Woelki bestreitet vor Gericht Aktenwissen über Missbrauch

    Aufarbeitung von Missbrauch:Woelki vor Gericht: Wusste nur von Gerüchten

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    von Dorthe Ferber
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    Kardinal Woelki hat vor Gericht zu Vorwürfen gegen ihn bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen ausgesagt. Er bestritt, belastende Akten über einen Pfarrer gekannt zu haben.

    Nordrhein-Westfalen, Köln: Kardinal Rainer Maria Woelki (2.v.l) wird im Foyer des Landgerichts von einem Justizbeamten zur Sicherheitsschleuse begleitet.
    Kardinal Rainer Maria Woelki hat vor dem Landgericht Köln zu seiner eidesstattlichen Erklärung über die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen ausgesagt.
    Quelle: dpa

    In einem presserechtlichen Verfahren vor dem Landgericht Köln hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki am Dienstag die Vorwürfe gegen ihn bestritten. Er betonte, bei der Beförderung eines umstrittenen Pfarrers dessen Personalakte nicht gekannt zu haben. Am Schluss musste er seine Aussage auf Wunsch der Gegenseite auch beeiden.

    Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!

    Rainer Maria Woelki, Kölner Kardinal

    Es geht um eine eidesstattliche Erklärung, die Woelki abgegeben hat, um der "Bild"-Zeitung Aussagen zu verbieten. Die hatte im Mai 2021 berichtet, dass Kardinal Woelki 2017 einen Pfarrer befördert habe, obwohl ihm belastende Hinweise aus dessen Personalakte bekannt gewesen seien.

    Kardinal Woelki sagt in Saal 142 des Kölner Landgerichts aus

    Daraufhin hatte der Kardinal gegen die Zeitung geklagt und in einer eidesstattlichen Erklärung versichert: Er habe von anstößigen Handlungen des Priesters nur gerüchteweise gehört. Nun muss Woelki selbst vor Gericht Rede und Antwort stehen, welche Kenntnis er wovon hatte.
    "Herr Kardinal Woelki bitte auf Saal 142", wurde er ausgerufen. Anschließend betrat er den Gerichtssaal und nahm vor den Richtern Platz. Der Vorsitzende Richter Dirk Eßer da Silva fragte ihn, ob er aussagen wolle, worauf Woelki antwortete: "Jaja, natürlich."

    Woelki will von Gerüchten über Pfarrer gewusst haben

    Im weiteren Verlauf wurde Woelki zunächst von Eßer da Silva und einem anderen Richter und später auch von der Springer-Seite befragt. Woelki schilderte, wie der oberste Katholik von Düsseldorf, der Stadtdechant, 2017 den Vorschlag gemacht habe, den betreffenden Pfarrer zu seinem Stellvertreter zu ernennen.
    In der Personalkonferenz des Erzbistums habe er, Woelki, eingewandt:

    Weiß ich nicht, ob wir das machen sollten, es gibt da doch diese Gerüchte.

    Rainer Maria Woelki, Kölner Kardinal

    Die Gerüchte hätten beinhaltet, dass der Pfarrer mit Leuten zusammen in die Sauna gegangen sei, Personen durchgekitzelt und in Rom eine Schürze mit einem Aufdruck von Michelangelos David gekauft habe.

    Aussage von Sekretärin belastet Kölner Kardinal

    Er habe die Personalfrage mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kontrovers diskutiert und dann aber in der nächsten Sitzung die Information erhalten, dass es sich wirklich nur um Gerüchte handele und nichts Substanzielles gegen den Mann vorliege. Die Personalakte des Mannes habe er selbst nie in der Hand gehabt, er habe eigentlich nie Personalakten in der Hand.
    Im Verfahren hatte zuvor eine Sekretärin des früheren Erzbischofs Meisner als Zeugin ausgesagt: Sie habe Woelki schon als Weihbischof 2010 über Saunabesuche des Priesters mit Messdienern informiert. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen Woelki wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ein.

    Vorwürfe gegen Woelki: Vertuschung und Intransparenz

    Kölns Kardinal und seine Missbrauchsaufarbeitung: Das ist eine Vertrauenskrise, die seit nun drei Jahren das Erzbistum und die gesamte katholische Kirche in Deutschland beschäftigt. Dabei hatte Woelki zu Beginn seiner Aufarbeitungsbemühungen versprochen: Er wolle sich der Wahrheit stellen - auch dann, wenn diese schmerzlich sei.
    Doch später hielt er ein von ihm selbst in Auftrag gegebenes Gutachten wegen "methodischer Mängel" zurück und gab ein zweites in Auftrag. Es folgte ein Sturm der Entrüstung: Woelki wurde Vertuschung und Intransparenz vorgeworfen, Rücktrittsforderungen wurden lauter.
    Rom ließ "Apostolische Visitatoren" im Erzbistum nach dem Rechten schauen, am Ende verordnete der Papst seinem Kölner Erzbischof eine mehrmonatige Auszeit. Woelki räumte kommunikative Fehler ein und richtete auch ein Rücktrittsgesuch an den Papst.

    Papst-Entscheid zu Woelkis Rücktrittsgesuch steht noch aus

    Der Vatikan stellte allerdings klar, dass das nicht sofort aus freien Stücken geschah. Der Papst selbst sagte, er habe den Kardinal nach dessen Auszeit darum gebeten. Bislang hat Franziskus noch nicht über Woelkis Zukunft entschieden.
    Anders beim Osnabrücker Bischof Bode. Der dienstälteste katholische Bischof Deutschlands hatte sein Rücktrittsgesuch zwar spät, aber aus freien Stücken eingereicht. Das hatte Bode damit begründet, bei der Missbrauchsaufarbeitung lange Zeit eher die Täter als die Betroffenen im Blick gehabt zu haben.
    Zudem habe es Kritik aus der Mitarbeiterschaft gegeben, die er unterschätzt habe. Der Papst hat nun Bodes Rücktrittsgesuch angenommen. Ein Novum, zum ersten Mal ist so ein deutscher Bischof im Zusammenhang der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt durch Kleriker aus dem Amt geschieden.

    Rechtsstreit sorgt für weitere Negativschlagzeilen

    In Köln ist das anders. Dort hat der Kardinal kaum Einsehen in eigene moralische Verantwortung. Vielmehr hat Woelki sich in einen kleinteiligen juristischen Rechtsstreit verstrickt, der weit über das Bistum hinaus für Aufsehen und Negativschlagzeilen sorgt.
    Einzelne Details dieses Rechtsstreits sind kaum noch nachvollziehbar und selbst ein Teilsieg vor Gericht dürfte Woelkis Glaubwürdigkeit kaum helfen.
    Der Kardinal, der schon beim Gutachten zur Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt im Erzbistum nur auf juristische statt moralische Verantwortung gesetzt hat, zeigt sich nicht lernfähig.
    Dorthe Ferber ist Leiterin des ZDF-Landesstudios in Nordrhein-Westfalen.
    Quelle: Mit Material von dpa

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