Fall Höxter: Muss Wilfried W. in Sicherungsverwahrung?

    Sicherungsverwahrung:Kommt der Mörder von Höxter je wieder frei?

    von Celine Löffelhardt, Nico Kellner
    |

    Im Prozess um das "Horrorhaus" in Höxter wurde 2018 ein Urteil verkündet. Seit Ende August steht der Verurteilte erneut vor Gericht. Folgt auf seine Haft eine Sicherungsverwahrung?

    Wilfried W. (M) betritt den Gerichtssaal in Paderborn am 30.08.2023.
    Kommt Wildfried W. trotz Mordes nach elf Jahren wieder frei?
    Quelle: dpa

    Gemeinsam mit seiner Ex-Frau quälte Wilfried W. in seinem Haus in Höxter jahrelang Frauen, zwei davon starben. Im Jahr 2018 verurteilte das Landgericht Paderborn W. zu elf Jahren Haft wegen Mordes. Ein Gutachten stufte den Angeklagten damals als vermindert schuldfähig ein. W. wurde in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.
    Doch zwei Jahre nach der Verurteilung kamen Zweifel an dieser Einschätzung auf. Nachdem ein Gericht das Gutachten als Fehleinschätzung bewertet hatte, wurde W. in den regulären Strafvollzug verlegt. Da er in den Augen der Staatsanwaltschaft Paderborn aber weiterhin eine Gefahr darstellt, möchte sie eine nachträgliche Sicherungsverwahrung erwirken.

    Das Gericht prüft nun, ob von W. noch potenzielle Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen und die Bevölkerung deshalb präventiv vor ihm geschützt werden muss.

    Sebastian Gantzke, Richter am Landgericht Paderborn

    Sicherungsverwahrung rechtlich keine Strafe

    Die Schuld ist eigentlich verbüßt - trotzdem bleibt der Täter hinter Gittern. In Deutschland ist das durch die Sicherungsverwahrung möglich, die aber nur unter strengen Voraussetzungen angeordnet werden kann. Der Täter muss bestimmte schwere Straftaten wiederholt begangen haben und eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.
    Rechtlich ist die Sicherungsverwahrung aber keine Strafe, sondern eine sogenannte freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung im Anschluss an die verbüßte Haftstrafe. Sie soll die Bevölkerung vor besonders gefährlichen, potenziell rückfälligen Straftätern schützen und hat deshalb präventiven Charakter.

    Die Sicherungsverwahrung ist im Strafgesetzbuch in den §§ 66 ff. StGB geregelt. Sie wird regelmäßig bereits im Urteil angeordnet. Die Anordnung kann aber auch vorbehalten werden. Dies geschieht meist dann, wenn das Gericht noch nicht sicher ist, ob die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung vorliegen und darüber erst später entscheiden will.

    Eine weitere Möglichkeit ist, die Sicherungsverwahrung nachträglich anzuordnen, wie es die Staatsanwaltschaft nun im Höxter-Fall beantragt hat. Die Sicherungsverwahrung wird wie die Freiheitsstrafe in Justizvollzugsanstalten vollzogen, jedoch in getrennten Anstalten oder Abteilungen.

    Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes befanden sich im Jahr 2022 in Deutschland 604 Strafgefangene in Sicherungsverwahrung.

    Sicherungsverwahrung zeitlich unbegrenzt

    Zeitlich ist die Sicherungsverwahrung unbegrenzt. Jedoch muss ein Gericht jährlich prüfen, ob die Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Im Extremfall kann die Sicherungsverwahrung bis zum Tod andauern. Sie ist deshalb die schwerste Sanktion des deutschen Strafrechts.
    Damit die Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, muss der Täter voll schuldfähig sein. Da W. aber 2018 in dem Gutachten nur als vermindert schuldfähig eingestuft wurde, konnte gegen ihn damals die Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden.
    Das damalige Wohnhaus der Beschuldigten in Höxter.
    Hinter diesen Mauern geschahen die Gräueltaten: Das "Horror"-Haus von Höxter
    Quelle: Marcel Kusch/dpa

    Nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung möglich

    Die Sicherungsverwahrung kann aber auch nachträglich angeordnet werden. Das ist seit 2004 in Deutschland möglich, wenn die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik nicht mehr vorliegen. Zudem muss eine Prognose vorliegen, wonach der Verurteilte mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut erhebliche Straftaten begehen wird. Die Staatsanwaltschaft Paderborn ist im Fall Wilfried W. hiervon überzeugt. Sie sieht eine große Gefahr, dass er weitere Gewalttaten verüben wird.
    An seiner Verurteilung zu elf Jahren Haft würde die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung aber nichts ändern. Denn das Urteil gegen W. ist rechtskräftig.

    In Deutschland gibt es ein sogenanntes dualistisches, also zweispuriges Sanktionssystem, das im Strafgesetzbuch geregelt ist. Auf der einen Seite gibt es Kriminalstrafen. Hierzu gehören die Freiheits- und Geldstrafe, die gegen den Angeklagten im Urteil verhängt werden.

    Auf der anderen Seite sieht das Strafrecht Maßregeln der Besserung und Sicherung vor, die von dem Strafgericht angeordnet werden können. Diese dienen dem Schutz der Allgemeinheit vor weiterem Fehlverhalten des Täters und sind somit präventiver Natur. Hierzu gehört die Sicherungsverwahrung. Eine weitere Maßregel ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder ein Berufsverbot.

    Auch verurteilte Ex-Frau wird erneut vernommen

    Anders als Wilfried W. verurteilte das Gericht 2018 seine Ex-Frau Angelika W. zu einer regulären Freiheitsstrafe von 13 Jahren und stufte sie als voll schuldfähig ein. Auch sie soll im laufenden Prozess erneut aussagen, ebenso wie die Sachverständige, die das Gutachten zur Schuldfähigkeit des Mannes verfasst hat.
    Es liegt nun an der Strafkammer des Landgerichts, die Persönlichkeitsstruktur des verurteilten Mörders neu zu bewerten und sich einen Gesamteindruck des Täters zu machen. Hierzu sollen auch zwei neue, unabhängige Sachverständige gehört werden.

    Sollte das Gericht die Sicherungsverwahrung nicht anordnen, dann würde W. nach elf Jahren aus der Haft entlassen werden.

    Sebastian Gantzke, Richter am Landgericht Paderborn

    Das Gericht hat bis Ende September noch vier weitere Verhandlungstage angesetzt, um sich mit der Frage zu befassen, welche Gefahr von W. tatsächlich ausgeht.
    Celine Löffelhardt und Nico Kellner arbeiten in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

    :Aktenzeichen XY... Ungelöst

    Die Fahndungssendung mit Moderator Rudi Cerne unterstützt seit 1967 die Verbrechensbekämpfung. Die ZuschauerInnen können helfen, Kriminalfälle aufzuklären.
    Aktenzeichen XY Sendungsteaser

    Mehr zu Femiziden