Klimafolgen fürs Essen: Naht das Ende von bezahlbarem Brot?
Klimafolgen fürs Essen:Naht das Ende von bezahlbarem Brot?
von Jana Sepehr
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Die EU gehört zu den größten Lebensmittelproduzenten der Welt. Doch infolge des Klimawandels könnten die Preise von Weizen, Olivenöl und Kartoffeln dramatisch steigen.
Aufgrund des Klimawandels könnten die Lebensmittel-Preise, etwa für Brot, steigen (Symbolfoto).
Quelle: imago/Funke Foto Services
Was für die Franzosen das Baguette ist, ist für die Griechen das Olivenöl und für die Deutschen womöglich der Kartoffelsalat.
In jedem Fall sind Kartoffeln, Weizen und Oliven für die klassische europäische Küche prägend und gleichzeitig fester Bestandteil der europäischen Landwirtschaft.
Im Jahr 2022 wurden in der Europäischen Union (EU) etwa 133,8 Millionen Tonnen Weizen produziert, was 16,7 Prozent der weltweiten Weizenerträge ausmacht. Auch ist die EU der zweitgrößte Erzeuger von Kartoffeln weltweit und produziert 37 Prozent der globalen Erträge.
95 Prozent aller Olivenbäume weltweit werden in der Mittelmeerregion angebaut. Von den rund drei Millionen Tonnen Olivenöl, die jedes Jahr weltweit produziert werden, liefert die EU rund 68 Prozent.
Klimawandel und Trockenheit gefährden die Produktion
Doch infolge des Klimawandels und der zunehmenden Wasserknappheit sehen Wissenschaftler die Produktion dieser europäischen Grundnahrungsmittel in Gefahr. Laut einem aktuellen Bericht des Instituts für Europäische Umweltpolitik (IEEP) könnten die Preise für Weizen, Olivenöl und Kartoffeln die Erträge drastisch sinken - und die Preise enorm steigen.
Mehrere Studien aus den vergangenen Jahren zeigen, dass beim Weizenanbau infolge von Trockenheit starke Ernteeinbußen zu erwarten sind.
Ganz gleich ob Pizza, Pasta oder Brot - Weizen wird für die Zubereitung zahlreicher traditioneller Gerichte der europäischen Küche benötigt. Aber nicht nur in Europa ist das Getreide beliebt: Weltweit liefert Weizen rund 20 Prozent aller Kalorien, die von Menschen weltweit konsumiert werden. Der gesamte Welthandel mit Weizen entspricht dem von Mais und Reis zusammen.
Laut einer umfangreichen globalen Datenauswertung aus dem Jahr 2016 könnten die Erträge von Weizen infolge von Trockenheit um bis zu rund 20 Prozent sinken, während eine andere Studie aus dem darauffolgenden Jahr auf rund 4,4 Prozent kommt.
Auch die Kartoffeln sind vor Hitze und Wasserknappheit nicht gefeit: Eine Studie aus Niedersachsen legt nahe, dass die Kartoffelerträge in einem Szenario mit hohen Emissionen und ohne zusätzliche Bewässerung bis 2050 um durchschnittlich 18 Prozent zurückgehen könnten.
Dies zeigt, dass Weizen und Kartoffeln empfindlich auf Trockenheit reagieren, wenngleich präzise Prognosen schwer zu treffen sind. Wissenschaftler der Studien begründen das mit verschiedenen Faktoren, die die Schwere der Ertragseinbußen stark beeinflussen. Dazu zählen beispielsweise die Art des Agrarökosystems, die verwendeten Sorten, die Bodenbeschaffenheit sowie Zeitpunkt, Dauer und Intensität der Dürreperioden.
Die Europäer stehen weltweit an der Spitze der Kartoffelkonsumenten, wobei jeder Europäer im Durchschnitt 90 Kilogramm pro Jahr verzehrt. Als fettarmes Lebensmittel, das reich an Proteinen, Stärke, Mineralien und Vitaminen ist und eine hohe Kaloriendichte aufweist, spielt sie eine Schlüsselrolle für die globale Ernährungssicherheit. "Die Kartoffel ist eine Pflanze aus der 'Neuen Welt' (Amerika), die zwar erst seit wenigen hundert Jahren in Europa heimisch ist, aber nun schon lange zu unseren Grundnahrungsmitteln zählt", sagt Biodiversitätsforscher Josef Settele.
