Klimawandel: Wie sich der "Kühlschrank" der Erde verändert

    Klimawandel in den Polarregionen:Wie sich der "Gefrierschrank" der Erde ändert

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    Meereisphysikerin Stefanie Arndt erforscht seit einem guten Jahrzehnt Arktis und Antarktis. Nach ihrer Reise schildert sie alarmierende Eindrücke aus dem "Gefrierschrank" der Erde.

    die eisdecke auf dem arktischen ozean am nordpol
    Polarforscherin Stefanie Arndt im Gespräch mit Nadine Krüger15.03.2023 | 29:01 min
    ZDF: Wie haben sich Schnee und Meereis verändert?
    Dr. Stephanie Arndt: Wir haben in der Arktis einen sehr starken Rückgang in der Meereisausdehnung. Die Fläche, die mit Meereis bedeckt ist, wird immer kleiner. Der Schnee wird potenziell immer dünner, immer weniger weiß - fängt also immer früher an zu schmelzen, was den Rückgang des Eises darunter weiter vorantreibt.
    Wir mutmaßen, dass wir auch in der Antarktis langsam in diesen Veränderungen angekommen sind. Allerdings zeigen diese sich ganz anders als in der Arktis, weil das nicht durch die atmosphärische Erwärmung erzeugt ist. Sondern dadurch, dass sich Windmuster verändern, die dafür sorgen, dass das Meereis immer weiter gen Norden transportiert wird und dort schmilzt.
    ZDF: Wieso ist gerade Schnee in den Polarregionen so aussagekräftig und welche Schlüsse können Sie daraus ziehen?
    Arndt: Der Schnee gibt dem Meereis seine Farbe und entscheidet damit, wie viel von der einfallenden Solarstrahlung auf der Erdoberfläche bleibt und wie viel reflektiert wird. Damit spielt er eine der wichtigsten Rollen im Hinblick darauf, ob unser 'Gefrierschrank' der Erde, die Antarktis, gesund bleibt oder sich immer mehr verändert.
    Wenn ich vor Ort bin, schaue ich mir nicht nur die Schneedicke an, sondern vor allem die internen Schneestrukturen - bedeutet: Ich gucke mir wirklich einzelne Schneekristalle an, um daraus abzuleiten, wie sich der Schnee und seine Eigenschaften verändern. Weil genau das entscheidet, wie viel reflektiert, absorbiert oder transmittiert wird.
    ZDF: Welche Folgen hat es, wenn es in der Arktis immer wärmer wird und das Meereis weiter schmilzt?
    Arndt: Die Arktis ist aktuell das Epizentrum der globalen Erwärmung. Wenn wir uns die gesamte Erde anschauen, sehen wir, dass sich die Arktis am stärksten erwärmt. Wir sind im globalen Mittel mittlerweile bei 1,2 Grad. In der Arktis haben wir mehr als doppelt so viel. Wir sind global alle miteinander verbunden durch Winde und Strömungen. Diese sind dadurch angetrieben, dass es in der Arktis kalt und in den Tropen warm ist. Wenn es in der Arktis wärmer wird, fehlt diesem Motor ein Antrieb.
    Vereister Brunnen in New-York
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    Der Jetstream in der oberen Atmosphäre strömt nicht mehr so schnell, weil die Temperaturunterschiede immer geringer werden. Und das hat bei uns ganz konkrete Folgen, die wir in den letzten Jahren erlebt haben. Seien es starke Dürren, die wir immer wieder vor allem in Norddeutschland erlebt haben oder die Starkregenereignisse, die wir 2021 im Ahrtal hatten.
    All diese Dinge sind es, die wir hier zu spüren bekommen. Das kommt daher, dass dieser Strahlstrom, der sonst dafür sorgt, dass unsere Hoch- und Tiefdruckgebiete über die Wetterkarte flitzen, eben nicht mal schnell drüberflitzt, sondern es zu sogenannten blockierenden Wetterlagen kommt. Die dafür sorgen, dass diese Hoch- und Tiefdruckgebiete an einer Stelle verweilen. Die Veränderungen der Arktis sorgen also dafür, dass wir hier immer stärkere Extremwetterlagen bekommen.
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    ZDF: Was muss getan werden, um diese Entwicklung aufzuhalten?
    Arndt: Der entscheidende Punkt ist immer, dass wir versuchen müssen, CO2-neutral zu werden, weil wir diese ganz klare Korrelation zwischen CO2-Emissionen und Temperaturanstieg sehen. Das ist nichts, was von heute auf morgen geht - es ist ein Prozess, der angestoßen werden muss. Denn wir können diese Veränderungen nicht stoppen, aber wir können sie langsamer machen.
    ZDF: Auf Expeditionen in der Arktis ist immer eine Eisbär-Wache an Bord, warum?
    Arndt: Weil wir dort im Wohnzimmer der Eisbären forschen. Auf dem Meereis haben wir regelmäßig Eisbären zu Besuch und müssen deshalb Eisbären-Wachen dabeihaben, um die Tiere frühzeitig zu lokalisieren und um zu sehen, ob sie sich in unsere Richtung bewegen. Wir verlassen dann das Eis und schießen Warnschüsse mit Signalpistolen ab, wenn wir den Eindruck haben, dass es sich die Eisbären zu gemütlich in unseren Messfeldern machen.
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    ZDF: Welche Auswirkungen hat der Rückgang des Meereises auf Eisbären?
    Arndt: Das Meereis ist Jagdgrund für Eisbären. Sie sind auf dem Meereis unterwegs, um auf Robben zu warten. Diese ruhen sich wiederum auf dem Meereis aus und so kommt der Eisbär zu seiner Nahrung. Mit dem Rückgang des Meereises verliert der Eisbär seinen natürlichen Lebensraum und das hat zur Folge, dass Eisbären auch zunehmend in Siedlungen in den hohen nördlichen Breiten wie Spitzbergen oder Kanada gesichtet werden, wo sie eigentlich nicht hingehören.
    ZDF: Was würde es bedeuten, wenn die Nordost- und Nordwestpassage dauerhaft eisfrei sind?
    Arndt: Das hätte wirtschaftlich zwar eigentlich den Vorteil, dass Handelsrouten immer kürzer werden. Wenn wir jetzt aber anfangen die Arktis auch wirtschaftlich zu nutzen, schaden wir ihr mehr und mehr, weil wir menschengemachte Veränderungen hineintragen, die dafür sorgen, dass sich alles noch stärker verändert.
    Das Interview führten Michaela Gompertz und Dorothea Euler.

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