Bildung und KI: Wie umgehen mit ChatGPT im Schulunterricht?

    Interview

    Bildung und KI:Wie umgehen mit ChatGPT im Schulunterricht?

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    Künstliche Intelligenz fordert auch unser Bildungssystem heraus. Braucht es Reformen? Müssen Fächer weichen? Wie kann KI das Lernen verbessern? Ein Experte gibt Antworten.

    Eine Schülerin arbeitet mit einem Tablet
    Medienkunde als eigenständiges Unterrichtsfach spiele kaum eine Rolle in Deutschland, kritisiert Medienpädagoge Rudolf Kammerl.
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich dafür ausgesprochen, das deutsche Bildungssystem KI-bedingt zu reformieren. Was halten Sie von dieser Forderung?
    Professor Rudolf Kammerl: Grundsätzlich spricht er damit eine Frage an, die sich in Zukunft verstärkt stellt: Welche Kompetenzen und Kenntnisse müssen in der Schule vermittelt werden? Mit Blick auf das Thema KI ist es meiner Ansicht nach aber noch zu früh, um konkrete Reformen anzustoßen.
    Wir stehen, was die KI-Technologie betrifft, noch am Anfang und wissen nicht, wie sie sich weiterentwickelt. Deshalb sollten wir die Frage systematisch angehen. Denn das Bildungssystem steht in der Verantwortung sorgfältig abzuwägen und zu prüfen, was wann im Bildungsplan verankert wird, und darf nicht ad hoc jedem Trend hinterherlaufen. Wir brauchen also zunächst noch mehr Forschung und Erfahrungswerte.

    Professor Rudolf Kammerl
    Quelle: privat

    ... ist Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Es ist Sprecher des Bereichs Digitale Bildung im Lehramt und des DigiLLabs, dem Labor für digitale Lehren und Lernen. Sein aktueller Arbeitsschwerpunkt sind Studien zu Sozialisations- und Bildungsprozessen im Kontext einer tiefgreifend mediatisierten Gesellschaft.

    ZDFheute: Welche Herausforderungen entstehen durch KI für das Bildungssystem?
    Kammerl: Eine große Herausforderung ist, dass bestimmte Lehrformate und Prüfungsformen infrage gestellt werden müssen. Ich denke dabei etwa an die Facharbeit oder an Referate. Es stellt sich die Frage, inwiefern noch überprüft werden kann, was selbst geleistet wurde und was zum Beispiel ChatGPT übernommen hat.
    Eine andere grundsätzliche Frage: Wie schaffen wir es, dass junge Menschen an Schulen besser mit Technologien wie KI vertraut werden, damit sie kompetent und kritisch, aber auch kreativ mit den sich bietenden Möglichkeiten umgehen können.
    ZDFheute: Wie kann es gelingen, KI besser in die Schule zu bringen?
    Kammerl: Grundsätzlich müssen wir das Thema besser in den Lehrplänen verankern. Heute ist es so, dass digitale Medien meist nur als Hilfsmittel eingesetzt werden - beispielsweise wird der Lateinunterricht statt an der Tafel am Smartboard gestaltet. Aber als eigenständiges Unterrichtsfach spielt die Medienkunde kaum eine Rolle. Das müssen wir dringend ändern, auch um mögliche negative Auswirkungen der Technologien für die junge Generation aber auch für die Gesellschaft insgesamt zu minimieren.
    Wir brauchen mehr Experimentierräume und Forschung dahingehend, wie man Schule anders denken kann und dort mediale und informatische Bildung stärker in den Fokus rückt.
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    Für die SPD-Parteivorsitzende und geprüfte Informatikerin Esken ist es wichtig, dass der Umgang mit KI früh geübt wird. Damit Menschen auch weiter eigene Entscheidungen treffen.14.04.2023 | 0:54 min
    ZDFheute: Für Aufsehen sorgte Winfried Kretschmanns Idee, sich beim Erlernen von Fremdsprachen mit Blick auf KI-Übersetzungsmaschinen künftig nur noch auf Englisch zu konzentrieren. Was ist von diesem Vorstoß zu halten?
    Kammerl: Mir scheint dieser Vorschlag willkürlich und nicht wirklich durchdacht. Warum gerade Französisch? Man könnte genauso diskutieren, ob man nicht Latein streicht oder Inhalte anderer Fächer kritisch unter die Lupe nehmen. Mit dem heutigen Wissen ist es mir aber definitiv zu früh für eine solche Entscheidung.
    Grundsätzlich kann ich mir aber schon vorstellen, dass es in Zukunft die Möglichkeit geben wird, neben den klassischen Fremdsprachen auch stärker künstliche Sprachen, als Teil des Informatikunterrichts, zu erlernen.
    ZDFheute: Wie ist es um das Wissen rund um das Thema KI in der deutschen Bildungslandschaft bestellt?
    Kammerl: Bezogen auf die Rolle der digitalen Technologien als Inhalt und Mittel im Bildungssystem ist Deutschland europaweit abgeschlagen. Vergleichsstudien zeigen, dass hierzulande weniger gezielt digitale Kompetenzen gefördert und sie auch weniger in der Schule eingesetzt werden.
    Allerdings hat man den Handlungsbedarf erkannt. Mit dem Kompetenzverbund "lernen:digital" wurde eine bundesweite Initiative für die digitale Transformation von Schule und Lehrkräftebildung gestartet, an der auch wir als Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg beteiligt sind und Einsatzmöglichkeiten von KI im Unterricht erproben.
    ZDFheute: Welche Chancen liegen in der KI mit Blick auf besseres Lernen?
    Kammerl: Es gibt mehrere Ansätze, um KI gewinnbringend im Bildungssystem zu nutzen und damit das Lernen zu verbessern. Ein Beispiel ist der Bereich Learning Analytics, also die Idee, Lernprozesse datenbasiert zu verbessern. Es ist doch durchaus sinnvoll, wenn ein Lernprogramm Übungsaufgaben ausgehend vom Lernverhalten und -tempo der Schülerin oder des Schülers vorschlägt.
    Man kann ChatGPT auch wunderbar einsetzen, um Sprachkenntnisse zu verbessern, indem man Grammatik- oder Ausdrucksfehler korrigieren lässt. Auch für Lehrkräfte kann KI eine Entlastung sein, indem etwa Testaufgaben generiert werden. Wichtig ist bei alledem jedoch, dass jede KI-generierte Lösung oder Antwort kritisch hinterfragt werden muss, denn sie ist bei weitem noch nicht fehlerfrei.
    Das Interview führte Michael Kniess.

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