "Wir haben aber noch schlimmere Szenarien angenommen."
    Der Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes, Wolfgang Wien, sagte angesichts des Ukraine-Krieges: "Wir müssen davon ausgehen, dass der Konflikt nicht zu Ende ist, und er wird auch nicht schnell zu Ende gehen." Daher sei mit einer Zunahme von Angriffen zu rechnen.
    Cyberangriffe: Wie gut ist Deutschland gerüstet?
    Was lässt sich gegen diese Art von Kriminalität unternehmen?19.04.2023 | 2:36 min

    Zweimal nur knapp an der Krise vorbei gehackt

    Deutschland sei im vergangenen Jahr in zwei Fällen nur knapp an einer Krise vorbeigeschrammt, sagte der Vizepräsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Gerhard Schabhüser. Zum einen habe ein russischer Angriff auf ein Satellitensystem auch die Fernwartung vieler Windkrafträder in Deutschland lahmgelegt.
    Zum anderen sei die Versorgung mit Benzin und Mineralöl im Nordosten Deutschlands durch einen vermutlich pro-westlichen Hackerangriff auf die Deutschland-Tochter des russischen Energiekonzerns Rosneft gefährdet worden. "Es war ein relativ kleiner Angriff, aber mit großer Wirkung." Schabhüser sagte:

    Wir befinden uns immer noch im roten Bereich.

    Gerhard Schabhüser, BSI-Vizepräsident

    Häufig beschränkten sich die Cyberangriffe jedoch auf sogenannte DDoS-Attacken, mit denen die Erreichbarkeit von Webseiten durch massenhafte Abfragen eingeschränkt werde, sagte Schabhüser.
    Johannes Rundfeldt, Sprecher der "Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen"
    "Wer sich dagegen nicht verteidigt, der erlebt die Ausfälle, der erlebt die größeren Zwischenfälle, wo dann wochenlang nichts geht", sagt Johannes Rundfeldt, Sprecher der "Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen".19.04.2023 | 4:37 min
    Die größte Bedrohung für Wirtschaft und Kommunen sieht der BSI-Vizepräsident in Ransomware-Angriffen, bei denen Cyberkriminelle von ihren Opfern Lösegeld fordern. Er verwies auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld, in dem wegen einer Attacke im vergangenen Jahr 207 Tage lang wichtige Bürger-Dienstleistungen nicht funktionierten. Er rief vor allem die kleineren Kommunen dazu auf, IT-Dienstleistungen an geeignete Profis auszulagern: "Macht Eure IT nicht selbst, sondern nutzt Dienstleister."

    Cyber-Beauftragte beklagt Mangel an Ressourcen

    Die Cyber-Botschafterin im Auswärtigen Amt, Regine Grienberger, kritisiert unterdessen Versäumnisse beim Schutz vor Cyber-Angriffen. Die Diplomatin sagte im RBB-Inforadio:

    Bisher war Cybersicherheit irgendwie so ein Nachgedanke. Das heißt, man hat seine digitale Infrastruktur aufgebaut, eine Verwaltung digitalisiert zum Beispiel - aber für Cybersicherheit gab es eben zu wenig Geld, zu wenig Ressourcen.

    Regine Grienberger, Cyber-Botschafterin im Auswärtigen Amt

    Zudem gebe es einen "Expertenmangel", sagte Grienberger. "Die Folgen dieser Nachlässigkeit sieht man eben jetzt an solchen erfolgreichen Cyber-Angriffen." Für die Cyber-Sicherheit sei nicht allein der Staat verantwortlich, viele müssten daran mitwirken, sagte sie. Es gebe einen großen Bedarf technisch voranzukommen, um schneller als Kriminelle zu sein.
    Quelle: dpa, AFP

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