Wankt der Mythos Bayreuth? Wagner-Festspiele im Umbruch

    Wankt der Mythos Bayreuth?:Richard-Wagner-Festspiele im Umbruch

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    von Barbara Lueg
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    Die Festspiele versprechen eine Revolution. Ein digitales Experiment. Zum ersten Mal wird das Bühnenbild durch Augmented Reality erweitert. Doch hinter den Kulissen brodelt es.

    Festspiele Bayreuth
    Jeden Sommer wird der Rote Teppich zu den Bayreuther Festspielen ausgerollt. Doch dieses Jahr ist einiges anders. Die Wagner-Festspiele sind zum ersten Mal nicht ausverkauft.26.07.2023 | 2:27 min
    Es ist Montagabend. Eine laue Sommernacht. Hinter dem Festspielhaus versinkt die Sonne glutrot. Auf der Wiese sitzen Menschen auf Decken, picknicken, blicken kauend zur Bühne und lauschen der Musik. Auch Emilia, 18 Jahre, ist hier. Sie stammt aus einer wagnerverrückten Familie und gerät ins Schwärmen.
    "An Wagners Musik fasziniert mich die ungeheure Intensität und Tiefe, mit der Gefühle wie Hass, Liebe und Leidenschaft transportiert werden", erzählt sie und blickt wieder zur Bühne. Die Geigen schwellen wagnertypisch an. Festspiel-Open-Air-Konzert am Vorabend der Premiere.
    Festspielhaus in Bayreuth
    Das Festspielhaus in Bayreuth ist Schauplatz der Richard-Wagner-Festspiele. Doch zuletzt spielten sich auch Abseits der Bühne Dramen ab.
    Quelle: dpa

    Bayreuth erstmals nicht ausverkauft: Droht die "Wagnerdämmerung"?

    Der Eintritt ist frei. So versucht Katharina Wagner, die künstlerische Leiterin, die Musik ihres Urgroßvaters für alle zugänglich zu machen. Doch in diesem Jahr plagen die 45-jährige ganz andere Sorgen. Zum ersten Mal in der Geschichte sind die Bayreuther Festspiele nicht ausverkauft. Und die ersten Beobachter*innen sprechen bereits von "Wagnerdämmerung".
    Ioan Holender, ehemaliger Direktor der Wiener Staatsoper und intimer Kenner des Grünen Hügels in Bayreuth, geht noch einen Schritt weiter und begründet die sinkende Nachfrage der Tickets mit mangelnder Qualität des Festspielorchesters und ziemlich umstrittenen Inszenierungen.

    Für mich ist der schleppende Kartenverkauf in Bayreuth ein Signal für die gesamte Opernlandschaft Deutschlands.

    Ioan Holender, Bayreuth-Kenner

    "Denn was machen Sie, wenn Sie etwas essen, wovon Sie sich viel versprochen haben, aber es schmeckt Ihnen nicht? Na, dann werden Sie das Gleiche eben nicht mehr bestellen", so Holender.
    Die Intendantin der Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner, steht mit zusammengefalteten Händen in schwarzer Kleidung vor einer braunen Wand im Festspielhaus.
    Wagner-Urenkelin und Intendantin der Festspiele in Bayreuth: Katharina Wagner. (Archivbild)
    Quelle: dpa/ Nicolas Armer

    Bayreuth in der Grundsatzdebatte: Innovation vs. Tradition

    Die Debatte spiegelt auch einen grundsätzlichen Richtungsstreit zwischen Reformern und Bewahrern in Bayreuth. Katharina Wagner sieht sich als Erneuerin und kämpft schon länger für moderne Innovationen auf der Bühn. Und damit gegen Traditionalisten, die sich auch unter den Gesellschaftern der Festspiele tummeln.
    "Wir werden Ende des Jahres mit Katharina Wagner über ihre Vertragsverlängerung sprechen", sagt Georg von Waldenfels, Chef des Verwaltungsrats und der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth und fügt hinzu:

    Den 'Mythos Bayreuth' wollen wir natürlich auf jeden Fall erhalten.

    Georg von Waldenfels, Chef des Verwaltungsrats und der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth

    Ein digitales Experiment soll Eindruck machen

    Ob das heute mit der Parsifal-Inszenierung gelingen wird? Der Amerikaner Jay Scheib, Professor am renommierten Massachusetts Institute of Technology, erweitert das Geschehen mit Hilfe von Augmented Reality (AR) von der Bühne digital in das gesamte Opernhaus.

    Wir heben die Schwerkraft auf - und die Welt des Parsifal mit Hexen, Schwertern und Männerbünden wird aus den Fugen geraten.

    Jay Scheib, "Parsifal"-Regisseur

    "Parsifal"-Regisseur Jay Scheib mit AR-Brille im Saal der Bayreuther Festspiele
    Novum auf dem Grünen Hügel: "Parsifal"-Regisseur Jay Scheib mit AR-Brille im Saal der Bayreuther Festspiele.
    Quelle: dpa

    Leider kommt heute nur etwa ein Sechstel der Premierengäste in den Genuss, diese digitalen Welten auch wirklich zu sehen. Denn das Geld reichte im Vorfeld nur für 330 AR-Brillen. Die restlichen knapp 1.700 Gäste müssen sich mit dem analogen Bühnengeschehen begnügen. Absurd? Schlechte Planung?
    Katharina Wagner sagt: "Ich bin dennoch froh, dass ich trotz aller technischen Schwierigkeiten an diesem Projekt festgehalten habe und hoffe, dass in den nächsten Jahren weitere AR-Brillen angeschafft werden können."
    Ob sie selbst dann noch Festspielchefin sein wird - wer weiß...

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