Wissenschaftler fordern Maßnahmen zur Renaturierung
Experten sind sich einig, dass Maßnahmen notwendig sind, um diese Szenarien abzuwenden. Doch darum, wie genau die Maßnahmen aussehen sollen, wird gerungen.
Seit langem wird auf EU-Ebene das sogenannte Renaturierungsgesetz ausgearbeitet. Eine Einigung über den Gesetzestext war im November 2023 bereits erzielt und von den Botschaftern der Mitgliedstaaten genehmigt worden. Doch im März scheiterte der Gesetzentwurf nun innerhalb weniger Tage zweimal in Folge überraschend. Das Gesetz sieht vor, dass 20 Prozent aller Land- und Meeresflächen bis 2030 renaturiert werden. Das solle dem Umweltschutz dienen und nicht zuletzt auch der nachhaltigen Landwirtschaft.
Fast zwei Jahre lang wurde der Entwurf für das Renaturierungsgesetz intensiv zwischen den EU-Staaten und im Europaparlament ausgehandelt. Das Gesetz sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme auf 20 Prozent der EU-Fläche eingeleitet werden muss.
Das Parlament hatte den Entwurf im Februar bereits verabschiedet, nachdem zahlreiche Zugeständnisse an Landwirte und andere Landnutzer darin festgeschrieben wurden. Doch bei der finalen Abstimmung im Rat der EU-Umweltminister im März fehlte dem Gesetz die erforderliche Mehrheit. In letzter Minute machte Ungarn eine Kehrtwende und sprach sich gegen das von der EU vorgeschlagene Gesetz zum Schutz der Artenvielfalt aus. Experten fürchten nun, dass dem wichtigsten europäischen Naturschutzgesetz der vergangenen Jahrzehnte das Aus drohen könnte.
Keine Pasta, keine Bratkartoffeln und kein Baguette mehr - wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario?
Die Wissenschaftler der aktuellen IEEP-Studie warnen: "Die Produktion von Weizen, Oliven und Kartoffeln wird auf dem europäischen Kontinent innerhalb weniger Jahrzehnte aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels auf die Produktion drastisch zurückgehen, wenn wir keine Anpassungsmaßnahmen ergreifen", sagt Melanie Mauro, Senior Policy Analyst bei IEEP.
Reisanbau in Europa könnte zunehmen
Biodiversitätsforscher Josef Settele hält ein Szenario, bei dem in der EU kein Weizen und keine Kartoffeln mehr angebaut werden können, für äußerst unwahrscheinlich. Dennoch warnt der Leiter des Departments Naturschutzforschung am Helmholtz-Zentrum für Umweltschutz vor Veränderungen in unserer Landwirtschaft.
Ohne entsprechende Maßnahmen drohen ernsthafte Konsequenzen für unsere Landwirtschaft. "Das Funktionieren von Ökosystemen, insbesondere auch in der genutzten Landschaft, ist vom Zusammenspiel einer großen Artenvielfalt abhängig", sagt Settele. "Je mehr eine Landschaft in Richtung einer Monokultur geht, desto größer ist das Risiko für eine Ausbreitung von Schädlingen." Das sehe man derzeit beispielsweise im Mittelgebirge, wo ganze Wälder vom Borkenkäfer zerstört werden, die aufgrund mangelnder Vielfalt nicht gegen die Schädlinge gewappnet sind.
Für die Landwirte bedeute Renaturierung zwar, dass sie ihre Bewirtschaftung umwelt- und biodiversitätsfreundlicher gestalten müssen. Aber insbesondere sie würden von den Investitionen auch profitieren. "Vielfalt im Agrarland trägt dazu bei, die Erträge zu sichern."
"Mit dem zunehmenden Wasserstress steigt auch das Risiko eines lokalen oder regionalen Konflikts", sagt die Unesco-Generaldirektorin. Der UN-Weltwasserbericht 2024 im Überblick: