Russische Behörden: Prigoschin war an Bord des Flugzeugs

    Privatjet in Russland abgestürzt:Wagner-Chef Prigoschin für tot erklärt

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    Ein Privatjet stürzt in Russland ab. Laut russischen Behörden an Bord: Der Söldner-Anführer Prigoschin. Auch Wagner-nahe Telegram-Kanäle vermelden seinen Tod.

    Absturzstelle
    Zwischen Moskau und St. Petersburg ist ein Flugzeug abgestürtzt. Nach russischen Angaben kamen alle zehn Insassen ums Leben. Demnach stand der Wagner-Chef auf der Passagierliste.23.08.2023 | 2:14 min
    Beim Absturz eines Privatjets in Russland sind alle zehn Insassen ums Leben gekommen. An Bord war auch der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, wie die russische Luftfahrtbehörde mitteilte. Auch der Telegram-Kanal, den Prigoschin nutzte, meldete seinen Tod.
    Eine amtliche Bestätigung oder eindeutige Belege für den Tod Prigoschins gab es zunächst nicht. Laut ZDF-Korrespondent Armin Coerper in Moskau steige Prigoschin selten in die Maschine, auf deren Passagierliste er stand. "Fakt ist, es wird hier keine Untersuchung geben und kein Ergebnis geben, das für uns und unsere Standards irgendwie nachvollziehbar ist."
    ZDF-Korrespondent Armin Coerper in Moskau
    Offiziell sei "die Leiche bereits identifiziert, Prigoschin sei unter den Toten - Das ging viel zu schnell, als dass es da schon genetische Untersuchungen hätte gegeben haben können", so ZDF-Korrespondent Armin Coerper in Moskau. "Es wird keine Reaktion aus dem Kreml dazu geben". 24.08.2023 | 2:41 min

    Absturz von Wagner-Privatjet wenige Minuten nach Start

    Der Absturz ereignete sich nur wenige Minuten nach dem Start. Laut öffentlich einsehbaren Tracking-Daten war das Flugzeug vom Typ Embraer Lagacy 600 noch im Steigflug, zuletzt auf 28.000 Fuß, rund 8.500 Meter. Augenzeugen zufolge sollen zwei Explosionen zu hören gewesen sein, auf Videos in den sozialen Medien ist zu sehen, wie das Flugzeug trudelnd aus großer Höhe vom Himmel fällt.
    In den sozialen Medien entbrannte bereits eine Diskussion, ob es sich um einen gezielten oder versehentlichen Abschuss mit einer Flugabwehrrakete handeln könnte. Ein Hinweis darauf könnten charakteristische kleine Rauchwolken sein, die in mehreren Videos zu erkennen sind. Sie könnten die Explosion einer Flugabwehrrakete belegen.
    Angesichts der Flughöhe von rund 8.500 Metern müsste es sich dabei um eine größere Rakete etwa eines Systems S-300 handeln. Kleinere, handgestützte Flugabwehrwaffen etwa vom Typ Strela haben eine solche Reichweite nicht.

    US-Präsident Biden nicht überrascht von Absturz

    Der vermeintliche Tod Prigoschins war auch nach Ansicht der US-Regierung erwartbar. US-Präsident Joe Biden sagte: "Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich bin nicht überrascht."
    Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnt vor Spekulationen. Der Flugzeugabsturz sei erst einige Stunden her, deswegen könne man "keine schnellen Schlüsse ziehen". Der Vorfall unterstreiche aber, "dass ein System, dass eine Macht, dass eine Diktatur, die auf Gewalt gebaut ist, dass sie eben auch intern nur Gewalt kennt". 
    Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak erklärte, es sei offensichtlich, dass Putin niemandem für jene Angst vergeben werde, die ihm die Meuterei eingeflößt habe. Prigoschins Schicksal sei ein Signal an die russische Elite, dass jede Illoyalität mit dem Tod bestraft werde.

    Militärexperte Lange: "Mafia-Staat Russland löst Probleme mit Mafia-Methoden"

    Für Politikwissenschaftler und Militärexperte Nico Lange passe es ins Bild, "wo klar war nach dem Putschversuch, sowas lässt Putin nicht durchgehen und da wird früher oder später was passieren". Es gäbe bereits genügend ähnliche Beispiele in der Geschichte Russlands unter Putin. Gegenüber ZDFheute sagt er:

    Es wird jetzt viele geben, die sagen das ist Zufall oder das ist eine Inszenierung, aber ich glaube, dass vieles darauf hindeutet, dass der Mafia-Staat Russland mit Mafia-Methoden seine Probleme löst.

