Bandengewalt in Haiti: Lynchmorde auf offener Straße

    Gewalt in Port-au-Prince:Haiti: Lynchmorde auf offener Straße

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    Bandenmitglieder in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince sind offenbar von der Bevölkerung auf offener Straße gelyncht worden. Die UN warnen vor kriegsähnlichen Zuständen.

    Polizeibeamte patrouillieren in Port-au-Prince (Haiti), aufgenommen am 24.04.2023
    Polizeibeamte patrouillieren in Port-au-Prince: Am Montag ist die Gewalt dort auf offener Straße eskaliert.
    Quelle: Reuters

    Mehr als ein Dutzend mutmaßliche Bandenmitglieder sind in Haiti gesteinigt oder bei lebendigem Leibe verbrannt worden. Die in einem Kleinbus reisenden, bewaffneten Männer seien nach einer Polizeikontrolle am Montag in Port-au-Prince "leider von Mitgliedern der Bevölkerung gelyncht worden", erklärte die Polizei.

    UN warnen vor kriegsähnlichen Zuständen

    Die Vereinten Nationen (UN) warnten, dass die Sicherheitslage in der haitianischen Hauptstadt immer mehr der in einem Kriegsland gleiche. Wie die Polizei mitteilte, wurden bei der Durchsuchung des Kleinbusses "Waffen und andere Ausrüstung" gefunden. Sie machte weder Angaben zur genauen Opferzahl, noch darüber, wie die Beamten die Obhut über die Verdächtigen verlieren konnten.
    Die Männer wurden von Bewohnern des Stadtteils Canapé-Vert getötet. Auf Fotos waren auf den Straßen liegende verbrannte Leichen zu sehen. Augenzeugen zufolge wurden andere mutmaßliche Bandenmitglieder gesteinigt. Unabhängig bestätigen ließen sich die Angaben nicht.
    Die Gewalt hatte vor Sonnenaufgang begonnen, als Bandenmitglieder Augenzeugen zufolge in mehrere Wohngebiete der Hauptstadt eindrangen, Häuser ausraubten und Bewohner angriffen. AFP-Journalisten berichteten von Familien, die aus den betroffenen Stadtvierteln flohen.

    Morde und Entführungen in Haiti nehmen zu

    Die Vereinten Nationen veröffentlichten unterdessen einen UN-Bericht, in dem die Zunahme von Morden und Entführungen in Haiti hervorgehoben wird. Bewaffnete Banden konkurrieren demnach weiterhin darum, "ihre territoriale Kontrolle im Großraum Port-au-Prince auszuweiten". Die Gewalt breite sich dadurch auch in bisher nicht betroffene Stadtviertel aus, hieß es.
    Angesichts der hohen Todeszahlen und einer zunehmender Zahl von Stadtvierteln in der Kontrolle bewaffneter Banden "hat die Unsicherheit in der Hauptstadt ein Niveau erreicht, das mit Ländern in bewaffneten Konflikten vergleichbar ist", warnt der Bericht.

    Guterres fordert UN-Spezialeinheit in Haiti

    Die Zahl der Mordfälle in Haiti ist in den vergangenen Monaten um 21 Prozent auf 815 im ersten Quartal des Jahres gestiegen. Die Zahl der Entführungen stieg im gleichen Zeitraum um 63 Prozent auf 637. UN-Generalsekretär António Guterres bekräftigte die "dringende Notwendigkeit der Entsendung einer internationalen Spezialeinheit" nach Haiti.
    Der UN-Bericht verweist auch auf die Situation von Bewohnern des Elendsviertels Cité Soleil im Hafengebiet. Dort haben zuletzt Scharfschützen von Dächern aus Passanten auf der Straße erschossen. "Die Bewohner fühlen sich belagert. Sie können ihre Häuser aus Angst vor bewaffneter Gewalt und den von den Banden ausgeübten Terror nicht mehr verlassen", erklärte das Büro für UN-Nothilfekoordination für Haiti.
    Haiti wird seit Monaten von politischer Instabilität und Unruhen erschüttert. Die UN geht davon aus, dass 60 Prozent des Stadtgebietes in Port-au-Prince von bewaffneten Banden kontrolliert werden. Im Juli 2021 wurde Staatspräsident Jovenel Moïse ermordet.
    Haiti gilt als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Es wurde in den vergangenen Jahren zudem von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürmen erschüttert, hinzu kommt aktuell eine Cholera-Welle, die Hunderte Tote gefordert hat.
    Quelle: AFP, AP, KNA

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