Warum der Aprilscherz in der Krise steckt

    April, April…:Warum der Aprilscherz in der Krise steckt

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    Am 1. April legt man sich gerne gegenseitig herein. Woher die Tradition stammt, wann eine Lüge hilfreich sein kann und warum der Aprilscherz in einer Krise stecken könnte.

    Eine Frau hat hinter ihrem Rücken die Finger gekreuzt.
    Flunkern, foppen, scherzen oder veräppeln: Am 1. April wird gern aufs Korn genommen.
    Quelle: dpa

    "Die 37 besten Aprilscherze" verrät ein Shopping-Portal im Internet. "10 Aprilscherze, mit denen du jeden auf die Palme bringst", verkündet die Tageszeitung. Und mit geheimnisvollen "Aprilscherzen nur für Erwachsene" macht eine Frauenzeitschrift auf sich aufmerksam.
    Das "in den April Schicken" ist vor allem in christlich geprägten Ländern und in Indien verbreitet. In den USA etwa feiert man den 1. April als den "April Fool's Day", in Frankreich und in Italien wird der Gefoppte als "Aprilfisch" bezeichnet. Wissenschaftlich gesichert ist, dass die Redensart "in den April schicken" in Deutschland 1618 in Bayern erstmals auftaucht.
     1. April
    Der April startet traditionell mit einem Scherz. Ein guter Grund, um sich dieses Datum genauer anzuschauen.26.03.2022 | 43:35 min

    Warum wir uns am 1. April aufs Korn nehmen

    Schon bei der Tradition des Aprilscherzes scheiden sich die Geister. Eine klare Herkunftsgeschichte gibt es nicht. Allerdings ist eine Annahme laut Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder von der Universität Regensburg weit verbreitet:
    Eine Kalenderreform von Karl IX. in Frankreich soll der Auslöser für den alljährlichen Lügentag gewesen sein. Der Monarch verschob 1564 den Jahreswechsel vom 1. April auf den 1. Januar. Alle, die aus Unwissenheit oder Tradition weiter am 1. April Neujahr feierten, wurden als Narren verspottet.

    Kulturwissenschaftler sieht Humor auf dem Rückzug

    Oft sind Aprilscherze politisch unkorrekt, derb und gehen auf Kosten einzelner. Doch hat der Scherz in den vergangenen Jahrhunderten auch Hierarchien durchbrochen, sagt Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder. "Vor 100 Jahren war das Hausmädchen noch Opfer des Aprilscherzes. Gegenüber ihrem Hausherrn durfte sie allerdings noch lange keinen machen." Heute sehe das anders aus.
    Fotomontage mit Reinhold Messner
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    Die moderne Gesellschaft habe den Humor quasi ausgelagert, sagt Hirschfelder. "Wir haben die Produktion von Witz und Scherz an eine professionelle Reflexionselite delegiert, und die heißt dann meinetwegen Mario Barth oder so." Comedians seien heute dafür zuständig, Witze zu machen. Kaum jemand traue sich deshalb noch, selbst Witze zu machen.

    Das heißt, wir sind von einer Gesellschaft, die selber witzig ist, zu einer Gesellschaft geworden, die sich Witze einkauft.

    Gunther Hirschfelder, Kulturwissenschaftler

    Warum der Aprilscherz in der Krise steckt

    Auch deshalb stecke der Aprilscherz in der Krise. "Ich habe den Eindruck, dass wir an einem der üblichen Wendepunkte in der Kultur sind, wo wir eine ganze Reihe von Kulturmustern verlieren und neue bekommen", sagt Hirschfelder. Das gelte auch für Feiertage wie etwa Pfingsten oder den von manchem gefürchteten Freitag, den 13.
    Bis ins 21. Jahrhundert hinein hatte der Aprilscherz Konjunktur, auch in den Medien. In Zeiten digitaler Meetings und sozialer Medien sei er aber nur noch eingeschränkt zeitgemäß, betont Hirschfelder. "Der Aprilscherz wird sich entweder verändern oder verschwinden. Aber wie alles andere in der Kultur kann er nicht so bleiben, wie er ist."

    Laut Philipp Gerlach, Professor für Allgemeine und Sozialpsychologie an der Hochschule Fresenius in Hamburg gibt es verschiedene Arten des Scherzes - oder der Lüge: "Man unterscheidet zum Beispiel im Englischen insbesondere zwischen "white" und "black lies", den weißen und schwarzen Lügen", sagt Gerlach.

    Die schwarzen seien bösartige Lügen - solche, mit denen man sich selbst auf Kosten einer anderen Person bereichere. Unter weißen Lügen werden gemeinhin sozialverträgliche Unwahrheiten verstanden - etwa ein falsches Kompliment."

    Aprilscherz oder Fake News?

    Vor allem im Internet kursieren Unwahrheiten in großer Menge. Der Psychologe Thilo Hartmann sieht im 1. April einen kulturellen Rahmen, der ausnahmsweise bewusstes Lügen rechtfertigt: "Wenn das nicht jeden Tag stattfindet und wir uns darauf einigen, dass es an diesem Tag okay ist, jemanden vorzuführen oder aufs Korn zu nehmen, dann ist das auch durchaus okay und für die meisten ja auch lustig."
    Grundsätzlich sei lügen aber sehr kritisch zu sehen, ordnet Psychologe Gerlach ein. Wer lüge, spiegele seinem Gegenüber eine falsche Vertraulichkeit vor, oftmals um sich selbst besserzustellen. "Und wer häufig lügt, dem wird nicht mehr geglaubt. Also mit anderen Worten: Man setzt seine Reputation aufs Spiel, um kurzfristig etwas Lukratives zu erreichen", sagt Gerlach.
    Montage: Unten im Anschnitt die Erde vom Weltall aus betrachtet. Dahinter im Schatten eine Gruppe von Personen. Eine davon hält Fäden an den Händen, wie ein Marionettenspieler.
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    Quelle: dpa, KNA

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