    Nico Lange, Politikwissenschaftler und Militärexperte

    Lange geht davon aus, dass der Absturz Putin stärken könnte. Er ist sich außerdem sicher, dass die Frage nach der Nachfolge Prigoschins bereits geklärt sei und jemand anders das Geschäft in Afrika übernehme.

    Nico Lange
    Quelle: Tobias Koch

    ... arbeitet für die Zeitenwende-Initiative bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Von 2004 bis 2006 forschte und lehrte er in St. Petersburg. Später leitete er die Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in der Ukraine und in den USA. Von 2019 bis 2022 war er Leiter des Leitungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung.

    Experte: Werden Wahrheit aus offiziellen russischen Quellen nie erfahren

    Auf die Frage, ob Prigoschin seinen Tod nur vorgetäuscht haben könnte, sagt Politikwissenschaftler Andreas Heinemann-Grüder bei ZDFheute live: "Das halte ich für eher unwahrscheinlich. Auf der anderen Seite wird es jetzt […] enorm viel Verwirrung geben. Es wird also enorm viele verschiedene Versionen geben, die da in den russischen Medien verbreitet werden."
    Er halte es für wahrscheinlicher, dass verschiedene Gerüchte gestreut werden, "bis das Publikum gänzlich verwirrt ist [...] und dann wird es irgendwann versickern."

    Wenn es hier einen offiziellen Abschuss gegeben hat, dann werden wir die Wahrheit zumindest aus russischen offiziellen Quellen nie erfahren.

    Andreas Heinemann-Grüder, Politikwissenschaftler

    Andreas Heinemann-Grüder in Anzug und mit Headset.
    Wagner-Chef Prigoschin soll bei einem Flugzeugabsturz getötet worden sein. Politikwissenschaftler Heinemann-Grüder anaylsiert den Machtkampf mit Putin und die Folgen des Absturzes.23.08.2023 | 17:03 min

    Prigoschin-Kanal spricht von "gezieltem Abschuss" und Tod des Anführers

    Prigoschins Internetmedium sprach ebenfalls vom Tod des Wagner-Anführers. Sie verbreiten außerdem die Version eines gezielten Abschusses. Die Maschine sei über dem Gebiet Twer von der Flugabwehr abgeschossen worden, wie es auf dem Telegram-Kanal Grey Zone heißt. Priogoschin nutzte ihn üblicherweise, um seine Videos zu verbreiten. Überprüfbar war die Behauptung eines Abschusses nicht.
    Auch de offizielle Wagner-Kommandeur Dmitri Utkin war laut der von der Luftfahrtbehörde veröffentlichten Passagierliste an Bord des abgestürzten Flugzeugs. Grey Zone schrieb, es seien zwei Flugzeuge der Privatarmee Wagner in der Luft gewesen. Das zweite habe auf dem Flug nach St. Petersburg kehrt gemacht und sei im Flughafen Ostafjewo südlich von Moskau gelandet.
    Jewgeni Prigoschin in Militärkleidung mittig im Vorergrund. Im Hintergrund der Ort des Absturzorts?
    Was war zunächst über den Absturz bekannt?23.08.2023 | 24:30 min

    Erst vor wenigen Tagen vermeintliche Videonachricht aufgetaucht

    Erst vor wenigen Tagen war ein Video aufgetaucht, das vermeintlich den Söldner-Chef in Afrika zeigen soll. In dem Video hatte Prigoschin über Aufklärungsarbeiten der Wagner-Truppe gesprochen. Genauere Informationen wurden nicht genannt. Der Aufnahmeort konnte jedoch nicht unabhängig überprüft werden.
    Politikwissenschaftler Heinemann-Grüder betont allerdings, dass Prigoschin in der Zwischenzeit auch wieder zurückgeflogen sein könnte. Der Moment des Uploads müsse außerdem nicht dem Moment der Aufnahme entsprechen.
    Montage: Abzeichen der Wagner Gruppe, rechts ein Söldner mit Schirmmütze, Sonnenbrille und Maschinengewehr in der Hand
    Die Wagner-Gruppe ist weltweit im Einsatz und kämpft im Auftrag der russischen Regierung. Sie foltert und ermordet Zivilisten.02.06.2022 | 58:22 min
    Quelle: dpa, AP, ZDF

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