Zwischen Boom und Burnout: Start-up-Gründer unter Druck

Die Meere schützen - davon träumt Sebastian Rakers schon, seit er als kleiner Junge einen Film über Haie gesehen hat. Erst studiert er Meeresbiologie, dann erforscht er als Wissenschaftler für das Fraunhofer Institut, wie der Mensch die Ozeane beeinflusst.

2019 gründet er das Biotech-Start-up "Bluu Seafood". Mit der Herstellung von Fischprodukten aus gezüchteten Fischzellen will er gegen die Überfischung der Meere kämpfen.

Rakers ist Feuer und Flamme und in Gedanken immer bei seiner Start-up-Idee. Dass er nach der ersten Euphorie immer öfters schlechte Laune und schlaflose Nächte hat, verdrängt er zunächst: "Gründen ist für mich Freiheit: Ich kann frei entscheiden, wann ich welche Prioritäten setze. Dabei an dem Thema zu arbeiten, was mich seit Jahrzehnten fasziniert - das ist unglaublich erfüllend."

Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, innere Unruhe - das sind Symptome, die auf ein Burnout hindeuten. Bei Gründern ist das Risiko für diese psychische Erkrankung besonders groß, die Gründe dafür vielfältig: Eine schlechte Work-Life-Balance, das andauernde Streben nach Rentabilität und Schwierigkeiten bei der Einwerbung von Investorengeldern führen zur Dauerbelastung.

Knapp die Hälfte aller Start-up-Gründer erwägen sogar den Abgang aus dem eigenen Unternehmen. Und zusätzlicher Druck entsteht durch die Investoren: Während der Zeit des billigen Geldes sind die Wagniskapitalgebern großzügig. Sie pumpen Millionen in Start-ups. Viele Gründer setzten auf Selbstausbeutung ohne Rücksicht auf Verluste.

Mittlerweile ist die Euphorie verflogen. Die Gründer merken, dass sie ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt haben. Bei den Investoren sitzen die Millionen nicht mehr so locker. Und das macht es für Gründer schwieriger weiteres Geld einzusammeln.

Die Verantwortung für die Millionen, die ihm seine Investoren anvertraut haben und die ständige Suche nach neuem Investorengeld war auch für Rakers belastend. 23 Millionen Euro hatte er von Investoren bekommen und bereits ausgegeben.

Die Anspannung, die er aus dem Job mit nach Hause nimmt, belastet auch das Verhältnis zu seiner Frau. Rakers zieht die Reißleine und engagiert einen Coach. Seitdem kommt der Familienvater mit dem "Mental Load" als Gründer besser zurecht und rät anderen Gründern dazu, sich ebenfalls professionelle Hilfe zu holen.

Der Hamburger Biotech-Gründer Rakers spricht ganz offen darüber, wie ihm sein Coach geholfen hat, mit Druck und Stress besser zurecht zu kommen.

Auch große Investoren reagieren mittlerweile auf die Notlagen ihrer Gründer und steuern aktiv dagegen - entweder, indem sie Start-ups Budget für das Coaching einräumen oder selber Coaching-Netzwerke aufbauen.

Für Investoren ist es im eigenen Interesse sinnvoll, die Gründer an Bord zu halten. Denn der frühe Austritt aus dem Unternehmen gefährdet auch den Erfolg des Start-ups und damit die eigene Investition.

Der Bedarf an Unterstützung ist offenbar so groß, dass einige Gründer das Thema als Geschäftsidee erkannt haben. Unter anderem Gerjet Gefken, der 2018 selbst ein Start-up gegründet hat und nach einem Burnout ausgestiegen ist. Zusammen mit der Psychologin Natascha Prieß gründet er 2022 "Accelerate Health".

Das Start-up bietet in Kooperation mit Acceleratoren-Programmen und Wagniskapitalinvestoren Coachings und Workshops für Gründerinnen und Gründer an.

Wesentlich ist dabei der "Peer-to-peer-Ansatz". Gründerinnen und Gründer sprechen dabei über ihre Ängste und Nöte. Die Erfahrung zeigt: Allein die Erkenntnis, dass andere sich in einer ähnlichen Situation befinden hilft den Betroffenen schon.