Leben auf dem Land: Wie Franzosen ihre Dörfer wiederbeleben

    Leben auf dem Land:Wie Franzosen ihre Dörfer wiederbeleben

    von Lukas Nickel
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    Die Menschen auf dem Land in Frankreich fühlen sich vergessen. Mit privaten Initiativen wie Villages Vivants wollen Zugezogene wie Einheimische das jetzt ändern.

    Im französischen Dorf Fontannes hat Marie-Claire Pignol mit Hilfe der Villages Vivants eine kleine Boutique mit Bioprodukten und Café eröffnet.
    Im französischen Dorf Fontannes hat Marie-Claire Pignol eine kleine Boutique mit Bioprodukten und Café eröffnet.
    Quelle: Lukas Nickel

    Auf den ersten Blick wirken Rim Doukali und François Piot in ihren abgewetzten Arbeitsklamotten nicht wie klassische Restaurantbetreiber. Jogginghose, alter Pulli, Leggings mit Flecken vom Bauschutt - im Moment renovieren sie ihren Traum, das Restaurant Auberge de la Vallette, umgeben von Grün mitten auf dem französischen Land.
    Damit hauchen sie dem Dorf Salvizinet auch ein bisschen mehr Leben ein. Der Ort in der Auvergne im Südosten Frankreichs liegt eine Stunde entfernt von Lyon. 600 Einwohner, keine einziges Unternehmen, kein Geschäft, keine Schule. Wer etwas braucht, fährt mit dem Auto in die nächste Ortschaft.
    walde
    Mit „Villages Vivants“ kauft Sylvain Dumas alte Gebäude, renoviert diese und vermietet sie dann an Menschen vor Ort, die eine Geschäftsidee haben. So konnten Dumas und sein Team im todgesagten ländlichen Regionen Frankreichs bereits verschiedene Projekte umsetzen.28.02.2023 | 4:20 min

    Gezielte Investitionen in den ländlichen Raum

    Über die Jahre sind die Menschen in die Städte abgewandert, so geht es vielen Gemeinden in Frankreich. Die Übriggebliebenen kämpfen angesichts einer alternden Bevölkerung ums Überleben.
    Hilfe bei ihrem Restaurant bekommen Doukali und Piot von Villages Vivants, auf Deutsch "lebendige Dörfer". Die Initiative sammelt Gelder ein von privaten und öffentlichen Investoren.
    Mehr als die Hälfte des Budgets 2021 kam zum Beispiel von der öffentlichen Infrastrukturbank Banque des Territoires, die gezielt in Projekte im ländlichen Raum investiert.
    François Piot und Rim Doukali renovieren im französischen Dorf Salvizinet ein altes Restaurant.
    François Piot und Rim Doukali renovieren im französischen Dorf Salvizinet ein altes Restaurant.
    Quelle: Lukas Nickel

    Bürokratische Hürden und hohe Immobilienpreise

    Mit den Geldern kauft Villages Vivants Immobilien und vermietet diese preiswert an Projekte. Ist die für den Kauf benötigte Summe abbezahlt, können die Projektbetreiber die Immobilien günstig erwerben.
    Für Kauf, Renovierung und Ausstattung wie in der Auberge de la Vallette kommen leicht 500.000 Euro zusammen. Eine Summe, für die junge Unternehmer in ländlichen Gegenden bei Banken oft keinen Kredit bekommen würden, erklärt Raphael Boutin Kuhlmann, Mitgründer des Projekts.

    Häufig scheitern Projekte auf dem Land an bürokratischen Hürden und hohen Preisen der Immobilien.

    Raphael Boutin Kuhlmann, Initiative Villages Vivantes

    Die Idee von Villages Vivants sei es, den ländlichen Unternehmen dieses Problem abzunehmen und eine Nutzung der Immobilien auf lange Sicht zu ermöglichen, sagt Kuhlmann. 14 Projekte konnte Villages Vivants so schon unterstützen, darunter eine Brauerei und ein Hotel.

    Vor allem das Umland der Großstädte ist attraktiv

    Kennengelernt haben sich Doukali und Piot beiden ihrer Arbeit als Köchin und als Kellner in einem Restaurant in Lyon. Auf das Land gezogen sind sie wegen der Ruhe und um ein Haus mit Garten zu haben, erzählt Doukali. Das hätten sie sich in der Großstadt Lyon nicht leisten können.
    So wie Doukali und Piot geht es vielen Franzosen. Seit einigen Jahren ziehen mehr Franzosen von der Stadt aufs Land als umgekehrt. Der Trend wurde durch die Corona-Pandemie und Homeoffice verstärkt.

    Auf der einen Seite gibt es viele Menschen, die sich wieder auf dem Land niederlassen wollen. Auf der anderen Seite gibt es große Probleme, die nötige Infrastruktur anzubieten, um ländliche Gegenden attraktiv zu gestalten.

    Pierre-Marie Georges, Vereinigung der ländlichen Bürgermeister in Frankreich.

    Dörfern wie Salvizinet hilft das nichts, denn Menschen wie Doukali und Piot bilden die Ausnahme. Die meisten Städter, das wird bei einem Blick auf die Zahlen deutlich, lassen sich in Stadtnähe nieder. Und in kleinen Orten weiter ab vom Schuss sinkt die Bevölkerung weiter.

    In vielen Dörfen gibt es keine Geschäfte

    So geht es auch dem Örtchen Fontannes, eine gute Autostunde südwestlich von Salvizinet. Hier haben Marie-Claire Pignol und Marjolaine Villuendas mit Hilfe der Villages Vivants eine kleine Boutique mit Bioprodukten und Café eröffnet, direkt neben der Kirche am besten Platz des Ortes.
    Die Regale in dem kleinen Laden sind gut gefüllt mit Lauch, Karotten und Kartoffeln. Eben das, was die Saison gerade hergibt. Kaffee wird für einen Euro in bunten Bechern verkauft. Davor gab es kein Lebensmittelgeschäft mehr in dem Dorf mit 900 Einwohnern.

    Medizinische Versorgung und Freizeitmöglichkeiten fehlen

    Um zu sehen, ob der Laden mit ihrem Bio-Konzept wirklich in dem kleinen Ort läuft, haben sich die Gründerinnen drei Jahre Zeit gegeben. "Nur ein Einkaufsladen rechnet sich hier nicht. Daher bieten wir auch ein Café und einen Lieferservice unserer Produkte an", erklärt Marie-Claire Pignol.
    Dass es neuerdings einen Laden gibt, sieht auch Bürgermeister René Marchaud gerne. Doch schon früher hätten sich Leute an einem Einkaufsladen in dem Dorf probiert und seien mangels Kunden gescheitert. Und die wirklichen Probleme, den Leerstand und das Schwinden der Bevölkerung, werde das auch nicht lösen.

    Nur weil wir jetzt einen Laden haben, siedelt sich sicher kein Arzt in unserem Dorf an.

    René Marchaud, Bürgermeister von Fontannes

    Ladenbesitzerin: Profit ist nicht oberstes Ziel

    Die Leute wünschten sich Freizeitmöglichkeiten für den Abend, zum Beispiel ein Theater, sagt Marchaud.
    Von all dem will Marjolaine Villuendas nichts wissen. Sie kommt aus Fontannes, auch sie hat sich dort zusammen mit Pignol ihren Traum erfüllt.
    "Natürlich müssen wir von dem Laden leben können, aber Profit ist nicht unser oberstes Ziel", sagt sie. Der Laden sei eben ein erster Schritt, das Dorf wiederzubeleben. Irgendwo müsse man ja anfangen.

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